Mobbing am Arbeitsplatz: Rumäniens Justiz hat nur wenig Erfahrung mit dem Phänomen
Die Arbeitswelt bietet Raum für viele Arten von Konflikten, die zwischen einzelnen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern entstehen.
Christine Leșcu, 18.10.2017, 05:30
Konflikte lassen sich in den meisten Fällen friedlich und erwachsen aus der Welt schaffen. Oft liegen auch nur einfache Missverständnisse vor. Komplexer und schwieriger wird jedoch es beim Thema Belästigung und üble Nachrede am Arbeitsplatz — oder kurz: Mobbing. Mobbing oder Mobben steht im engeren Sinn für Psychoterror am Arbeitsplatz mit dem Ziel, Betroffene aus dem Betrieb hinauszuekeln“. Im weiteren Sinn bedeutet Mobbing, andere Menschen in der Regel ständig bzw. wiederholt und regelmäßig zu schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen, beispielsweise in der Schule, am Arbeitsplatz, im Sportverein, im Altersheim, im Gefängnis und im Internet (Cyber-Mobbing). Typische Mobbinghandlungen sind die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen, die Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, Gewaltandrohung, soziale Isolation oder ständige Kritik an der Arbeit. Der Begriff Mobbing ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Englischen to mob“ entstanden. Das Verb to mob“, von dem das Wort Mobbing abgeleitet ist, bedeutet zunächst allgemein belästigen, anpöbeln“. Das deutsche Wort Mob“, das ebenfalls aus dem Englischen entlehnt ist, bezeichnet eine aufgewiegelte Volksmenge sowie allgemein Meute, Gesindel, Pöbel, Bande“.
2011 führte das Institut zur Forschung der Lebensqualität in Rumänien eine Umfrage zum Thema Mobbing“ durch. 25,7% der Befragten erklärten, sie hätten gesehen, wie ein Arbeitskollege von anderen Kollegen oder von Vorgesetzten beleidigt wurde. Wenn es aber um die eigene Person ging, erklärten nur 7,4%, sie seien selbst Mobbingopfer gewesen. 41% der Befragten haben zugegeben, dass der Chef oder die Kollegen am Arbeitsplatz schimpfen oder brüllen. Neuere Umfragen gibt es leider nicht, aber ab 2015 wurde das Mobbing auch in Rumänien strafbar. Mit der Änderung des Gesetzes über Chancengleichheit wurde Belästigung, Schikanieren und Diskriminierung am Arbeitsplatz (mit einem Wort Mobbing“) nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt. Dazu der Rechtsanwalt Costel Gâlcă:
Mobbing wird bezeichnet als eine ‚konfliktbelastete Situation‘, die zwischen Kollegen oder Vorgesetzten und Untergebenen stattfindet. Mobbing am Arbeitsplatz wird dabei stets mit einem Ziel durchgeführt — nämlich mit der zielgerichteten Belästigung und Ausgrenzung des betroffenen Opfers. Die Täter, auch Mobber genannt, sehen sich dann oft am Ziel, wenn der Gemobbte schließlich das Handtuch wirft und durch Kündigung das Unternehmen verlässt. Um ein strafrechtliches Verfahren einzuleiten, muss man Beweise dafür bringen, dass Mobbing auf längere Zeit ausgeübt wurde und dass der Mobber durch seine Taten die Ehre und die Würde des Gemobbten verletzt hat.“
Costel Gâlcă ist einer der ersten Rechtsanwälte in Rumänien, die auf das Phänomen Mobbing aufmerksam machten und Mobbingopfer vor Gericht vertreten haben:
Seit 2015, als das Gesetz verabschiedet wurde, gab es mindestens drei brisante Fälle von Psychoterror am Arbeitsplatz. Im ersten Fall war der Gemobbte Berater bei einem multinationalen Unternehmen und in den anderen zwei Fällen ging es um Top-Manager, nämlich um den stellvertretenden Geschäftsführer einer Bank und um den Leiter der größten Abteilung eines Großunternehmens. Der psychische Terror, die Belästigung, die Demütigung werden gegen alle Kategorien von Mitarbeitern ausgeübt, von den niedrigsten Angestellten bis zu den obersten Etagen der Hierarchie.“
