Pandemie in Armutsmilieus: Benachteiligte soziale Gruppen haben es besonders schwer
UNICEF Rumänien hat in Zusammenarbeit mit mehreren NGO die Auswirkungen der durch den neuen Coronavirus und den Notstand hervorgehenden Einschränkungen auf sozial schwache Familien und betreute Kinder untersucht.
Christine Leșcu, 13.05.2020, 17:30
Erwartungsgemäß verschlimmern die Covid-19-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Einschränkungen die Situation bestimmter benachteiligter Gruppen. Eine davon sind die Kinder. UNICEF Rumänien hat in Partnerschaft mit öffentlichen Einrichtungen und NGO die Schwierigkeiten untersucht, die die Jüngsten unter uns und die benachteiligten der Gesellschaft haben. Am schlimmsten betroffen sind Kinder aus sozial schwachen Familien, Kinder aus Roma-Familien, Kinder von Arbeitsmigranten und Kinder mit Behinderungen.
Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einzudämmen, können ihre Situation sogar verschlechtern, indem der Zugang zu sozialen und medizinischen Diensten eingeschränkt wird oder das Risiko für häusliche Gewalt und Arbeitslosigkeit steigen. Schulschließungen und Fernunterricht stellen zusätzliche Herausforderungen dar, insbesondere in den Gemeinschaften, in denen Kinder öfter die Schule abbrechen. Carmen Lică, Geschäftsführerin des Step-by Step-Zentrums für Bildung und berufliche Entwicklung, bewertet die Auswirkungen der im Bildungsbereich ergriffenen Maßnahmen:
Kinder in sozial schwachen Familien sind von den jüngsten Maßnahmen zur Einführung des Online-Unterrichts am stärksten betroffen, weil sie nur begrenzten Zugang zu IT-Geräten und Internet haben. Die Ungleichheit beim Zugang zum Online-Unterricht vergrößert die bestehende Schere. Es fehlt an IT-Geräten. Entweder weil die Familien oder Schulen keine haben, oder weil es nicht genug davon gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass es in einigen Gebieten nur einen schlechten oder gar keinen Internet-Anschluss gibt. Auch bei der Nutzung dieser Geräte gibt es Einschränkungen, weil einige Eltern, Kinder oder Lehrkräfte über keine oder nur unzulängliche digitale Kenntnisse verfügen. Roma-Kinder haben zusätzliche Schwierigkeiten, weil viele in Gemeinschaften leben, in denen es weder IT-Geräte noch einen Internetzugang gibt. Dies bedeutet, dass die Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang viel komplexer sind.“
Auch die Sozialhilfe, die normalerweise von der lokalen Verwaltung gewährleistet wird, ist in Mitleidenschaft gezogen. Betreuer können z.B. nicht mehr so oft wie früher in die Gemeinden gehen und verfügen nicht immer über adäquate Schutzbekleidung. Hinzu kommt, dass die Betreuungskräfte nicht immer ausreichend ausgebildet sind, um unter den besonderen Bedingungen der Pandemie und des Ausnahmezustands eingreifen zu können. Besonders schwer haben es Jugendliche in Heimen und Kinderschutzeinrichtungen, sagt Andreeas Novacovici, Vorsitzender des Rates der betreuungsbedürftigen Jugendlichen:
Die größten Schwierigkeiten gehen von der begrenzten Mobilität — die Situation der betreuten Kindern kann nicht mehr überprüft werden — und dem Mangel an Hygieneartikeln — sowohl für betreute Kinder als auch für das Personal in den Heimen — aus. Betreute Jugendliche haben uns erzählt, dass sie in den letzten Wochen noch nicht einmal einkaufen gehen oder ihre Freunde kurz besuchen durften. Die Situation wurde ihnen nicht ausreichend erklärt, sie wurden nicht ausreichend informiert, um zu verstehen, was in dieser Zeit vor sich geht und warum ihnen einige Rechte vorübergehend beschnitten wurden. Der Zugang der betreuten Kinder zu Gesundheitsdiensten wurde auch stark eingeschränkt. Die Beschränkung direkter ärztlicher Besuche in Heimen, die Nutzung von Online- oder Telefonkonsultationen sowie die Schließung der Zahnarztpraxen bildeten die größten Schwierigkeiten im Gesundheitsbereich. Darüber hinaus war es schwer, Medikamente für chronische oder Autoimmunkrankheiten zu bekommen.“
Die Kommunikationsprobleme scheinen weit verbreitet zu sein. Nicht nur den betreuten Kindern wurde der Grund der Beschränkungen nicht ausreichend erklärt, sondern auch den Roma-Gemeinschaften. In diesem Fall müssten Roma-NGO vor Ort präsent sein, um einer der am stärksten benachteiligten Gruppe zu helfen, forderte kürzlich eine von der Weltbank in Partnerschaft mit der UNICEF durchgeführte Bewertung. Tatiana Proskuryakova arbeitet für die Weltbank und ist für Rumänien und Ungarn zuständig:
Zuerst möchte ich sagen, dass die Gemeinschaft der Roma schon vor der Krise benachteiligt war. Wir wissen sehr wohl, dass man dort dicht zusammen wohnt und der Zugang zu einer Grundinfrastruktur beschränkt ist. Ich nenne nur einige Beispiele: 68% der Roma-Haushalte haben keinen Wasseranschluss und 78% haben kein Bad oder eine Toilette im Haus. Es ist klar, dass die erforderlichen Hygienemaßnahmen unter diesen Bedingungen schwer einzuhalten sind. Wegen der beengten Wohnverhältnisse können die Distanzierungsregeln nicht eingehalten werden, und wir erwarten, dass die Infektionsrate in der Roma-Gemeinschaft über die der nationalen Rate steigt. Die Gemeinschaft der Roma ist auch in Bezug auf Erziehung und Gesundheitsversorgung benachteiligt. Mit der Verlagerung dieser Dienste in den Online-Bereich wird alles noch komplizierter. Wir wissen, dass die Pandemie auch wirtschaftliche Folgen hat. Viele Menschen werden arbeitslos. Im Falle der Roma ist alles noch komplizierter, denn viele von ihnen haben befristete Verträge oder arbeiten schwarz.“
Die eingeschränkte Tätigkeit der Hausärzte wirkt sich auch auf die Gesundheit der benachteiligten Gemeinschaften aus. Vor allem Kinder leiden darunter, geht aus der von UNICEF durchgeführten Studie hervor.