PISA-Test: 40% der rumänischen Schüler leistungsschwach
Ende letzten Jahres hatte die rumänische Gesellschaft die Gelegenheit, aufgrund der PISA-Studien den Kenntnisstand der rumänischen Schüler mit dem der Schüler aus weiteren 64 Staaten aus der ganzen Welt zu vergleichen.
Christine Leșcu, 29.01.2014, 17:22
Ende letzten Jahres hatte die rumänische Gesellschaft die Gelegenheit, aufgrund der PISA-Studien den Kenntnisstand der rumänischen Schüler mit dem der Schüler aus weiteren 64 Staaten aus der ganzen Welt zu vergleichen.
Die PISA-Studien sind Schulleistungsuntersuchungen, die seit 2000 alle drei Jahre durchgeführt werden. Sie haben als Ziel, die Kenntnisse und Fähigkeiten 15-Jähriger in Schüsselbereichen — Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften — zu messen. 2012 nahmen alle 34 Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und weitere 31 Partnerstaaten an den PISA-Studien teil. Diese Staaten machen über 80% der gesamten Weltwirtschaft aus.
Für die rumänischen Behörden und Bürger waren die Ergebnisse nicht erfreulich. 40% der Schüler wurden als schwach eingestuft und nur 3,2% als leistungsfähig. Rumänien nahm den 45. Platz in der Rangliste der teilnehmenden 65 Staaten ein. Bildungsminister Remus Pricopie äußerte sich zu diesem Thema:
Wenn Sie eine einfache Antwort hören möchten, sage ich Ihnen, dass die Ergebnisse schwach sind. Wenn sie eine ausführliche Antwort möchten, sage ich Ihnen, dass wir weiter unter dem EU-Durchschnitt liegen. Eine große Zahl von Kindern ist nach 8 Schuljahren nicht im Stande, einen durchschnittlichen Kenntnisstand in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen zu erreichen. Um aber objektiv zu bleiben, müssen wir zugeben, dass es einen kleinen Fortschritt gibt: Gegenüber der letzten PISA-Studie von 2009 hat Rumänien 4 Punkte mehr in der Rangliste erzielt. Und das ist ein erfreuliches Zeichen.“
Um diese schwachen Ergebnisse zu erklären, geht der rumänische Bildungsminister auf die Art und Weise ein, in der die Schüler im rumänischen Bildungssystem auf die unterrichteten Kenntnisse geprüft werden. Bildungsminister Remus Pricopie:
Es gibt zwei mögliche Erklärungen. Erstens wird in der Schule nicht das Nötige unterrichtet. Die zweite Erklärung betrifft die Prüfungs-Methodologie. Es ist sehr einfach, die Schuld auf die Methodologie zu schieben, während eigentlich in der Schule nicht das Nötige unterrichtet wird. Wir prüfen den Stand der erworbenen Kenntnisse und wenn wir das tun, dann nur oberflächlich. Es gibt Schulen, in denen ein Schüler die Note 9 bekommt, in Wirklichkeit entspricht aber sein Kenntnistand einer 6 (in einem Notensystem von 1 bis 10). Durch die im Notenheft eingetragenen Zensuren teilen wir den Eltern mit, dass die Kinder gute Ergebnisse haben. Bei der Prüfung merken wir dann, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Deshalb werden wir beginnend mit diesem Jahr einige Bestimmungen, die schon im Bildungsgesetz verankert waren, befolgen. Dadurch werden Auswertungen in der 2., der 4. und der 6. Klasse eingeführt, um ein Bild zu haben und rechtzeitig zu erfahren, ob in einer Klasse die Entwicklung gut oder schlecht ist. Man kann so rechtzeitig eingreifen und korrigieren.“
Zukünftig möchte man die Tests in Rumänien nach den PISA-Studien gestalten. Sie sollten folglich fachübergreifend sein. Daran sind die rumänischen Schüler nicht gewohnt. Der Lehrplan soll ebenfalls geändert werden. Daran arbeitet man schon. Der Lehrplan gilt auch als Teil des Problems. Ciprian Ciucu, Bildungsexperte beim Rumänischen Zentrum für Europa-Politiken, erläutert:
Unser Lehrplan ist nicht zeitgemäß. Er ist veraltet, auch wenn europäische Fonds für seine Abänderung ausgegeben wurden. Die Wissenschaft macht in allen Bereichen Fortschritte. Normalerweise sollte eine Lehrplansänderung alle zwei Generationen, also alle etwa acht Jahre stattfinden. Die letzte Änderung, die aber nicht den Inhalt betraf, sondern die Ziele, fand Ende der 1990er Jahre, Anfang der 2000er statt. Die Änderung war damals partiell, man sprach von einer nachfolgenden tiefgreifenderen Änderung. Uns das geschah nicht.“
Ein anderer wichtiger Aspekt, der von den PISA-Studien hervorgehoben wurde, betrifft die Motivation. Das Motivations-Niveau der rumänischen Schüler ist das niedrigste unter den im Rahmen der Studie getesteten Ländern. Es liegt auf der Hand, dass die Erklärungen für dieses Motivations-Problem der Schüler nicht außerhalb des Bildungssystem gesucht werden müssen. Bildungsminister Remus Pricopie:
Die Motivation entspringt nicht nur dem Unterricht in der Schulklasse, sondern aus allen täglichen Tätigkeiten. Es gibt viele Kinder, die aufs Lernen verzichten, weil sie den Sinn der Schule nicht erkennen. Betreffend die Lehrer es ist wahr, es gibt einen Zusammenhang zwischen Leistung im Bildungswesen und — ich würde nicht gerade Entlohnung sagen — aber Respekt-Niveau gegenüber den Lehrkräften, und dieses Niveau schließt auch die Entlohnung ein. Es reicht nicht, einen motivierenden Lohn zu haben, es muss auch eine bestimmte Atmosphäre in der Schule herrschen.“
Ciprian Ciucu meint, das Fehlen der Motivation unter Schülern würde die mangelhafte Motivation der Lehrer widerspiegeln.
Das Bildungswesen ist eng an die Motivation gebunden. Bei den Kindern kommt die Motivation von außen. Sein Interesse muss vom Lehrer stimuliert werden. Andererseits sind die Lehrer demotiviert. Der Status des Lehrers ist nicht mehr das, was es mal war. Es ist nichts Besonderes, Lehrer zu sein. Die Auswahl der Lehrkräfte ist mangelhaft. Die besten Absolventen arbeiten nicht im Bildungswesen. Sie wandern aus oder arbeiten in anderen Bereichen des öffentlichen oder privaten Sektors. Die Rekrutierungsmöglichkeiten im Bildungswesen sind folglich eng. Das ist nicht nur für Rumänien typisch, sondern auch für andere europäische Staaten.“
Sowohl die Regierung als auch die Zivilgesellschaft sehen ein, dass tiefgreifende Änderungen durchgeführt werden müssen. Diese sollten das System grundsätzlich ändern. Das Lehren und das Lernen sollten wieder ihr früheres Prestige und ihren Sinn wiedererlangen.
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