Leiharbeit in Rumänien
Während unsicherer Wirtschaftszeiten, die unmittelbar zum Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, stellen Temporärstellen, die anahand sogen. Leiharbeitsverträge vermittelt werden, eine vernünftige Alternative auf dem Arbeitsmarkt dar.
Christine Leșcu, 13.08.2014, 15:56
Während unsicherer Wirtschaftszeiten, die unmittelbar zum Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, stellen Temporärstellen, die anahand sogen. Leiharbeitsverträge vermittelt werden, eine vernünftige Alternative auf dem Arbeitsmarkt dar. Besonders gefragt sind die Temporärjobs wie erwartet bei Jugendlichen in den EU-Staaten, die in letzter Zeit von einer zunehmenden Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Die europäsichen Behörden fördern allerdings die Leiharbeit durch eine bereits 2008 verabschiedete Richtlinie, die bis 2011 in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt wurde.
Rumänien hat seinerseits die Direktive umgesetzt, die eine dreigegliederte Beziehung zwischen Leiharbeitsfirmen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorsieht. Die ersten vermitteln die Temporäranstellung, die sich über einen Zeitraum von einem Monat bis zu höchstens drei Jahren, abhängig von den Bedürfnissen und dem Angebot der Arbeitgeber, erstrecken kann. Wenn der befristete Arbeitsvertrag abläuft, kann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in demselben Bereich fortsetzen oder auch nicht. Die berufliche Flexibilität sei auch das Ziel, wofür die EU-Richtlinie verabschiedet wurde, sagt die Direktorin des Rumänischen Verbandes für Leiharbeitsvermittlung (ARAMT), Camelia Slivneanu:
Die Direktive gewährt dem Arbeitnehmer die Freiheit, seinen Berufsgang selber zu bestimmen. Jeder einzelne kann zu einem gewissen Zeitpunkt entscheiden, ob er festangestellt sein möchte, wie es in Rumänien üblich ist. Zudem gewährt die Temporärstelle dem Arbeitnehmer die Flexibilität, seine Bemühungen in die Richtung individueller und beruflicher Interessen zu verstärken. Es handelt sich um ein neues Wirtschaftsumfeld und man kann sagen, dass die Leiharbeit eine Anpassung an die neue wirtschaftliche Realität darstellt. Dies nicht nur wegen der Wirtschaftskrise, sondern auch dank der Öffnung der Grenzen und der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf dem europäischen Markt.“
Eine Temporärstelle ist die ideale Lösung sowohl für Jugendliche, die Berufserfahrung gewinnen wollen, als auch für Absolventen, die noch unsicher sind und sich gleichzeitig um mehrere Berufe bewerben wollen. Für die Arbeitslosen, die trotz langer Suche keinen adäquaten Job finden, kann Leiharbeit auch attraktiv sein. Man fragt sich dennoch, welche die langfristigen Vorteile der Leiharbeit sind. Kann man heute mit einem befristeten Arbeitsvertrag noch von einem Sicherheitsgefühl sprechen? Camelia Slivneanu antwortet:
In letzter Zeit haben zahlreiche Festangestellte ihre Stellen verloren. Also das Sicherheitsgefühl auf dem Arbeitsmarkt kommt heute eigentlich gar nicht mehr in Frage. Bei einem temporären Angestellten handelt es sich hingegen um eine große Sicherheit angesichts der Sozialabgaben, die der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter zahlen muss. Eine Leiharbeitsfirma kann sich nicht die geringste Verfehlung oder den gerinsten Verstoß gegen das Gesetz leisten. Sonst wird die Genehmigung, Leiharbeit zu vermitteln, gleich aufgehoben.“
Andreea Staicu hat derzeit eine Temporärstelle. Sie ist Leiterin der Personalabteilung in einem Privatunternehmen im werstrumänischen Oradea (Großwardein). Sie besetzt die zeitlich vakante Stelle einer festangestellten Frau im Mutterschaftsurlaub. Andreea weiß genau, wann ihr befristeter Arbeitsvertrag abläuft und macht sich daher keine Sorgen über ihren künftigen Berufswerdegang:
Das ist eine Zeit des Ausprobierens in meinem Berufsleben, ich habe keine Sorgen angesichts meiner küftigen Arbeitsstelle oder meines beruflichen Werdegangs. Jetzt konzentriere ich mich auf den aktuellen Job, später werde ich meinen nächsten Schritt entscheiden. Bestimmt wird mir die aktuelle Anstellung später weitere Gelegenheiten eröffnen.“
Für eine junge Person, die Berufserfahrung gewinnen will, stellt die Leiharbeit eine gute Gelegenheit dar, ihr Ziel zu erreichen. Andreea Staicu:
Der befristete Arbeitsvertrag bietet meiner Ansicht nach viele Vorteile. Erstens hat mich der Vertrag in ein neues Umfeld gebracht. Es gibt eine gewisse Zeit, in der ein junger Mitarbeiter selber ausfindig machen kann, welcher Beruf ihm am besten passt. Das sehe ich als eine gute Initiative an.“
Es gibt dennoch auch Nachteile, fügt des Weiteren unsere Gesprächspartnerin Camelia Slivneanu hinzu:
Es gibt einen großer Nachteil, vielleicht der einzige, was die Leiharbeit angeht. Es handelt sich um die Beziehung der temporären Arbeitskräfte zu den Banken. Der Angestellte mit befristetem Arbeitsvertrag wird von den Banken mit weniger Bonität bedacht, und wenn man einen Kredit beantragen will, dann wird die bisherige Berufserfahrung nicht berücksichtigt. Es gibt Mitarbeiter, die Temporärstellen hintereinander nicht nur drei, sondern sechs oder neun Jahre besetzt haben. Der befristete Arbeitsvertrag ist in dieser Hinsicht leider ein Hinderniss auf dem Arbeitsmarkt.“
Die Leiharbeit hat jedoch in letzter Zeit in Rumänien deutlich an Beliebtheit gewonnen. 2008 gab es laut dem Rumänischen Verband der Leiharbeitsvermittler 28.000 Arbeitnehmer in entsprechenden Arbeitsverhältnissen, derzeit liegt ihre Zahl bei über 52.000. Die meisten gehören der Alterskategorie 21-45 Jahre an. 21% der Temporärangestellten sind Studenten und über 35% sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Dennoch liegt Rumänien weit unter dem europäischen Durchschnitt. In der EU stellt der Anteil der Leiharbeitnehmer im Vergleich zu den gesamten Arbeitskräften im Schnitt 2% dar, während in Rumänien der Anteil bei nur 0,8% liegt.
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