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Mobilität und Veränderung in den Roma-Gemeinschaften

Roma leben über den ganzen europäischen Kontinent verstreut. Die etwa neun Millionen Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe bilden hier die größte Minderheit.

Mobilität und Veränderung in den Roma-Gemeinschaften
Mobilität und Veränderung in den Roma-Gemeinschaften

, 16.12.2015, 17:49

Roma leben über den ganzen europäischen Kontinent verstreut. Die etwa neun Millionen Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe bilden hier die grö‎ßte Minderheit. Von einer erfolgreichen Anpassung der Lebensverhältnisse an die Mehrheitsbevölkerungen kann bis dato jedoch noch keine Rede sein. Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur gesellschaftlichen Integration ist sicherlich ein besseres Verständnis für ihre Lebenssituation.



Nach der Volkszählung von 2011 hatte die Volksminderheit der Roma in Rumänien laut offizieller Angaben 621.200 Mitglieder. In Wirklichkeit leben viel mehr Roma in Rumänien, aber es gibt noch keine umfassende soziologische Forschung über diese zahlreiche Volksminderheit. So lautet das Fazit der Studie Positive Aspekte der Migration. Roma-Frauen als Motoren der Veränderung“, die von der Stiftung Eurocentrica mit einer Finanzierung von EEA Grants durchgeführt wurde. Ziel der Forschung war, die Effekte der saisonbedingten Auslandsmigration auf Roma-Frauen und deren Status in ihren Gemeinden festzustellen. Ferner sollte auch ein Teil der sozialen Beziehungen im Rahmen der Roma-Minderheit zur Erscheinung kommen. In Rumänien kennt man die Volksgruppe der Roma nicht besonders gut; dafür gibt es aber viele Klischees über diese Minderheit. Mehr dazu von der Direktorin des Europäischen Instituts in Rumänien, Gabriela Drăgan:



Es handelt sich um eine Volksgruppe, die sich diskriminiert fühlt, und das ist nicht blo‎ß eine Wahrnehmung ohne wirkliche Basis. Ich las ein Eurobarometer der Europäischen Union von Juni 2015, an dem 28.000 EU-Bürger teilgenommen hatten. Eine Frage lautete: ‚Sind Sie der Meinung, dass ethnische Diskriminierung verbreitet ist?‘ 64% sagten, ethnische Diskriminierung sei weit verbreitet. Die Frage über die ethnische Diskriminierung bezog sich sowohl auf Roma als auch auf andere Ethnien. Es gab aber eine noch interessantere Frage: ‚Wäre es Ihnen unangenehm oder angenehm, wenn Ihre Kinder Beziehungen zu Mitgliedern anderer Ethnien hätten?‘ 34% der Befragten erklärten, es wäre ihnen extrem unangenehm, wenn ihre Kinder Beziehungen zu Mitgliedern der Roma-Minderheit hätten. Das ist die höchste Prozentzahl, die in diesem Zusammenhang von EU-Bürgern angegeben wurde. Ausnahme macht nur die Zurückhaltung gegenüber Transsexuellen. In der Tat ist die Wahrnehmung der Roma-Bevölkerung eher negativ.“




In dem Versuch, von Diskriminierung frei zu werden und ihre mehr als schwierige wirtschaftliche Situation etwas zu bessern, migrieren viele Roma aus Rumänien in andere Länder Europas. Die Forscher von der Stiftung Eurocentrica besuchten die Roma, die nach Norwegen ausgewandert waren. Die Studie konzentrierte sich auf Roma-Frauen, die aus drei Roma-Gemeinschaften im Landkreis Gorj stammen. Über die Gespräche der Forscher mit diesen Roma-Frauen, sowohl in Rumänien als auch in Norwegen, wo sie nach langem Umherreisen durch ganz Europa angekommen waren, spricht Liviu Iancu:



Bei unseren Forschungen bemerkten wir einige besonders interessante Aspekte betreffend die Migrationsziele der Roma vom Süden nach Norden, abhängig von der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas. Um das Jahr 2000 herum waren viele Roma als Landwirtschaftsarbeiter in Portugal tätig. Nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise suchten sie sich andere Migrationszielländer aus und orientierten sich in Richtung Skandinavien. In den skandinavischen Ländern werden die Roma-Immigranten aber vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, und müssen betteln, um überleben zu können. Viele von ihnen wollen arbeiten, aber die gesetzlichen Normen, die Sprachbarriere und weitere Hindernisse machen es ihnen unmöglich, einer geregelten Arbeit nachzukommen.“




