Heimpflege: Verein Weißgelbes Kreuz hilft alleinstehenden Senioren
Pflegebedürftige Senioren sind ein leidiges Thema in Rumänien – zumal der Staat durch Abwesenheit glänzt und manchmal auch Familien ihre betagten Mitglieder sich selbst überlassen.
Roxana Vasile, 06.10.2021, 17:30
Eine etwas zynische rumänische Redewendung sagt über bejahrte Menschen: Die einen ehren sie in Würde, den anderen sind sie eine Bürde“. Wie so oft springt auch hier die Zivilgesellschaft ein und hilft alleinstehenden und pflegebedürftigen Senioren.
Nicht wenige Senioren brauchen Pflege und medizinische Vorsorge zu Hause, denn abgesehen von der altersbedingten Gebrechlichkeit reicht bei vielen auch die Rente nicht aus, um sich Medikamente und ausgebildete Pflegekräfte zu leisten. Die gemeinnützige Organisation Weißgelbes Kreuz Rumänien“ möchte in erster Linie die Würde der bejahrten Menschen wiederherstellen. In regelmäßigen Abständen gehen Ärzte, Pflegekräfte, Sozialhelfer, Bewegungstherapeuten und Psychologen auf alleinstehende Senioren zu und schauen nach dem Rechten. Măriuca Ivan, die Vorsitzende von Weißgelbes Kreuz Rumänien, sagt, die Organisation sei nach belgischem Vorbild entstanden:
Die belgischen Partner kamen vor etwa 25 Jahren nach Rumänien — ich arbeitete damals im Gesundheitsministerium — und sie erzählten uns vom Konzept der Heimpflege. Damals befand sich das rumänische Gesundheitswesen im Umkrempeln — wir sprachen zwar von Krankenhausbehandlung, von der ambulanten Behandlung, von Familienmedizin, doch das Konzept der Heimpflege war hierzulande damals völlig unbekannt. Ich habe mich damals um unsere belgischen Partner gekümmert und habe sie ständig begleitet in ihrem Projekt, das System der Heimpflege in Rumänien auf die Beine zu stellen. Mit dem Gesundheitsministerium hat es nicht so richtig geklappt, so dass ich meinen Job dort quittierte, denn ich wollte beweisen, dass wir es in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft doch noch schaffen können. Das Weißgelbe Kreuz ist inzwischen ein vom rumänischen Staat anerkannter Dienstleister im Bereich Heimpflege, dessen Einsätze auch durch die Krankenkassen finanziert werden.“
Der Verein bietet eine Vielfalt an häuslichem Pflegeservice an: die Verabreichung von Medikamenten, Spritzen und Perfusionen, ärztliche Routineuntersuchungen, Erhebung von biologischen Proben für Diagnosen u.a.m. Somit sollen unnötige Krankenhausaufenthalte vermieden werden, sagt Măriuca Ivan:
Das ist auch der Sinn unserer Stiftung — Menschen zu helfen, die weder ein hilfsbereites familiäres Umfeld noch finanzielle Möglichkeiten haben, um sich selbst um ihre Gesundheit zu kümmern. Unsere Zielgruppe besteht überwiegend aus älteren Menschen, die allein leben oder kinderlos sind. Hinzu kommt erschwerend, dass die Migration das Phänomen der sich selbst überlassenen Senioren verstärkt hat — die Kinder arbeiten im Ausland, die betagten Eltern müssen allein zurecht kommen. Wir versuchen daher, soziale Projekte punktuell abzuwickeln, wir beantragen bei zentralen und kommunalen Behörden immer wieder finanzielle Unterstützung, wir greifen auch auf europäische Gelder zurück, doch die sind leider in letzter Zeit abgedreht worden und auch die Kommunalbehörden steuern immer weniger bei. Daher bieten wir mittlerweile jenen, die sich das leisten können, auch bezahlte Heimpflege an, um mit dem erwirtschafteten Geld auch jenen Senioren helfen zu können, die schwierige Sozialfälle sind.“
In den 25 Jahren, seitdem das Weißgelbe Kreuz in Rumänien tätig ist, hat der Verein über 24.000 Nutznießern mit Heimpflege geholfen. Und auch jetzt, in Zeiten der Pandemie, die viel Improvisationskunst abverlangen, sind immer noch 40 Mitarbeiter des Vereins jeden Monat unterwegs, um rund 7–800 Patienten zu Hause zu helfen, sagt Măriuca Ivan:
Unter den Pflegebedürftigen gibt es Fälle, die langfristig auf uns angewiesen sind — seit fünf, sechs, sogar zehn Jahren bieten wir ihnen häusliche Krankenpflege. Und sie sind noch am Leben, weil wir auf sie zugegangen sind. Doch immer wieder erreichen uns auch traurige Nachrichten über das Ableben einiger unserer langjährigen Patienten. Und dann tauchen Hinterbliebene aus dem Nichts auf, die sich plötzlich daran erinnern, dass sie ihren nächsten Verwandten die letzte Ehre erweisen müssen.“
Um den pflegebedürftigen Senioren noch schneller und effizienter zu helfen, bietet das Weißgelbe Kreuz einen zusätzlichen Service an — den sogenannten Roten Knopf. Es ist eine Art Notrufsystem für Telemedizin und Notfälle. Die Senioren tragen ein mit dem WLAN verbundenes elektronisches Armband mit einem roten Panic Button, den sie bei Bedarf drücken können. Das Signal wird an ein rund um die Uhr geöffnetes Hilfszentrum des Weißgelben Kreuzes weitergeleitet, und die diensthabenden Hotline-Dispatcher stehen je nach Dringlichkeit des Problems zunächst telefonisch mit Rat und Tat zur Seite, führen ein medizinisches Protokoll und können in Notfällen auch einen Krankenwagen beordern.
Für das Team der Stiftung Weißgelbes Kreuz sind Hingabe und Nächstenliebe das wichtigste, sagt zum Schluss die Leiterin Măriuca Ivan:
Ohne emotionale Anteilnahme, liebevolle Hinwendung und Entschlossenheit, kann man keine qualitative Heimpflege anbieten. Und ich bin in letzter Zeit sehr enttäuscht darüber, dass Fürsorge und Empathie für Menschen in Not immer seltener werden — wir verlieren unsere Menschlichkeit, und das finde ich sehr traurig! Man kann kaum noch von Aufopferung und Hingabe reden, ohne von manchen als altbacken belächelt zu werden. Daher möchte ich meinem Team ein großes Lob aussprechen. Wir haben zwar kaum ausreichend Geld für unsere Einsätze, doch unser Reichtum ist die Hingabe. Es ist kein Job, den man einfach abhakt, sondern eine Berufung, die Sendungsbewusstsein erfordert. Und unser Lohn ist das seelische Wohlbefinden, die Freude und Dankbarkeit dieser Menschen — das ist, was uns antreibt, weiterzumachen.“