Stadterkundungen: Bukarest durch Geschichte, Literatur und Street Art entdeckt
Zwei Projekte von gemeinnützigen Vereinen wollen Einheimischen und Touristen die rumänische Hauptstadt näherbringen. Kulturgeschichte und Street Art spielen dabei eine wichtige Rolle.
Corina Sabău, 13.09.2017, 17:30
ARCEN und Interesting Times Bureau sind zwei Kulturvereine, die uns einladen, Bukarest mittels Stadtführungen zu entdecken. Dabei erfährt man mehr über die Stadt in der Zwischenkriegszeit, über die Geschichte unterschiedlicher Gebäude und über das Leben im Kommunismus. Edmond Niculuşcă, Vorsitzender und Gründer von ARCEN, dem Rumänischen Verein für Kultur, Bildung und Normalität, glaubt, dass die Menschen sich mehr für die Stadt interessieren würden, wenn sie ihre Geschichten kennen würden. Deswegen wurde auch das Projekt ARCEN ins Leben gerufen, als er noch Schüler der Zentralen Schule in Bukarest war.
ARCEN versucht die Bewohner näher an ihre Stadt zu bringen, an die subjektive Stadt, an die intime Stadt, an die persönliche Stadt, wie Mircea Eliade sagen würde, durch eine Reihe von kulturellen Routen.“
Dieses Jahr hat ARCEN zusammen mit dem Französischen Institut in Bukarest die Event-Reihe Eliade 110“ organisiert. Dabei handelte es sich um ein neues Format der kulturellen Route Durch das Bukarest von Mircea Eliade“, ein Projekt, das an ein paar Wochenenden in 2015 mehr als 5000 Teilnehmer zusammengebracht hat. Die von ARCEN organisierten Spaziergänge kombinieren die Architektur und Geschichte alter Bukarester Viertel, die für das Werk und Leben des Schriftstellers Mircea Eliade wichtig sind, mit Geschichten aus seiner Kindheit und Fragmente aus seiner fantastischen Literatur. Edmond Niculuşcă, Vorsitzender von ARCEN, dazu:
Die Teilnehmer werden in die Geschichte dieser Viertel eingeführt, man erzählt ihnen, wie sich diese bis heute entwickelt haben. All diese Geschichten und Informationen zur Architektur führen wir mit Literatur-Fragmenten, insbesondere mit Fragmenten aus der fantastischen Literatur von Mircea Eliade, zusammen. Wir spazieren zum Beispiel auf der Straße Popa Soare, da, wo sich die Handlung der Novelle »Im Hof des Dionysos« abspielt und wo Anfang der 1920er Jahre Leana sang. Diese weibliche Gestalt erscheint in vielen fantastischen Novellen von Mircea Eliade.“
Während sich ARCEN vorgenommen hat, das Erbe und die Geschichten der Stadt aufzubewahren, hat sich Interesting Times Bureau zum Ziel gesetzt, die städtische Kultur und die Straßenkunst zu fördern. Dafür brauche man ein Publikum, das die Straßenkunst schon versteht, meint Doru Răduţă von Interesting Times Bureau, und das wären zurzeit überwiegend ausländische Touristen:
Der Hauptgrund, warum die meisten Gäste ausländische Touristen sind, ist, dass diese die Lektion schon kennen, die interessieren sich, welches das Angebot an Straßenkunst in einer Stadt ist, und suchen es. Knapp 90% unserer Gäste sind ausländische Touristen. Wir organisieren Straßenkunst-Führungen auch für Schüler und Studenten, die meisten davon kostenlos, insbesondere währen der Woche — unter den Stichworten »Schule einmal anders«. Natürlich wünschen wir uns ein zahlreiches rumänisches Publikum. Unser Ziel ist es aber, Fonds für Straßenkunst-Projekte zu sammeln.“
In Rumänien unterscheiden viele nicht zwischen Graffiti und Straßenkunst. Das ist auch einer der Gründe, warum die Führungen von Interesting Times insbesondere von ausländischen Gästen geschätzt werden. Andererseits bietet Bukarest ein spezielles Erlebnis im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen. Die Stadt wurde kulturell und touristisch nicht allzu viel gefördert. Durch seine Führung möchte Interesting Times auch die Einstellung der Einwohner und der Behörden ändern. Doru Răduţă berichtet weiter:
Es ist ein Versuch, Mentalitäten zu ändern, insbesondere die der Menschen, die in Rumänien und, in diesem Fall, in Bukarest wohnen. Zugleich geht es dabei um die Änderung der Mentalität der Unternehmen und der lokalen Behörden. Ich glaube, wir haben zumindest in einem kleinen Maß an der Änderung dieser Mentalitäten beigetragen. Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, in 2017 die Unterstützung einiger Unternehmen zu gewinnen. Zudem haben wir die formelle Unterstützung der lokalen Behörden bekommen, so dass mehr Straßenkunst entstehen kann. Ich glaube aber, dass wir die Mentalität der Menschen in Bukarest ändern müssen. Ich meine damit zum Beispiel die Hausbesitzer, die Wände zur Verfügung stellen könnten. All diese Sachen brauchen aber Zeit. Ich bleibe jedoch optimistisch und glaube, dass sich die Lage in den nächsten Jahren ändern wird.“