Projekt für Waisenkinder: „Sei der Chef deines eigenen Schicksals“
Der Verband zur Aktivierung der Menschenrechte (ADO Rumänien) hat ein Projekt für Waisenkinder ins Leben gerufen. Zwölf Jugendliche vom Eiweisungszentrum Nr. 5 in Periş, Landkreis Ilfov, werden kostenfrei eine Kochlehre besuchen.
Christine Leșcu, 26.06.2013, 16:56
Die alten Waisenhäuser heißen heute in Rumänien Einweisungszentren“, gerade um ihren transitorischen Charakter hervorzuheben. Theoretisch werden Kinder von hier entweder adoptiert oder bei Pflegeeltern untergebracht. Oft aber haben diese Kinder kein Glück und das Einweisungszentrum wird zu ihrem Zuhause von der Kindheit bis ins Alter von 18 Jahren. Ab diesem Zeitpunkt sind sie auf sich allein gestellt, in einer unbekannten Welt, ohne materielle Unterstützung. Oft haben sie keine besondere Ausbildung und müssen einen Arbeitsplatz finden. Außerdem müssen sie ohne Geldressourcen eine Wohnung finden, obwohl sie im Einweisungszentrum nicht darauf vorbereitet wurden.
Um der Auswegslosigkeit der Waisen und der möglichen Ablehnung der späteren Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt vorzubeugen, hat der Verband zur Aktivierung der Menschenrechte (ADO Rumänien) ein Projekt ins Leben gerufen. Zwölf Jugendliche vom Eiweisungszentrum Nr. 5 in Periş, Landkreis Ilfov, werden kostenfrei eine Kochlehre besuchen. Anschließend setzen die Projektveranstalter sie mit potentiellen Arbeitgebern in Verbindung. Rechtsanwältin Elena Corciu, Gründerin von ADO Rumänien, beschreibt das Projekt Sei der Chef deines eigenen Schicksals“ — die Bezeichnung des Projekts spielt auch auf die Bedeutung des Wortes Chef“ (rum. șef) im Englischen (chef = Küchenchef) an:
Wir wollen dem Leben einiger Teenager, die gezwungen sind, bis ins Erwachsenenalter hinein in einem Weisenhaus zu leben, Sinn geben. Wenn sie da draußen sind, schlägt ihnen das reale Leben ins Gesicht, brutal und ungerecht, wo Drama, Ohnmacht und der Misserfolg die natürlichen Meilensteine ihres Schicksals sind. ‚Sei der Chef deines eigenen Schicksals‘ hat die Motivations- und Berufsberatung, die Berufseinweisung einer ersten Gruppe von 12 Jugendlichen als Ziel. Diese bereiten sich vor, das Einweisungszentrum Nr. 5 in Periş, Landkreis Ilfov, zu verlassen. Die Leistung eines Beratungsdienstes und der kostenlosen Rechtshilfe bezweckt die Aufstellung einer direkten Beziehung zu den Arbeitgebern aus der Gesellschaft, hinsichtlich der Einstellung der jungen Leute.“
Sei der Chef deines eigenen Schicksals“ ist ein Projekt, das von dem berühmten Chefkoch Cezar Munteanu ins Leben gerufen wurde. Er ist nicht bei dem ersten Humanitärprogramm in seiner Karriere. Chef Cezar hat auch für die Kinder in Afrika gekocht und sich an Hilfsaktionen in den USA beteiligt. In Rumänin hat er die Drogenabhänigen, die aufhören wollten, und die Romakinder unterstützt. Nun hat er seine Aufmerksamkeit auf Periş gerichtet:
Wir befinden uns in der zweiten Phase, in der unser ganzes Meisterkönnen ihnen zugute kommen wird. Unabhängig davon, ob es sich um psychologische Beratung oder Gastronomie handelt, werden die Kinder später auch Teil eines Überwachungsprogramms sein. Denken Sie nicht, dass wir uns nach Abschluss dieses Programms von ihnen abwenden. Das endgültige Ziel dieses Projekts ist die Einrichtung des ersten rumänischen Sozialrestaurants, der benachteiligten Kindern gewidmet werden soll.“
