Lebenshaltungskosten in Rumänien: Ein Vielfaches des Durchschnittslohns
Nicht viele Rumänen können der eigenen Familie ein anständiges Leben ermöglichen – die finanzielle Belastung, die durch Miete, Strom oder Lebensmittel entsteht, liegt meistens über dem Durchschnittseinkommen.
Christine Leșcu, 21.11.2018, 17:30
Im Monat September lag das Durchschnittsgehalt in Rumänien bei 2.700 Lei (umgerechnet rund 580 Euro). Die Frage, wie viel von den Lebenshaltungskosten man mir dieser Summe abdecken kann, scheint unter diesen Bedingungen sinnvoll. Eine neulich veröffentlichte Studie über die finanzielle Belastung, um ein anständiges Leben in Rumänien führen zu können hat, hat eine Antwort auf diese Frage geliefert und gleichzeitig auch weitere Fragen aufgeworfen. Die Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien hat zusammen mit dem Institut zur Forschung der Lebensqualität den Betrag berechnet, den man in Rumänien für die Lebenshaltungskosten benötigt. Die Autoren der Studie nennen 11 Kapitel, die sie in einen sogenannten Warenkorb der Lebenshaltungskosten legen und für jeden Bürger eine finanzielle Belastung darstellen: Lebensmittel, Kleider, Wohnung, Bildung und Kultur, Gesundheit, Urlaub und die Ersparnisse. Damit all diese Kosten abgedeckt werden, benötigt eine aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern bestehende Familie knapp 6762 Lei im Monat, d.h. 1450 Euro. Für einen Haushalt mit einer Person beziffert sich der entsprechende Betrag auf 2552 Lei pro Monat, rund 547 Euro. Victoria Stoiciu von der Stiftung Friedrich Ebert“ Rumänien erläutert, worauf die Studie basiert:
Der Durchschnittslohn lag im Sommer 2018 laut dem Nationalen Statistikamt bei knapp 2700 Lei pro Monat. Das Gesamteinkommen einer Familie in Rumänien liegt bei knapp 6700 Lei und entspricht dem Gesamtwert des Warenkorbs, aber dessen Struktur entspricht nicht dem alltäglichen Verbrauch der Rumänen, sondern dem, was ein Warenkorb für ein anständiges Leben enthalten soll. In den vergangenen Jahren waren diese Berechnungen im direkten Verhältnis mit dem Notbedarf, nicht mit einem anständigen Lebensstandard, der mehr als die Befriedigung der minimalen materiellen Bedürfnisse vorsieht.“
Die Studie sei zudem für die Stadtbevölkerung repräsentativ und nur zum Teil für die Lebenshaltungskosten im ländlichen Raum, sagt unsere Gesprächspartnerin:
Die Studie betrifft weder die Rentner noch die Arbeitslosen, der Warenkorb als Struktur der Ausgaben ist repräsentativ für die Beschäftigten der Stadt, aber das heißt noch lange nicht, dass der Wert des Warenkorbs im ländlichen Raum dank der Eigenproduktion und des Selbstverbrauchs deutlich geringer wäre. Es stimmt, dass man im ländlichen Raum weniger für Lebensmittel ausgibt, aber für Gesundheit hingegen mehr. In vielen Dörfern gibt es keine Krankenhäuser und keine Gymnasien, deswegen müssen die Kinder zwischen ihrem Dorf und der nächsten Stadt pendeln oder Miete in der Stadt bezahlen.“
Die Rumänen mit einem normalen Einkommen wie Cătălina stellen schnell fest, dass es einen großen Unterschied zwischen den Lebenshaltungskosten für einen anständigen Lebensstandard und der rumänischen Wirklichkeit gibt:
Diese Zahlen sind aus zwei Gründen unrealistisch: Zum einen verdient die Mehrheit der Rumänen im Durchschnitt nicht genug, um den Mindestwert des Warenkorbs zu erreichen, zum anderen gibt eine rumänische Familie mehr aus, um ein anständiges Leben zu führen.“
Cătălina bezieht sich zum größten Teil auf Erholung und Gesundheit. Für die zweite Kategorie gibt man im Durchschnitt rund 107 Lei pro Monat aus, also 23 Euro. Ein Kinoticket kostet rund 15 Lei, wenn man zu zweit ins Kino geht, gibt man im Durchschnitt mit Nebenkosten 100 Lei aus.
Daniela war Lehrerin und ist seit kurzem in Ruhestand gegangen, sie arbeitet noch mit einigen Schulen zusammen, um ihr Einkommen aufzurunden; ohne diese Teilarbeit im Ruhestand wäre es ihr unmöglich, Geld zu sparen. Die Ernährung hat einen Anteil von 20,77% in den Gesamtausgaben eines Haushalts — dazu sagte Daniela:
Mit den jüngsten Preiserhöhungen würde ein Anteil von 20% in einer Familie mit zwei Kindern die Ausgaben für Lebensmittel auch nicht abdecken. Nur wenn man zu Hause kocht, könnte man sagen, 20% wäre richtig, aber man muss doch die Lebensmittel kaufen. Gegenüber dem Vormonat sind die Preise um 10% gestiegen.“
Der Wert des minimalen Warenkorbs sei nur ein Referenzpunkt und die Autoren der Studie sind sich dessen bewusst, dass es große Unterschiede zwischen den realen Einnahmen eines jeden rumänischen Haushalts und dem Warenkorb gibt. Victoria Stoiciu kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:
90% der Rumänen verdienen im Durchschnitt höchstens 2100 Lei (450 Euro) pro Monat, also 90% der Rumänen verdienen weniger als den Wert des minimalen Warenkorbs für einen anständigen Lebensstandard. Rumänien ist ein armes Land und, wie ich feststelle, ist das anständige Leben ein Privileg eines kleinen Teils der Bevölkerung.“