Stadt-Land-Gefälle: Medizinische Versorgung im ländlichen Milieu unzureichend
Ärztliche Versorgung und Zugang zu ärztlichen Leistungen gehören zu den Rechten aller rumänischen Bürger. Und doch gibt es in diesem Bereich beträchtliche Unterschiede zwischen Stadt und Land.
Luana Pleşea, 17.12.2014, 17:46
Sehr viele Rumänen werden mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn es darum geht, die ärztliche Versorgung zu bekommen, die ihnen per Gesetz zusteht. Ein Grund dafür wäre vielleicht, dass viele Dorfgemeinden keinen Familienarzt haben, obwohl etwa 40% der Bevölkerung Rumäniens auf dem Land lebt. Wenn sie einen Arzt aufsuchen wollen, müssen diese Menschen in eine andere Ortschaft fahren, und viele von ihnen können sich die Hin- und Rückfahrt nicht leisten. Ein weiteres Problem wäre, dass die Leute ihre Rechte in Bezug auf ärztliche Versorgung nicht richtig kennen, sagt Daniela Buzducea, Beauftragte für Kommunikation bei World Vision Rumänien:
Es gibt Personen, die nicht darüber informiert sind, dass Kinder und schwangere Frauen das Recht auf kostenlose ärztliche Behandlung haben, egal ob sie krankenversichert sind oder nicht. Wir sind der Meinung, dass man etwas mehr für die korrekte Informierung der Bevölkerung über die Rechte der Patienten investieren sollte. Darüber hinaus sollte man schon im jüngsten Alter mit der Erziehung der Patienten anfangen. Leider gibt es in Rumänien große Probleme mit ungewollten Schwangerschaften in immer jüngerem Alter.“
Die mangelhafte Erziehung im Gesundheitsbereich führt zu einem weiteren großen Problem: die hohe Kindersterblichkeit in Rumänien. Daniela Buzducea dazu:
In gewissen ländlichen Regionen ist die Kindersterblichkeit fast zweimal höher als der Durchschnitt in Rumänien. Auf dem Lande haben 20% der Familien mit kleinen Kindern im letzten Jahr kein einziges Mal die Kinder zum Arzt gebracht, auch wenn es klare Regelungen darüber gibt, wie oft ein einjähriges, ein zweijähriges, ein fünfjähriges Kind zum Arzt muss. Und wir haben leider auch eine hohe Prozentzahl von unterernährten Kindern.“
In diesem Kontext wurden mehrere Initiativen zur Verbesserung der Lage gestartet. Daniela Buzducea:
Es gibt einige Erfahrungen mit Programmen, die bereits Resultate zeigen. Wir haben ein Programm, das die Weiterbildung der Familienärzte und Krankenschwester von ländlichen Regionen mit der Erziehung der Eltern und einer Form der Unterstützung für sozial benachteiligte Familien kombiniert. Die Unterstützung bedeutet nicht, dass wir den Leuten Geld geben — wir versuchen, den Familien zur Entwicklung von besseren wirtschaftlichen Fähigkeiten zu helfen, so dass die Eltern ihre Kinder besser ernähren können. Wenn wir nicht in die korrekte Ernährung des Kleinkindes investieren, dann werden die darauffolgenden Eingriffe zur Bekämpfung der späteren Gesundheitsprobleme viel teurer.“
Solche Initiativen gibt es auch auf europäischer Ebene. Diesen Herbst gelang es dem EU-Abgeordneten Victor Negrescu von der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament, das Votum der EU-Abgeordneten für ein Pilotprojekt von 1 Million Euro zu erhalten; Zweck des Projekts ist eine Beteiligung der Europäischen Union zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung, vor allem in den ländlichen Regionen. Der EU-Abgeordnete Victor Negrescu:
Wir werden mit Gesundheitsexperten zusammenkommen, um praktische, konkrete Lösungen für einen besseren Zugang zu ärztlicher Versorgung auf dem Lande zu finden. Basierend auf den Vorschlägen der Experten werden in einer oder mehreren dörflichen Gemeinden (ich werde darum kämpfen, dass es Dorfgemeinden in Rumänien sind) die entsprechenden Lösungen umgesetzt, und wir werden schauen, wie sie funktionieren. Die beste Lösung wird im nächsten Jahr mit 3 Millionen Euro finanziert, und in mehreren rumänischen Dorfgemeinden implementiert. Wenn alles gut funktioniert, dann werden wir in höchstens drei Jahren zum ersten Mal eine Finanzierungsachse für alle Dorfgemeinden in Rumänien und in der Europäischen Union haben. Dadurch werden die Kommunalbehörden oder die Landärzte Finanzierungen für zusätzliche ärztliche Leistungen von hoher Qualität und für moderne medizinische Geräte in den ländlichen Regionen erhalten. Es ist der erste Schritt in Richtung einer echten Finanzierungsachse für ärztliche Leistungen auf dem Lande.“
In puncto Lösungen meint auch der EU-Abgeordnete Victor Negrescu, dass die Erziehung über den Zugang zu ärztlicher Versorgung besonders wichtig ist:
Wir müssen den Leuten beibringen, was Gesundheitspflege bedeutet, warum sie auf ihre Ernährung achten müssen, was sie noch tun sollten, damit sie gesund bleiben und keine schweren Eingriffe benötigen. Besonders wichtig ist die Prävention. Abgesehen von den konkreten medizinischen Eingriffen sollten wir mit rechtzeitigen Laboruntersuchungen und Arztbesuchen größeren Problemen und Krankheiten vorbeugen. All das ist sehr wichtig für die Leute, die auf dem Land leben, weil sie leider sehr oft keinen direkten Zugang zu einer Apotheke oder zu einem Arzt haben. Sie haben keine Informationen über ihren Gesundheitszustand und wenn sie endlich zum Arzt gelangen, ist es meistens zu spät, die Krankheiten sind fortgeschritten und nicht mehr heilbar. Das ist genau der Punkt, wo wir eingreifen müssen.“