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Psychosomatische Folgen der Pandemie: Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen

Die Coronavirus-Pandemie hat unsere Gesellschaft dramatisch verändert. Der in vielen Ländern der Welt verhängte Lockdown hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Doch auch für die psychische Gesundheit der Menschen gibt es schwerwiegende Folgen.

Psychosomatische Folgen der Pandemie: Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen
Psychosomatische Folgen der Pandemie: Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen

, 30.09.2020, 17:30

Während eines langen Lockdowns könnte man glauben, dass man lange und gut schlafen könne. Dem ist aber nicht so. Für die meisten von uns sind während der Pandemie eine ganze Reihe von Problemen wieder aufgetaucht, von denen wir nichts wussten und die zu atavistischem Verhalten führten. Die Psychologin Daniela Ionescu erklärt:



Die grö‎ßte Angst des Menschen ist die Angst vor dem Unbekannten, und die Pandemie hat viele Unbekannte. Die Informationen sind knapp, oft widersprüchlich und bedrohlich, das Gefühl der Selbstsicherheit ist ernsthaft beeinträchtigt, Angst und Schuldgefühle treten auf, ebenso wie die Kampf- oder Fluchtverhaltensmuster. Ein Niesen löst automatisch die Frage aus: Was wäre, wenn…? Und dies im Kopf des Niesenden, aber auch in den Köpfen derer, die sich zufällig in seiner Nähe befinden. Unser Gehirn kann Unsicherheit nicht ertragen. Wenn ihm Informationen fehlen, liefert es sich diese selbst, ja es verzerrt sogar die objektive Realität, damit ein kohärentes Szenario entsteht, auf dessen Grundlage es handeln kann, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Darum werden wir unter Umständen, die wir im Leben antreffen und unser Gehirn als gefährlich einstuft, manchmal mit unangemessenen, übertriebenen, anormalen Reaktionen konfrontiert.“




Betrachten wir dies vor dem Hintergrund des Lockdowns, den wir im vergangenen Frühling hatten. Das hei‎ßt, dass Isolation und die durch soziale Distanzierung auferlegten Ma‎ßnahmen enorme Auswirkungen auf die Menschen hatten, wobei eine schlechte Schlafqualität das erste Symptom dafür ist, dass etwas schiefläuft. Der Soziologe Gelu Duminică dazu:



Schlafentzug tritt nach Ansicht von Spezialisten in einer Vielzahl von Zusammenhängen auf. Unter Druck und in Krisenzeiten reagiert der menschliche Körper auf unterschiedliche Weise. Es ist gut möglich, dass im Kontext einer Krise die Anspannung, die Sie in Ihrem Körper spüren, dazu führt, dass Sie nicht mehr schlafen können. Wenn Ihr Gehirn und Ihr Körper nicht genügend Ruhe finden, löst das auch eine gewisse Überspannung in Ihrem Körper aus. Es ist ein Teufelskreis: Die Anspannung ist die Ursache des Schlafmangels, während der Schlafmangel die Anspannung verursacht. Diese Coronavirus-Krise hat zu Anspannungen geführt. Besonders während der ersten Periode. Die Anspannung wurde auch durch all die Botschaften verstärkt, denen wir ausgesetzt waren, dass der Tod näher ist, als man denkt, dass einem selbst und den Nächsten und Liebsten etwas zusto‎ßen könnte, sowie durch den Lockdown. Und das, weil wir nicht an den Lockdown gewohnt waren und es unser Leben auf den Kopf gestellt hat. Und dann hängt das Verhalten der Menschen, sagen die Soziologen, stark vom Kontext und den Umständen ab. Das, was wir erlebten, war etwas, woran wir nicht gewohnt waren. Und da war logischerweise die Spannung gro‎ß, was unter anderem zu Schlafentzug führte.“




Der Lockdown hat uns keinen gro‎ßen Dienst erwiesen, denn auf diesen hat das soziale Tier, das der Mensch nun einmal ist, mit Depressionen und Angst reagiert, die das Immunsystem schwächen. Die Psychologin Daniela Ionescu dazu:



