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Mythos zerstört: Rumänen eher Kulturmuffel

Kaum ein Land ist so stolz auf seine Kultur wie Rumänien. Die jüngste Studie im Auftrag des Kulturministeriums entlarvt die Rumänen jedoch als Kulturmuffel. In puncto Theater- oder Bibliothekenbesuch und Lesen sind die Zahlen ernüchternd.

Mythos zerstört: Rumänen eher Kulturmuffel
Mythos zerstört: Rumänen eher Kulturmuffel

, 20.05.2015, 19:35

Kaum ein Land ist so stolz auf seine Kultur wie Rumänien. Die jüngste Studie im Auftrag des Kulturministeriums entlarvt die Rumänen jedoch als Kulturmuffel. In puncto Theater- oder Bibliothekenbesuch und Lesen sind die Zahlen ernüchternd. Allerdings muss man diese Zahlen auch relativieren, Begriffe wie Hochkultur“ und Massenkultur“ bringen zusätzliche Differenzierungen.



Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse des neuesten Kulturverbraucherbarometers, der vom Kulturministerium veröffentlicht wurde, überhaupt nicht erfreulich: Rund 63% der Rumänen gehen niemals ins Theater, 39% der Rumänen haben 2014 überhaupt nichts gelesen, 79% von ihnen haben noch nie eine Bibliothek besucht. Dennoch sind sowohl die Urheber der Umfrage, die Forscher des Nationalen Instituts für Kulturforschung und -ausbildung, als auch unabhängige Forscher der Auffassung, dass die Daten ohne elitäre Ansprüche und in einem gewissen Kontext ausgelegt werden müssen. Andrei Crăciun, der Leiter des besagten Instituts, erläutert, dass man sowohl die Verbraucher der sogenannten hohen Kultur“ als auch die der sogenannten Massenkultur“ in Betracht gezogen hat:



Die Rumänen sind schon Kulturverbraucher, aber alles hängt von der Definition der Kultur ab. Oft denken wir an die Sachen, die die sogenannte ‚hohe Kultur‘ definieren, wie Theater, Oper, Museen. Aber in unseren Studien verleihen wir der Kultur einen umfangreicheren Sinn und verbinden mit dieser auch Aktivitäten, die im Freien stattfinden, und auch beliebte Musikrichtungen. Es hängt vieles auch vom Befragungsort ab, ob in der Stadt oder auf dem Land, aber allgemein sind die Rumänen keine gro‎ßen Kulturkonsumenten.“




Der Literaturhistoriker und –kritiker Ion Bogdan Lefter erkennt eine Mischung von zwei Arten von Vorlieben — für die hohe Kultur“ und für die Massenkultur“. Diese gibt es auch in anderen Gesellschaften.



Wenn wir in einem Land wie Rumänien erwarten, dass der Kulturkonsum einen hohen Stand aufweist, dass jedermann wöchentlich oder monatlich ein Buch liest, dass er oft ins Theater oder ins Museum geht, dann sind die Umfragen enttäuschend. Wenn wir auf die Normalität in der Welt Bezug nehmen, auf die westliche Gesellschaft, der wir auch angehören, dann sind wir mit unseren Mitmenschen perfekt kompatibel. Die Daten sind nicht spektakulär. Diese verweisen auf eine gewöhnliche Gesellschaft mit Menschen, die Kulturverbraucher sind, aber auch mit weniger gebildeten Leuten, mit reichen und mit ärmeren Leuten. In diesen Gesellschaften ist der Kulturverbrauch ein Konsumverhalten wie jedes andere.“




Das ist auch eine der Feststellungen dieser Umfrage. Diese beschreibt die Entstehung eines sogenannten omnivoren Kulturverbrauchs und die Entstehung von sogenannten hybriden Kulturgewohnheiten, die mehrere Freizeitvertreib-Möglichkeiten vereinen. Ein Schauspiel, ein Konzert oder ein Film im Kino wird mit dem Ausgehen, mit der Unterhaltung verbunden, meint Andrei Crăciun.



