„Schöne neue Welt“: Wie die Pandemie unser Leben verändert
Leben wir bereits in einer schönen Neuen Welt“, wie sie sich Aldous Huxley zu Beginn des letzten Jahrhunderts vorgestellt hat, oder befinden wir uns auf dem Weg dorthin?
Luiza Moldovan, 05.05.2021, 17:30
Die menschliche Gesellschaft scheint sich immer mehr der Dystopie Huxleys anzunähern, der eine Welt der Stabilität, des Friedens und einer Pseudo-Freiheit, einer Pseudo-Harmonie für völlig entgeistigte Menschen vorsah. Die Einschränkungen, die auferlegt wurden, um die Auswirkungen der Pandemie zu begrenzen, verändern die menschliche Natur auf eine subtile Weise. Diese Veränderungen“ (Hausisolation, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Schließung von Theatern, Kinos, Restaurants) sind bereits zur Norm geworden. Dies trifft auch auf das Homeoffice zu. Der Soziologe Vladimir Ionaș befasste sich mit der Veränderung des Arbeitsverhaltens während der Pandemie und brachte in Erfahrung, inwieweit es das Burn-out-Syndrom beeinflusst:
Mit der Pandemie änderte sich auch das Verhalten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Homeoffice warf zwar anfangs viele Fragen zur Produktivität auf, aber inzwischen hat sich gezeigt, dass sie nicht abgenommen, sondern im Gegenteil zugenommen hat. Die Arbeitgeber begannen, die Idee, Mitarbeiter so lange wie möglich von zu Hause aus arbeiten zu lassen, zu akzeptieren. Zusätzlich zu den verschiedenen Vorteilen, wie die Reduzierung der Büromiete und anderer Kosten, stellten sie schnell fest, dass die Produktivität der Mitarbeiter im Homeoffice tatsächlich steigt und sie durch diese neue Arbeitsweise mehr Vorteile haben.“
Wer hätte zu Beginn der Pandemie gedacht, dass arbeiten im Hausanzug und ZOOM-Sitzungen nicht mehr mit Leichtigkeit, sondern mit Überproduktivität und psychische und physische Krankheiten wie dem sogenannten Burn-out einhergeht? Jeder, der schon einmal von zu Hause aus gearbeitet hat, weiß, dass die Arbeitsbelastung, die des Büros weit übersteigt. Vladimir Ionaș:
Die Angestellten haben offensichtlich einerseits Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und andererseits den Wunsch, dem Arbeitgeber zu beweisen, dass sie genauso gut oder sogar besser von zu Hause aus arbeiten können. Dafür strengen sich auch an. Sie arbeiten härter als im Büro, sie versuchen, Projekte schneller abzuschließen, sie versuchen alle Aufgaben schneller zu erledigen. Burn-out wurde bei immer mehr Berufsgruppen festgestellt. Nicht nur bei Ärzten, die in der Tat in dieser Zeit ununterbrochen gearbeitet haben, weil sie im Kampf gegen die Pandemie an vorderster Front standen, sondern auch in allen anderen Bereichen gab es solche Fälle. Es gab Mitarbeiter, die versuchten, Projekte, an denen sie arbeiteten, viel schneller zu beenden. Sie arbeiteten ohne Unterbrechung, viele sogar nachts von zu Hause aus. Wenn Familie und Kinder Zuhause sind, ist der Zeitplan ein völlig anderer. Manche Kinder blieben die ganze Zeit zu Hause, weil Schulen auf Fernunterricht umstiegen. Sie lernten von Hause aus, wobei die Eltern auch noch auf sie aufpassen mussten. Es kamen so recht viele Faktoren zusammen, die zum Burn-out führten.“
Krisen, die wir alle zu bestimmten Zeitpunkten in unserer Karriere haben, erhärteten sich während der Pandemie, zumal der Arbeitsmarkt nicht gut aussieht. Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, arbeiteten die Menschen härter. Vladimir Ionaș weiß, wozu das führt:
Angesichts der Angst um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die wir alle in dieser Zeit spüren, wollen alle, die von zu Hause aus arbeiten, beweisen, dass sie es genauso gut können wie im Büro. Leider hat sich dieser Zustand verlängert und offensichtlich strengten sich zahlreiche Mitarbeiter viel mehr als während ihrer Arbeit im Büro an. Auch jetzt gibt in Meinungsumfragen ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung, der Berufstätigen (irgendwo zwischen 60 und 65% der Arbeitnehmer) an, gerne von zu Hause weiterarbeiten zu wollen, wenn die Pandemie vorbei ist. Sogar wenn in vielen Fällen ein Burn-out auftritt, ziehen es die Menschen dennoch vor, aus dem Homeoffice zu arbeiten, weil es neben allen Unannehmlichkeiten auch positive Aspekte gibt, wie z.B. mehr Zeit mit der Familie, den Kindern und den geliebten Menschen zu verbringen. Das ist es, was zählt.“
Homeschooling war bis vor Kurzem ein absurder Begriff. Aber jetzt ist er zur Norm geworden, mit ernsthaften Auswirkungen auf die Entwicklung der sozialen Fähigkeiten der Jugendlichen.
Die jungen Leute sind am meisten davon betroffen. Die, die am Anfang eines neuen Lebens stehen: Studenten, die ein Hochschulleben erwarteten, von zu Hause weggehen wollten, die es in die Städte, dorthin wo die Universitäten sind, zog. Das ist nicht mehr eingetreten, weil alle Unis Online-Kurse anbieten, und hier gibt es ein großes Problem, das aus psychologischer Sicht mit viel Feingefühl behandelt werden muss. Denn viele Angestellte wollen auch nach der Pandemie von zu Hause aus arbeiten. Viele sind mit der Art und Weise, wie jetzt gearbeitet wird, zufrieden“, so der Soziologe Vladimir Ionaș.
In diesem Zusammenhang bleibt die Frage: Sind wir schon in der schönen Neuen Welt“ oder nur auf dem Weg dorthin?
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