Neben Diskriminierung, Armut und fehlende Ausbildung werden die Roma-Frauen auch mit spezifischen Problemen innerhalb der eigenen Gemeinschaft konfrontiert. Mehr dazu von Cristina Tănase, Mitglied der Roma-Minderheit und Programm-Managerin bei der Stiftung Rettet die Kinder“:



Die Roma-Frau ist im Allgemeinen dem Mann nicht gleichgestellt, und je nach Roma-Sippe variiert auch die Frauen-Diskriminierung innerhalb der Gemeinschaft. Eine Roma-Frau darf nicht mit ihrem Ehemann am gleichen Tisch essen, und auf der Stra‎ße muss sie immer einige Schritte hinter ihrem Mann laufen. Der Mann läuft immer einige Schritte vor seiner Frau.“




Durch Migration ändert sich aber der Status der Roma-Frauen innerhalb der Gemeinschaft; dieser Status wird nicht unbedingt besser, sondern mit neuen Aufgaben ergänzt. Liviu Iancu dazu:



Was die Roma-Frauen angeht, so konnten wir beobachten, dass die Migration ihren Status in der Gemeinde ein wenig ändert. Das Familienklima wird angenehmer, weil infolge der Migration die finanziellen Ressourcen besser werden. Da die Migration mit Risiken verbunden wird, werden die Frauen in der Familie öfter um Rat gefragt als vorher. Wenn die Männer ihre traditionelle Rolle als Familienernährer nicht mehr erfüllen können — weil sie zum Beispiel krank sind oder lange Zeit der Familie fern bleiben — müssen die Frauen auf die Roma-spezifischen restriktiven Normen verzichten und selbst Entscheidungen treffen. Sie müssen Geld für den Lebensunterhalt gewinnen, kranke Verwandte pflegen und sich selbständig am Migrationsprozess beteiligen.“




Die Ergebnisse der Studie können auch anders interpretiert werden, sagt Gabriela Drăgan, Leiterin des Europäischen Instituts in Rumänien:



Wir stellten 26 Fragen, bei denen es meistens um den Status der Roma-Frauen ging, zum Beispiel was sie in Norwegen tun, wie sie ihr Geld verdienen usw. Die Fragen, bei denen eine (oder keine) Änderung im Status der Roma-Frauen festgestellt werden konnte, waren: ‚Hat sich etwas geändert in Ihrer Familie, seitdem Sie nach Norwegen ausgewandert sind? Was hat sich geändert? Wer trifft die Entscheidungen in Ihrer Familie?‘ Auf die erste Frage antworteten mehr als die Hälfte der Frauen mit ‚Ja‘. Dann mussten wir sehen, was sich geändert hatte. Das Einkommen der Familie war höher geworden, und daher gab es auch ein besseres Familienklima. Auf die Frage über das Treffen von Entscheidungen antworteten 70% der Befragten, es hätte sich nichts geändert. Die kulturellen Modelle ändern sich sehr langsam oder gar nicht. Die Hypothese der Studie war interessant, aber ich bin der Ansicht, dass infolge der Migration keine sichtbaren Änderungen stattgefunden haben.“




Damit die Mentalität der Leute sich wirklich ändert, sollte die Erfahrung der Migration mit Erziehungs- und Ausbildungsma‎ßnahmen ergänzt werden, meint Cristina Tănase.



Die Erziehung ist besonders wichtig. Wenn die Roma in anderen Ländern Kontakt zu der Mehrheitsbevölkerung aufnehmen, besteht die Möglichkeit, dass die Roma, die sich integrieren wollen, etwas von der Kultur der jeweiligen Länder übernehmen. Ich selbst habe von der Mehrheitsbevölkerung viel übernommen. Deshalb wird bei der Stiftung »Rettet die Kinder« die Erziehung gro‎ß geschrieben; wir führen Projekte zur Ausbildung der Lehrer durch, egal ob sie Roma- oder Nicht-Roma sind, um die Roma-Kultur und –Tradition bekannter zu machen und die Eltern an die Schulaktivitäten der Kinder zu beteiligen. Auf diese Weise lernen sie voneinander.“




Neben der soziologischen Studie wurden im Rahmen des Projekts Positive Aspekte der Migration“ auch zwei Festivals mit Roma-Handwerkern in Norwegen veranstaltet.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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