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Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt

Das Phänomen der Teenager-Mütter bringt Rumänien seit Jahren in die internationalen Schlagzeilen. Insbesondere Minderjährige aus benachteiligten sozialen Milieus und Roma-Gemeinschaften sind davon betroffen.

Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt
Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt

, 23.11.2022, 15:18



RadioRomaniaInternational · Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt



10 % der Geburten in Rumänien entfallen auf Mütter im Teenageralter, während europaweit 45 % der Geburten bei Mädchen unter 15 Jahren sich in Rumänien ereignen, womit das Land in dieser Hinsicht einen negativen Rekord aufstellt und den ersten Platz in der EU-Statistik einnimmt. Dies berichtet die Organisation Save the Children“, die in einem Bericht auch den Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und dem Alter der minderjährigen Mütter in benachteiligten ländlichen Gemeinden aufzeigt. 85 % der Mütter und schwangeren Frauen unter 18 Jahren gehen nicht zur Schule, die meisten brechen sie vor der Schwangerschaft ab. Rund 10 % der jungen Frauen in dieser Situation haben noch nie eine Schule besucht, und drei Viertel von ihnen haben die Schule vor der 8. Klasse abgebrochen.



Besorgniserregend ist au‎ßerdem, dass 4 von 10 schwangeren Frauen oder minderjährigen Müttern während der Schwangerschaft keine ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen oder höchstens ihren Hausarzt aufsuchen. Ein Drittel der jungen werdenden Mütter gibt an, dass sie während der Schwangerschaft keine medizinischen Untersuchungen durchführen lie‎ßen, wobei der Hauptgrund dafür Geldmangel ist — die Hälfte der betroffenen Familien hat ein monatliches Einkommen von weniger als tausend Lei, was umgerechnet nur etwa 200 Euro entspricht. Gleichzeitig nutzten 80 % keine Verhütungsmethode, weil sie sich darüber nicht informiert hatten.



Dieser Teufelskreis aus Armut und bildungsfernem Milieu scheint sich au‎ßerdem im eigenen Familien- oder Bekanntenkreis zu reproduzieren. Die von Save the Children“ veröffentlichte Statistik zeigt auch, dass drei Viertel der Mütter oder schwangeren Minderjährigen Verwandte oder Bekannte haben, die ebenfalls ein Kind bekommen haben, als sie unter 18 Jahre alt waren. Und ein Drittel dieser jungen Mütter wurde selbst von Minderjährigen auf die Welt gebracht.



Im Landkreis Sălaj (im Nordwesten Rumäniens) werden Dutzende von Mädchen durch ein Programm unterstützt, das von einer speziell dafür gegründeten Arbeitsgruppe initiiert wurde. Im Rahmen des Programms erhalten minderjährige Mütter medizinische, soziale und erzieherische Hilfe, um die Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Violeta Milaș, Leiterin des örtlichen Amtes für Sozialhilfe und Kinderschutz, kennt den sozialen Hintergrund dieser jungen Mütter:



Die meisten von ihnen kommen aus ländlichen Gebieten, wo diese jungen Mädchen — minderjährige Mütter fast noch im Kindesalter — keine Ausweispapiere oder Geburtsurkunden haben, ihre Familienangehörigen arbeiten im Ausland und sind folglich weit weg. Wenn sie im Krankenhaus ankommen und entbinden, haben sie weder eine Geburtsurkunde noch einen Personalausweis. Die Registrierung des Kindes wird somit zu einem Problem. Die Erziehung und Bildung in diesen Familien sind äu‎ßerst prekär; viele gehen davon aus, dass es normal sei, in diesem Alter Kinder auf die Welt zu bringen. Wir mussten ihnen grundlegende Dinge über Hygiene beibringen, und dann müssen sie es schaffen, ihre eigenen Kinder zu erziehen. In Gemeinden, in denen es geschulte Sozialarbeiter und medizinische Hilfskräfte gibt, sieht man schon positive Ergebnisse — in dem Sinne, dass die Fälle bekannt und registriert sind, dass wir ihnen etwas beibringen und dass für diese Mütter die Situation dadurch etwas einfacher wird.“




