Hochschulwesen: Sind Bildungsangebote mit dem Arbeitsmarkt vereinbar?
Das neue Studienjahr stellt die Studenten vor neue Herausforderungen. Erwartungen, Befürchtungen, Zukunftspläne – alles muss unter einen Hut gebracht werden. Dazu muss auch die Dynamik des Arbeitsmarktes mitberücksichtigt werden.
Steliu Lambru, 07.10.2015, 17:48
Ein neues Studienjahr hat begonnen — mit den üblichen Erwartungen, Zukunftsplänen und Befürchtungen. Lerneifrige Studenten stehen vor neuen Herausforderungen. Sie rücken einen Schritt näher an das Erwachsensein und planen gründlich ihren Berufsweg. Viele Änderungen kommen auf sie zu — die Universitäten stellen neue Anforderungen, die Studenten müssen ihre Ausbildung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anpassen. Die Studenten beschäftigen sich hauptsächlich damit, der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Die Studienausrichtung wird je nach Entwicklung des Arbeitsmarktes gewählt. Doch nicht nur die Jugendlichen nehmen Rücksicht auf den Arbeitsmarkt, sondern auch die Universitäten. Gabriela Jitaru leitet die Projekte zur Finanzierung des Hochschulstudiums, Forschung, Entwicklung und Innovation. Wir wollten gemeinsam den Zusammenhang zwischen dem Hochschulwesen und dem Arbeitsmarkt erläutern.
Es gibt keine direkte Verbindung, vor allem wenn man bedenkt, dass die Studenten im Hinblick auf ihre Integration auf dem Arbeitsmarkt ausgebildet werden sollten. Darüber hinaus sollten die Schulen gesellschaftsreife Absolventen ausbilden und hohen Wert auch auf die persönliche Entwicklung legen. Dafür sollte eine enge Verbindung zwischen den Studienlehrplänen und den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorhanden sein. Eine gewisse Flexibilität muss auch gegeben sein, denn der derzeitige Arbeitsmarkt ändert sich sehr schnell, er entwickelt sich fortdauernd. Das Angebot der Universitäten hält kaum Schritt mit diesem Entwicklungstempo. Unsere Abteilung hat die Eingliederung von Hochschulabsolventen in den Arbeitsmarkt hierzulande untersucht. Wir haben mehrere Generationen von Absolventen berücksichtigt. Die Wahrnehmung war unterschiedlich — diejenigen, die ihr Studium vor mehr als 5 Jahren abgeschlossen hatten, konnten sich besser über die Kompetenzen äußern, die ihnen für ihre berufliche Integration behilflich waren. Die Absolventen sind demnach der Meinung, dass eine relativ enge Vereinbarung zwischen Studium und Dienstaufgaben besteht. Studium und Beruf seien zu 78% vereinbar, antworteten diejenigen, die vor länger als 5 Jahren absolviert hatten, wobei frische Absolventen auf nur 70% kamen.“
Die Ausbildung sollte an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes angepasst werden. Vor diesem Hintergrund wird über ein soziales Berufsmodell gesprochen. Dazu Gabriela Jitaru:
Ein soziales Berufsmodell darf weder räumliche noch ausbildungsbedingte Grenzen kennen. Dieses Modell bietet den Absolventen die Möglichkeit, sich für einen Arbeitsplatz zu bewerben, für den sie nicht extra geschult wurden, jedoch die dazu erforderlichen Kompetenzen derweil entwickelt haben. Unsere Studie zeigt auch, dass der Arbeitsmarkt Arbeitsplätze bereitstellt, die der Ausbildung der Studenten nicht unbedingt entsprechen. 30% der Absolventen seien überqualifiziert in Bezug auf den Arbeitsplatz, den sie wahrnehmen. Dies ging aus der Studie hervor.“
Ist der Arbeitsmarkt konservativer im Vergleich zum Ausbildungsangebot? Dazu Gabriela Jitaru:
Allem Anschein nach ist der Arbeitsmarkt nicht sehr starr, sondern gar dynamisch. Gelegentlich sind die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt sehr spezifisch. Doch die Bildungsfachleute sind der Meinung, spezifische Aspekte bedürfen keinem gesonderten Lehrplan. Allgemeine Fähigkeiten seien viel wichtiger, ebenso wie die praktische Erfahrung. Die Studenten, die im Zeitraum 2009-2011 absolvierten, brauchen mehr Zeit, um einen Job zu finden. Das sei eine direkte Auswirkung der Wirtschaftskrise, zeigt die Studie. Die Hochschulabsolventen aus den Jahren 2005-2006 fanden einen Arbeitsplatz zweimal schneller.“
Die Europäische Kommission will den jungen Arbeitssuchenden entgegenkommen. Demnach entwarf sie entsprechende Förderprogramme — eines davon ist die Garantie für Jugendliche“. Dennoch fällt es auch der Europäischen Kommission manchmal schwer, mit den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt Schritt zu halten. Dazu Gabriela Jitaru:
Ich glaube kaum, dass das Programm Änderungen erfahren wird. Es ist ein Programm der Europäischen Kommission. Anpassungen werden demnach nur von EU-Ebene vorgeschlagen. Das Programm der Europäischen Kommission »Eine Garantie für Jugendliche« zielt auf Jugendliche der Altersgruppe zwischen 16 und 25 Jahren ab. Andere Programme sprechen die Arbeitgeber an. Dennoch hat dieses Projekt bessere Erfolgschancen — der Arbeitgeber wird ermuntert, Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren, die eine Ausbildung hinter sich haben, zu beschäftigen, und wird dabei entsprechend gefördert. Auch die Einwanderer werden den Arbeitsmarkt beeinflussen. Obwohl wir hierzulande vergleichsweise wenig Flüchtlinge aufnehmen, werden sie den Arbeitsmarkt sicherlich beeinflussen. Ebenso wie eine Studentengeneration, die ihr Studium abschließt, die allgemeine Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt beeinflusst.“
Die Institutionen können kaum Schritt halten mit den Entwicklungen des Arbeitsmarktes. Universitäten unterliegen ebenfalls der institutionellen Trägheit. Demnach müssen die Studenten nach wie vor zahlreiche Herausforderungen zu Beginn ihres Berufswegs meistern.