Einkaufszentren sind sehr beliebt, einschlie‎ßlich was den Kultur- und Kinoverbrauch anbelangt. Es ist ein Gesellschaftsort. Auch die Theaterstücke werden immer öfter an alternativen Orten vorgeführt. Diese ziehen immer mehr junge Leute an, die verschiedene Erfahrungen machen wollen, die unter anderem die Zeit mit ihren Freunden verbringen möchten.“




Unter diesen Umständen verzeichnet man ein leichtes Zunehmen der Teilnahme an verschiedenen Aufführungen und an Museumsbesuchen. Z.B. gehen 63% der Bukarester ins Theater. 62% von Ihnen haben im letzten Jahr ein Museum besucht. Die Geschichtsmuseen sind die beliebtesten, gefolgt von Naturkundemuseen. Festivals sind auch sehr beliebt. 48% der Rumänen besuchen Film- und Musikfestivals, 43% nehmen an Unterhaltungs- und Musikaufführungen teil. Au‎ßerdem steigt die Zahl der Rumänen konstant, die in den letzten Jahren mindestens in eine Theater-, Opern- oder Klassikaufführung gegangen sind. Der Gro‎ßteil dieser Zuschauer sieht aber nur Aufführungen in einem bestimmten Genre und entwickelt kein allgemeineres Interesse für Kunst. Wir sind also Zeugen einer kulturellen Alphabetisierung und keiner Gewinnung von treuen Konsumenten der hohen Kultur“. Andrei Crăciun beschreibt nun weitere Vorlieben der Rumänen.



Allgemein ist in den Reihen der Bevölkerung, die Volksmusik hört, Folkloremusik der beliebteste Musikstil. Als nächstes kommt Schlagermusik wie Pop-Dance und weitere Genres, die in den Medien sehr verbreitet sind. Was den Manele-Stil [eine Art Balkan-Beats — Anm. d. Red.] anbelangt, da geht die Beliebtheitsrate etwas zurück. Von 2007 bis 2009 hat es einen Boom dieses Musikgenres gegeben, aber dieser hat sich gelegt. Was Theaterstücke anbelangt, belegen Komödien den ersten Platz, gemeinsam mit den Multimedia-Schauspielen.“




Was die Lektüre anbelangt, wird eine Abwärtstendenz verzeichnet: 2014 erklärten 39% der Rumänen, dass sie überhaupt kein Buch gelesen haben. 18% lesen täglich, 16% ein- oder zweimal im Monat, 13% ein- oder zweimal die Woche, 14% ein- oder zweimal jährlich. Wenn man das zusammenrechnet, ist der Prozentsatz der Leser höher als der der Nichtleser, was aber von den Verlagshäusern als Auslegungsfehler beanstandet wird. Warum, erfahren wir von Mihai Mitrică, dem Exekutivleiter des Verbandes der Rumänischen Verlagshäuser.



Dieser Barometer widerspricht allen vorherigen soziologischen Beobachtungen, inklusive eines Eurobarometers, der vor nur einem Jahr veröffentlicht wurde. Z.B. hei‎ßt es in der Umfrage des Kulturministeriums, dass einer von zwei Rumänen ein Buch monatlich liest. Das ist Schwachsinn, denn vor nur einem Jahr hie‎ß es, dass einer von zwei Rumänen ein Buch jährlich liest. Ein derartiger Sprung des Buchverbrauchs ist ausschlie‎ßlich auf einen Auslegungsfehler der Daten zurückzuführen. Der Buchmarkt stagniert seit Jahren um die 100-Millionen-Euro-Marke. Davon stellen 60 Millionen den traditionellen Markt und 35-40 Millionen den Markt der Schul- und Kioskbücher dar.“




Die grö‎ßere Vielfalt an Kulturmöglichkeiten, aber auch an Zugangsarten — wie z.B. das Internet und die digitalen Technologien — ändert die Art und Weise, in der wir sowohl die hohe Kultur“ als auch die Massenkultur“ wahrnehmen, aber auch die traditionelle Wertschätzung, die man früher dem Lesen entgegenbrachte.

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