Wir sind genetisch programmiert, in Gemeinschaften zu leben. Wir bauen unser psychologisches Gleichgewicht auf und entwickeln uns durch Interaktion, so dass eine soziale Distanzierung nicht infrage kommt. Je stärker Sie mit den anderen vernetzt sind, physisch, sozial und psychologisch, desto besser ist Ihre physische und psychische Verfassung. Isolation kann zu chronischer Müdigkeit führen. Es können Panikattacken, Gefühle wie Traurigkeit und Hilflosigkeit, Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum, ja auch Selbstmordgedanken auftreten. Auch die körperliche Distanzierung ist nicht gut für das psychische Gleichgewicht. Wir brauchen die Nähe, wir brauchen die körperliche Berührung. Für uns sind das Quellen des Vertrauens und der Sicherheit. Es ist die erste Sprache, die wir lernen, sobald wir auf diese Welt kommen. Sie ist die direkteste und vollständigste, die durch keine andere Art der mündlichen oder schriftlichen Kommunikation ersetzt werden kann. Die Berührung übermittelt ein viel breiteres Spektrum an Gefühlen und Emotionen als beispielsweise unsere Mimik oder Gestik. Jede Art von Distanzierung verursacht ein gro‎ßes Ma‎ß an Aggressivität, führt zu Verletzungen und Selbstverletzung. Sie löst abnorme Verhaltensweisen aus, sie verursacht Depressionen, die unter anderem ein geschwächtes Immunsystem zur Folge haben. Die Distanzierung könnte uns andererseits helfen, das Ma‎ß menschlicher Beziehungen besser zu verstehen, die Gegenwart der anderen in grö‎ßerem Masse zu schätzen, die Berührungen, die Umarmungen, sie könnte uns helfen, Empathie, Mitgefühl, Selbstlosigkeit, Selbstbewusstsein und das Bewusstsein für die Welt um uns herum zu entwickeln.“




In der soziologischen Studie gaben 53% der Befragten an, dass ihnen das Ausgehen in ein Restaurant, eine Bar oder einen Biergarten während des Lockdowns am meisten fehlten. 48% von ihnen gaben an, dass ihnen Konzerte und Kinobesuche fehlten. Zum Vergleich: Nur 15% der Befragten gaben an, dass sie ihre Hobbys am meisten vermissten. Die Psychologin Daniela Ionescu erneut mit Erläuterungen:



Der Mensch ist ein soziales Tier. Eines seiner Grundbedürfnisse ist das Gefühl der Zugehörigkeit, und um dies zu erreichen, muss man Beziehungen eingehen. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen werden durch interaktionsbasierte Erfahrungen aufgebaut. Ebenso tragen Mitgefühl, Einfühlungsvermögen, Selbstlosigkeit, Sozialisierung zu unserer kognitiven und affektiven Entwicklung bei, aber auch zur Schaffung der Mechanismen, mit denen wir uns an die Welt und das Leben anpassen, sie helfen uns, mit Stress und Angst umzugehen. Soziale Isolation kann zu Krankheiten führen, aber auch dazu, dass wir den Sinn für die Realität verlieren. Manchmal führt sie sogar zum Tod. Auf der anderen Seite können hinter dem übertriebenen Bedürfnis nach Sozialisierung psychologische Probleme stehen, die der Einzelne nur eindämmen kann, wenn er sich auf die Interaktion mit den anderen konzentriert. Sozialisieren in der Gegenwart und mittels des Essens, wie man es in einem Restaurant kennt, basiert auf der weit zurück liegenden Erinnerung, Zuneigung, Trost, Schutz erhalten zu haben, und zwar, als man gestillt wurde. Essen ist eine Sprache, durch die wir unsere Absichten, unsere Emotionen mitteilen und mit anderen in eine Beziehung treten. Essen in Gesellschaft von anderen ist eine Art von Energieaustausch, ein Akt des Zusammenseins, der Intimität. So wie uns die Nahrung physisch nährt, nähren Beziehungen unsere Gefühle, und wenn wir beide Arten von Nahrung haben, sind wir voll und ganz zufrieden.“

(foto: Anqa / pixabay.com)
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