Sei der Chef deines eigenen Schicksals“ erfreut sich auch der Unterstützung der Lokalbehörden. Bodgan Pantea, Exekutivleiter der Generaldirektion für Sozialhilfe und Kinderschutz des Landkreises Ilfov, hofft, dass diese Art von Programmen ein Beispiel für zukünftige Partnerschaften werden:
Diese Art von Motivations- und Berufsberatung wird durch eine Arbeitsplatzberatung ergänzt. Es handelt sich um Kinder, die Eingliederungsprobleme haben, denn das Umfeld, in dem sie bis zum 18. Lebensjahr aufwachsen, das Einweisungszentrum, stellt ein Umfeld dar, von dem man sich nur schwer trennen kann. Die Generaldirektion für Sozialhilfe und Kinderschutz Ilfov hofft, dass sie in Zukunft gemeinsam mit ADO Rumänien oder anderen Verbänden in Projekten zusammenarbeiten wird, die eine regelrechte Eingliederung, zum Wohle der 18-jährigen Jugendlichen bieten sollen.“
Nicu ist 16 und geht in die neunte Klasse des Eiweisungszentrum Nr. 5 in Periş. Er hat nicht immer dort gelebt, sondern bloß nach dem Tod seiner Mutter. Im Zentrum hat er Flötespielen gelernt, aber er ist sich dessen bewusst, dass er eine vielseitige Ausbildung braucht, um sich im Leben durchzusetzen. Was er wohl von Kochen hält?
Es zieht mich an. Im Leben musst du nicht einen einzigen Weg wählen, denn du weißt nicht, was dir im Leben weiterhilft. Du musst viel ausprobieren. Ich habe in der Küche zusammen mit den Damen dort gekocht, Pommes frites. Ich habe auch gelernt, Gemüse in den Suppentopf zu geben.“
Dennoch ist das Erste, das er nach Verlassen des Zentrums tun möchte, den Rest seiner Familie wieder zu sehen, vor allem seinen 21-jährigen Bruder. Nicu:
Ich möchte mit Ihnen in Verbindung treten, denn es fällt mir schwer, fern von ihnen zu sein. Besonders meinen Bruder möchte ich sehen. Er hat mich drei, vier mal besucht… Wenn er die Gelegenheit hat, besucht er mich.“
Im Gegensatz zu Nicu kennt Nicoleta ihre Familie nicht. Sie ist 18 Jahre alt und bald wird sie das Einweisungszentrum verlassen. Seit wann sie hier lebt, erzählt sie selbst:
Ich bin hier, seitdem ich acht war. Ich war in der Stadt Buftea und dort ging es mir schlecht. Meine Mutter hat mich verlassen. Ich habe versucht, sie zu suchen, habe sie aber nicht gefunden. Zwei Jahre lang habe ich aus Sehnsucht nach meiner Mutter gelitten. Aber ich habe mir gesagt, dass ich das auch überwinden kann und mir ein eigenes Leben gestalten werde. Ich habe einen Bedienerkurs abgeschlossen und nun nehme ich an diesem Kochkurs teil.“
Nicoleta weiß bereits wie man Rindfleischsalat, Auberginensalat, Fleischklößchen und Fleischklößchensuppe zubereitet. Sie hat das nicht nur mit dem Gedanken an einen künftigen Beruf gelernt.
Schließlich heiratet man und man muss kochen können, wenn dir der Mann sagt, er möchte eine Fleischklößchensuppe. Sowohl für dein Kind als auch für deinen Mann. Ich werde mein Kind nie im Leben in ein Waiseheim einliefern, denn ich habe gelitten und möchte nicht, dass es ihm auch so geht. Ich werde es bei mir behalten, ich werden nett zu ihm sein und ihm vieles über das Leben beibringen.“
Das Projekt Sei der Chef deines eigenen Schicksals“ hat mit der psychologischen Beratung der 12 Kinder begonnen. Der Kochkurs soll bis September stattfinden.
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