Abgesehen von der Zerstörung der professionellen Karriere hat das Mobbing auch psychosomatische Folgen. Die Psychologin Flori-Ana Andronache erläutert die Wirkung des Mobbings auf das Opfer:
Es fängt relativ harmlos an. Das Mobbing beginnt in den meisten Fällen subtil, dem Opfer wird in der ersten Phase gar nicht bewusst, dass ihm etwas Schlimmes geschieht. Es beginnt mit einem banalen Konflikt, der nach und nach eskaliert und zum Psychoterror am Arbeitsplatz wird. Mit der Zeit hat der (die) Gemobbte keine Lust mehr, zur Arbeit zu kommen, er (sie) fühlt sich ständig irritiert und nervös, Konfusion tritt ein, der (die) Gemobbte hat den Eindruck, dass er (sie) die Selbstkontrolle verliert. Mit der Zeit treten ernsthafte psychopathologische und somatische Probleme ein, mit schweren Folgen für das Leben des Mobbingopfers: Angstzustände, Depressionen, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Hautirritationen, Hautausschläge, Magenbeschwerden, Gewichtsverlust durch psychischen Stress oder Gewichtzunahme durch Frustessen. Das Mobbingopfer muss nicht nur als Individuum leiden — auch die Beziehungen zur Familie und zu den Freunden werden schwieriger.“
Infolge solcher Situationen suchen immer mehr gemobbte Arbeitnehmer psychologische Beratung. So zum Beispiel eine junge Mutter. Als sie vom Mutterschaftsurlaub zurück zur Arbeit ging, stieß sie auf eine überraschende Reaktion der Arbeitskolleginnen. Die Psychologin Flori-Ana Iordache hat sich mit dem Fall beschäftigt:
Die junge Dame ist zur Arbeit zurückgekehrt, und da begannen die Kolleginnen, sie zu mobben. Die Kolleginnen waren frustriert, weil sie die Arbeit der Kollegin hatten übernehmen müssen — der Arbeitgeber hatte während des Mutterschaftsurlaubs keine Ersatzarbeitskraft eingestellt. Nun wollten sie sich dafür an die junge Frau rächen: Sie wurde nicht mehr begrüßt und sie wurde auch von der E-Mail-Liste des Arbeitsteams gestrichen. Alles explodierte in dem Moment, als der Chef von ihr verlangte, gewisse Buchhaltungseintragungen zu machen, die nicht legal waren. Die Frau lehnte es ab, und weil sie durch das bereits existierende Mobbing in einer verletzlichen Position war, wurde sie viel aggressiverer Reaktionen ausgesetzt. Die gemobbte Frau wurde depressiv, und erst nach einigen Jahren, als die Depression bereits fortgeschritten war, kam sie zur psychologischen Beratung.“
Auch wenn in Rumänien das Mobbing per Gesetz unter Strafe gestellt ist, bestehen die Experten auf weitere, ergänzende Maßnahmen wie das Bezahlen von Schmerzgeld und die Mobbing-Prävention. Der Rechtsanwalt Costel Gâlcă dazu:
Aus meiner Erfahrung mit Mobbing habe ich zwei Situationen erkannt: Die Summen, die von den multinationalen Unternehmen als Schmerzgeld bezahlt werden müssen, sind lächerlich. Zurzeit haben die rumänischen Richter nicht die notwendigen juristischen Mittel, um die Großunternehmen zur Entrichtung eines Schmerzgeldes zu zwingen, das in einem korrekten Verhältnis mit dem wirtschaftlichen Wert des Unternehmens steht. Zweitens planen die Fachleute auch ein System, das schon ab den ersten Mobbing-Anzeichen sowohl die Angestellten als auch das Unternehmen schützen sollte. Es lohnt sich gar nicht, vor Gericht zu ziehen, wenn man schon psychisch kaputt ist. Wichtig ist, das die Mobbing-Situation schnell erledigt wird, so dass man nicht mehr vor Gericht muss.“