In Bukarest wurde im Gesundheitsministerium vor einem Jahr nach langer Zeit wieder ein Referat für die Gesundheit von Müttern und Kindern eingerichtet. Darüber hinaus wird an der Einrichtung von landesweit rund 200 integrierten Gemeindezentren gearbeitet. Sie sollen ihre Arbeit in Gebieten aufnehmen, in denen gefährdete Bevölkerungsgruppen leben, und sowohl medizinische als auch soziale Dienste anbieten. Minister Alexander Rafila bestätigt jedoch, dass die zentralen Behörden auf eine Partnerschaft mit den lokalen Behörden angewiesen sind, damit schwangere Frauen und junge Mütter Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten bekommen können. Der Minister ist auch der Ansicht, dass die Bildung von entscheidender Bedeutung ist und dass die Zahl der minderjährigen Mütter in Rumänien nur dann verringert werden könnte, wenn sie zur Schule gingen und die Gesundheitserziehung zu einem festen Bestandteil des Lehrplans würde.



Ich denke, das Hauptproblem ist der Zugang zur Bildung und zweitens — aber nicht unbedingt zweitrangig, sondern in direktem Zusammenhang damit — der Zugang zur Gesundheitserziehung. Der Zugang zur Gesundheitserziehung ist sehr wichtig, der Ansatz ist multidisziplinär, es geht nicht allein um Sexualkunde, und wir sollten vermeiden, uns auf diesen Bereich der Sexualerziehung zu beschränken. Wir haben eine neue Bildungsministerin, und ich bin überzeugt, dass wir eine Lösung finden werden, damit die Gesundheitserziehung ein reguläres Lehrfach wird, das für alle Altersgruppen geeignet und Teil des Lehrplans ist. Aber wir können keine Gesundheitserziehung betreiben, wenn diese Kinder nicht zur Schule gehen. Es liegt auf der Hand, dass das Problem mit dem kulturellen Hintergrund zusammenhängt: Minderjährige Mütter gehören oft Minderheiten an, sind ein Teil sozial gefährdeter Gruppen, die traditionell sehr jung heiraten und deshalb so früh Kinder bekommen.“




Im Juli 2022 wurde in Rumänien ein Gesetz verabschiedet, das ab der 8. Klasse der Sekundarstufe Gesundheitsunterricht einführt, an dem die Schüler mit Zustimmung ihrer Eltern teilnehmen können. Nach Ansicht der Präsidentenberaterin Diana Păun müsste die Gesundheitserziehung auch deshalb vorrangig sein, weil sie den heutigen und künftigen Generationen ermöglichen würde, sich angemessen zu informieren und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.



Im Rahmen der Gesundheitserziehung ist die Sexualkunde ein wichtiger Bestandteil, der das Potenzial hat, diese wenig erfreulichen — um nicht zu sagen: schwarzen — Statistiken zu ändern. In ländlichen und abgelegenen Gemeinden ist der Bedarf an funktionsfähigen Arztpraxen in Schulen, an Sexualerziehung und Familienplanungsdiensten am grö‎ßten, und der Nationale Wiederaufbau- und Resilienzplan räumt diesem Bereich Priorität ein. Investitionen in die Ausstattung und Instandsetzung von Familienplanungskliniken in gefährdeten Regionen mit einer hohen Zahl von Teenager-Schwangerschaften und einer hohen Zahl von sexuell übertragbaren Krankheiten sind ein wichtiger Pfeiler in den Zuwendungen für die Gesundheit und werden zu erheblichen Verbesserungen beitragen.“




Eine Reform, die zu weitreichenden Veränderungen führt, muss sich auch mit den Humanressourcen im Gesundheitswesen befassen — mit der erforderlichen Anzahl von Fachkräften mit geeigneten Spezialisierungen und ihrer optimalen geografischen Verteilung auf landesweiter Ebene. Au‎ßerdem müssen Informationen gesammelt und ein umfassendes Bild der Gesundheit von Müttern und Kindern in sozial isolierten und nicht integrierten Gemeinschaften entwickelt werden. Die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Sozialämtern, dem Gesundheitsressort und den Bildungseinrichtungen sind ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. All diese Schritte sind unerlässlich, denn Experten sind sich einig, dass eine Schwangerschaft in äu‎ßerst jungen Jahren mit grö‎ßeren gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Au‎ßerdem setzt eine frühe Mutterschaft junge Mütter dem Risiko aus, die Schule abbrechen zu müssen und in den Teufelskreis der Armut zu geraten — mit Auswirkungen, die von Generation zu Generation weiterreichen.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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