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Katastrophenschutz: Wie sicher ist Bukarest im Falle eines schweren Erdbebens?

Nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien ist in Rumänien die Diskussion über Erdbebensicherheit und Schutzmaßnahmen vor allem in Bukarest neu entbrannt.

Katastrophenschutz: Wie sicher ist Bukarest im Falle eines schweren Erdbebens?
Katastrophenschutz: Wie sicher ist Bukarest im Falle eines schweren Erdbebens?

, 22.02.2023, 17:30



RadioRomaniaInternational · Katastrophenschutzschutz: Wie sicher ist Bukarest im Falle eines schweren Erdbebens?



Am 4. März 1977 um 21:21 Uhr Ortszeit ereignete sich im seismischen Gebiet Vrancea im Osten Rumäniens in einer Tiefe von 94 Kilometern ein Erdbeben der Stärke 7,4 auf der Richterskala. Der Erdsto‎ß war im ganzen Land, vor allem im Süden und Osten, stark zu spüren. Er erschütterte auch die Nachbarländer Serbien, Bulgarien und Ungarn sowie weitere Länder in Mittel- und Südeuropa und konnte sogar noch in Leningrad in der damaligen Sowjetunion gespürt werden.



Das Erdbeben von ’77“, wie es genannt wird, hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Menschen in Rumänien eingegraben, ob sie es nun selbst erlebt oder vom Hörensagen her heraufbeschwören. Damals waren 23 von insgesamt 40 Landkreisen schwer betroffen. Landesweit gab es knapp 1 600 Tote und über 11 300 Verletzte, davon allein in Bukarest über 1 400 Tote (d.h. 90 % der Todesopfer) und fast 7 600 Verletzte. Unter den tragisch ums Leben gekommenen Menschen befanden sich auch einige Prominente — so etwa der Schauspieler Toma Caragiu, der Regisseur und TV-Produzent Alexandru Bocăneț, die Sängerin Doina Badea, der Literaturhistoriker Mihai Gafița und der Schriftsteller Alexandru Ivasiuc.



Die meisten Todesopfer in der Hauptstadt waren auf den völligen oder teilweisen Einsturz von mehr als 30 Gebäuden zurückzuführen — zumeist Hochhäuser und mittelhohe Wohnblöcke, die zum Teil ein Wahrzeichen der Stadtarchitektur waren. Auch ein Hotel, ein Gebäude der Fakultät für Chemie und das Rechenzentrum des Verkehrsministeriums stürzten ein. Das Wärmekraftwerk Bukarest West stand kurz vor der Explosion, nachdem das Dach einstürzte und ein Feuer ausbrach. Viele andere Gebäude in Bukarest wurden schwer oder mittelschwer beschädigt.



Angesichts der verheerenden Erdbeben Anfang Februar in der Türkei und in Syrien und trotz der Erinnerung an das Erdbeben von 1977 scheinen Politik und die Bukarester Stadtverwaltung keine Lehren aus diesen Naturkatastrophen gezogen zu haben. Denn nach wie vor sind viele Gebäude vor allem in Bukarest erdbebengefährdet, und die Konsolidierungsarbeiten schreiten nur mühsam voran. Ștefan Dumitrașcu, ehemaliger Chefarchitekt der Stadt Bukarest, kennt die Situation:



Während meiner zweieinhalbjährigen Amtszeit als Chefarchitekt der Stadtverwaltung wurde eine Bestandsaufnahme der erdbebengefährdeten Gebäude durchgeführt — über 180 Gebäude wurden hinsichtlich ihrer Sicherheit technisch bewertet, um den Konsolidierungsbedarf zu eruieren. Vor zweieinhalb Jahren gab es noch 81 Baustellen für Konsolidierung in Bukarest. Heute gibt es aufgrund von Änderungen in der Verwaltung und eines anderen Konzepts leider null Baustellen für die Konsolidierung.“




Vor allem im Zentrum der Hauptstadt sind viele ältere Gebäude, die vor 1977 errichtet wurden, sehr baufällig, weil sie jahrzehntelang nicht einmal renoviert wurden. Von erdbebensicherer Bauweise oder Konsolidierung kann erst keine Rede sein, sagt weiter der Architekt Ștefan Dumitrașcu:



