Medikamentenfälschung: Unkenntnis und inkohärente Gesundheitspolitik fördern Schwarzmarkt
Der Online-Kauf von Arzneimitteln aus nichtautorisierten Quellen entwickelt sich weltweit als gefährlicher und schwer kontrollierbarer Trend. Kriminelle Organisationen machen einen guten Gewinn durch den Verkauf von gefälschten Medikamenten im Internet.
Luana Pleşea, 28.06.2017, 17:30
Laut dem Internationalen Forschungsinstitut für gefälschte Medikamente sei eines von zwei Arzneimitteln, die online verkauft werden, gefälscht. Außerdem sei nur eine Online-Apotheke von 20 legal. In Rumänien ist die Lage noch nicht so schlimm, allerdings auch nicht rosig.
Vor kurzem wurde in Bukarest der erste Monitoring-Bericht über den Online-Handel mit Medikamenten aus unkontrollierten Quellen veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert den illegalen Internethandel von rezeptpflichtigen Medikamenten und warnt vor der ernsthaften Gefahr für die öffentliche Gesundheit, die dahinter steckt. Untersucht wurden sämtliche Produkte, die in der Liste des Nationalen Onkologie-Programms sowie des Nationalen Programms für seltene Krankheiten in den letzten 5 Jahren vorkamen. Darüber hinaus wurde auch die Impfstoffliste untersucht — so Dan Miclea, der Generaldirektor von Media Kompass, dem Unternehmen, das den Bericht verfasste. Festgestellt wurde, dass krebskranke Patienten am häufigsten der vom illegalen Medikamentenhandel ausgehenden Gefahr ausgesetzt seien. Dan Miclea fasst die Ergebnisse des Berichtes zusammen:
Es ist sehr wichtig, den Patienten zu erziehen, zu unterrichten. Patienten, die sich in einer verzweifelten Lage befinden — wie z.B. krebskranke Patienten — stehen unter Zeitdruck. Sie sind nicht bereit, zu warten, bis eine normale Behandlungslösung gefunden wird. Patienten, die unter einer chronischen Krankheit leiden, haben mehr Zeit zur Verfügung, sie können es sich leisten, zu warten. Für die Erziehung und die Unterrichtung sind die zuständigen öffentlichen Behörden verantwortlich. Womöglich auch die Zivilgesellschaft und die Massenmedien. Es ist wichtig, dass die Journalisten ihren Teil der Arbeit leisten, dass sie journalistisch ermitteln. Außerdem ist eine deutliche Gesetzgebung notwendig.“
Unterinspektor Răzvan Marinică arbeitet bei der rumänischen Polizei in der Abteilung für Ermittlungen gegen Wirtschaftsverbrechen. Illegale Händler laufen Gefahr, strafrechtlich bestraft zu werden. Ihre Tat könnte als Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Online-Verkauf von gefälschten Medikamenten eingestuft werden, so der Unterinspektor:
Die Gesetzgebung ist ziemlich undeutlich, daher haben wir Schwierigkeiten. Ich beziehe mich vor allem auf den Artikel im Strafgesetzbuch, in dem der Verkauf von gefälschten Medikamenten erwähnt wird. Da wird nur auf die Fälschung der Kennzeichnung, des Logos, nicht aber auf die Fälschung des Arzneimittels, seiner Zusammensetzung Bezug genommen. Wir haben es mit verbrecherischen Netzwerken zu tun. Weder die Einfuhr von Medikamenten, noch der spätere Verkauf im Internet werden angemeldet. Die Erträge werden durch unterschiedliche Methoden verschleiert.“
Die Abgeordnetenkammer arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf, der den Rahmen für die Tätigkeit von Online-Apotheken festlegen soll. Die fehlenden Informationen oder die Bildungsferne seien nicht der Grund, warum Patienten aus illegalen Quellen kauften, behauptet Cezar Irimia. Der Vorsitzende des Verbandes chronisch kranker Patienten bemängelt eher die Politik in dem Bereich.
Ich kenne Patienten, die im Internet eingekauft haben, ich kenne Patienten, die reingelegt wurden, und ich kenne Patienten, die Kreide gegessen haben, die sehr schön in Form einer Tablette angeboten wurde. Sie haben gemerkt, dass etwas nicht stimmte, denn sie haben Fieber entwickelt und haben dann die Tabletten ins Labor zur Untersuchung gebracht. Oder noch ein Beispiel: Sie haben Medizinalkohle geschluckt, die als Zytostatikum verpackt war. Die Patienten wussten nicht, wie das Arzneimittel auszusehen hatte, sie dachten, es muss eben schwarz sein. Und diese Opportunisten kommen in Krisensituationen und sie bieten ihre Produkte nicht nur im Netz an, sie kommen bis vor das Tor des Krankenhauses. Wie ist es dazu gekommen? Da müssen sie unsere Regierung fragen. Die fehlende Kohärenz in der Gesundheitspolitik hat diese Katastrophen verursacht. Es sind einige billige Arzneimittel verschwunden, die aber in der Krebsbehandlung eine entscheidende Rolle spielen. Das ist die katastrophale Preispolitik, die das Gesundheitsministerium führt. Also sind viele Medikamente vom Markt genommen worden, während die wirtschaftlich effizienten Produkte in den Export gehen. Es gibt Berichte von deutschen Journalisten, die bei ihren Ermittlungen herausgefunden haben, dass 90% der nach Deutschland importierten Arzneimittel aus Rumänien stammen.“
Nicolae Fotin, der Vorsitzende der Landesagentur für Arzneimittel und Medizinausstattung, spricht von Präventionsmaßnahmen gegen die Verbreitung von gefälschten Medikamenten. Ferner warnt er vor den vielfachen Risiken, denen sich Patienten aussetzen, wenn sie Medikamente aus nicht autorisierten Online-Quellen kaufen.
Die Tatsache, dass die Herkunft des Arzneimittels unbekannt ist, dass der Hersteller nicht bekannt ist, dass man sich nicht sicher ist, ob der Wirkstoff auch enthalten ist, ob die Konzentration stimmt usw. — die Risiken für die Gesundheit können extrem hoch sein. Wenn wir etwa von den Impfstoffen reden, wissen wir alle, dass sie sehr empfindlich sind, sie müssen kühl transportiert und aufbewahrt werden. Andere bei 28 Grad, andere können tiefgefroren werden, andere nicht. Wenn die empfohlene Temperatur nicht eingehalten wird, haben wir die Impfung umsonst verabreicht. Auch wenn es eine genehmigte Impfung ist, verliert sie ihre Wirkung, da die Stabilitätskriterien nicht erfüllt sind. Jegliche Abweichung von diesen Kriterien bedeutet eine Abwertung. Die Abwertung steht in direkter Verbindung zur Wirksamkeit und den Nebenwirkungen.“
Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen die gefälschten Arzneimittel giftige Stoffe enthielten, wie etwa Merkur oder Rattengift. Also müsste jeder von uns, noch vor den gesetzlichen Verfahren der zuständigen Behörden, beim Online-Kauf von Medikamenten den rechtlichen Hintergrund des Händlers und das Logo überprüfen, das die Genehmigung des jeweiligen Onlineportale bescheinigt.