Es ist allerhöchste Zeit, etwas zu tun! Eine Konsolidierungsma‎ßnahme wird nicht über Nacht durchgeführt, es ist eine Baustelle, die ein Jahr bis anderthalb Jahre dauert, insbesondere wenn es sich um Gebäude mit 8 bis 10 Stockwerken handelt, die in der Zwischenkriegszeit errichtet wurden, wie es sie auf dem Magheru-Boulevard, der Siegesstra‎ße (Calea Victoriei) und weiteren wichtigen Verkehrsadern der Hauptstadt zuhauf gibt. Es ist sicherlich notwendig, die Menschen darüber aufzuklären, dass man nicht tatenlos auf ein Erdbeben warten darf. Denn wir wissen alle, dass ein starkes Erdbeben verheerende Folgen in der Hauptstadt haben würde — es ist nicht die Frage, ob, sondern wann sich ein solches Erdbeben ereignen wird. Und man wird nachher nicht einfach in den Park gehen und darauf warten können, dass die Armee einen mit Wasserflaschen und Fleischkonserven versorgt. So geht das nicht! Erdbebenvorsorge muss sehr ernsthaft organisiert werden, und natürlich braucht es eine kompetente Führung auf Gemeindeebene, um die Konsolidierungsarbeiten dringend wiederaufzunehmen.“




Doch woran hapert es, warum tut sich die Stadt so schwer mit Konsolidierungsarbeiten? Toni Greblă, der Präfekt von Bukarest, also der höchste Regierungsbeamte der Hauptstadt, gibt unverfroren zu, dass es nicht an Finanzknappheit liegt, sondern:



an der Trägheit einiger Beamte in der Verwaltung, die Projekte nicht gründlich vorbereiten, um mit der Sanierung und erdbebensicheren Konsolidierung von Gebäuden fortfahren zu können. Seit 15 Jahren darf sich keine Gemeinde, insbesondere Bukarest, nicht darüber beklagen, dass kein Geld für die Gebäudesanierung zur Verfügung stünde. Jahr für Jahr bleiben Mittel aus dem Entwicklungsministerium und aus europäischen Fonds ungenutzt, weil wir nicht in der Lage sind, Projekte zur erdbebensicheren Konsolidierung zu planen und in die Praxis umzusetzen.“




Die Konsolidierung von erdbebengefährdeten Gebäuden kann sowohl aus dem Haushalt als auch über den Nationalen Plan für Wiederaufbau und Resilienz (PNRR) vollständig finanziert werden — allerdings muss man das auf einer speziellen digitalen Plattform auch beantragen. Könnten die Menschen in Rumänen in der Zwischenzeit wenigstens erfahren, welche die sichersten Städte des Landes im Falle eines starken Erdbebens sind? Mihail Diaconescu, Seismologe am Nationalen Institut für Erdphysik, beantwortet diese Frage:



Sicherlich könnte man das in Erfahrung bringen, doch bin ich nicht davon überzeugt, dass es wünschenswert wäre. Was sollten die Menschen dann tun? Alle in diese Städte ziehen und einen Teil des Landes der Entvölkerung preisgeben? Die Lösung besteht darin, die Bausubstanz, die im Laufe der Zeit beschädigt wurde, aufzurüsten und zu konsolidieren. Und der Staat ebenso wie private Bauunternehmen sollten die Bauvorschriften gewissenhaft einhalten. Wenn die Bauvorschriften hinsichtlich der Erdbebensicherheit eingehalten werden, ist die Gefahr geringer, dass Häuser bei Erdbeben einbrechen.“




Wie würde sich ein schweres Erdbeben auf das heutige Bukarest auswirken? Möglicherweise viel schlimmer als 1977, sagen Experten. Nach Angaben des Entwicklungsministeriums gibt es in Rumänien 2 687 Gebäude, die in puncto Erdbebengefährdung in unterschiedlichen Risikoklassen eingestuft sind. Die meisten davon befinden sich in Bukarest, darunter mehrere hundert in den Gefahrenklassen I und II. Eine Analyse des städtischen Komitees für Notfallsituationen und Katastrophenschutz in Bukarest zeigt jedoch, dass die Situation noch schlimmer ist: Im Falle eines Erdbebens, das dem von 1977 ähnelt, könnten 23 000 Gebäude in der Hauptstadt erhebliche Schäden erleiden. Und bis zu 1 000 Gebäude könnten teilweise oder ganz einstürzen.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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