„Generation Unsichtbar“: Jung, wenig Bildung, arbeitslos
EU-weit sind 12,5% der Jugendlichen unter 25 Jahren arbeitslos und befinden sich nicht in Ausbildung oder in der Schule. In Rumänien ist diese Zahl sogar höher. Um dieses Phänomen zu bekämpfen hat die EU im Jahr 2013 Maßnahmen getroffen.
Christine Leșcu, 20.07.2016, 17:30
Den Begriff NEET, ein Akronym für Not in Education, Employment or Training, zu deutsch nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung, gibt es in der EU seit mehreren Jahren. Jetzt wurde er auch von der rumänischen Gesetzgebung aufgenommen. Leider sind die vom Staat angebotenen Lösungen unter den potentiellen Empfängern wenig bekannt. Zudem sind die Statistiken nicht klar und deswegen wurden diese Jugendlichen von Vertretern der Zivilgesellschaft auch als unsichtbare Generation“ bezeichnet. Laut Schätzungen des rumänischen Statistikamtes konnte man im Jahr 2013 etwa 440 Tausend junge Menschen im Alter von unter 25 Jahren als NEET einstufen, das sind 17% der Angehörigen dieser Altersgruppe in Rumäniens. Der EU-Durchschnitt der jungen Leute, die nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung sind, liegt bei 12,5%.
Ende 2015 erklärte das Arbeitsministerium, dass nur etwa 80 Tausend junge Leute bei der Nationalen Agentur für Beschäftigung registriert waren. Zudem lag 2014 die Arbeitslosenrate in den Reihen der jungen Leute zwischen 25 und 29 Jahren bei 24,6% gegenüber den 17,6% von 2007. Die von der Statistik erfassten jungen Menschen sind sehr unterschiedlich, stammen aus unterschiedlichen sozialen Umfeldern und weisen spezifische Probleme auf. So hat zum Beispiel die 15-jährige Carolina nach Ende der achten Klassen die Schule abgebrochen. Seitdem arbeitet sie auf dem Hof der Eltern, auf dem Lande im Landkreis Galaţi. Carolina berichtet über ihre Aussichten auf dem Arbeitsmarkt:
Ich habe versucht, hier bei uns einen Arbeitsplatz zu finden. Ich habe einer Frau, die nicht mehr arbeiten konnte, geholfen, aber nach zwei Monaten habe ich darauf verzichtet, um meine Mutter nicht mehr alleine zu Hause zu lassen. Ich versuche jetzt weiter einen Arbeitsplatz zu finden, ich bin aber noch nicht 18 geworden. In Tecuci arbeitet meine Schwester bei einem Imbiss und ich könnte ihr helfen, wenn sie mich braucht.“
In einer ähnlichen Situation befindet sich auch Cătălin. Mit 17 Jahren hat er die Schule abgebrochen. Jetzt ist er 19 Jahre alt und arbeitet im Hof seiner Eltern, ebenfalls in einem Dorf in Landkreis Galaţi. Er hat auch drei jüngere Schwestern. So sieht sein normaler Tag aus:
Ich stehe um 7 — 7.30 Uhr auf und füttere die Tiere. Weiter mache ich alles, was nötig ist. Ich arbeite den ganzen Tag lang, ich habe keinen freien Tag. Ich ließ mich bei der Agentur für Beschäftigung registrieren, habe aber keine Antwort bekommen. Ich habe mich nur registriert, ich habe keine Schulung abgeschlossen. Bei uns in der Gegend läuft nichts. Im Moment habe ich keine Einnahmequelle, nur gelegentliche Angebote.“
Auf die Schule musste er wegen der Transport- und der Schreibwaren-Kosten verzichten. Cătălin würde aber gerne wieder zur Schule gehen, einen Abschluss machen und einen Job haben.
Am meisten wünsche ich mir einen Arbeitsplatz. Ich würde alles Mögliche annehmen, um mein eigenes Geld zu verdienen.“
Nicht alle jungen Leute der NEET-Kategorie sind in der Lage von Carolina und Cătălin. Die Koalition der Nichtregierungsorganisationen für Jugend-Rechte hat in ihrer jüngsten Studie die Diversität dieser Kategorie hervorgehoben. Veronica Ştefan, Vertreterin der Koalition, gibt ein paar Beispiele:
Es gibt diejenigen, die frühzeitig die Schule abbrechen, diejenigen, die das Gymnasium ohne Abitur abgeschlossen haben, aber auch diejenigen, die ein Studium oder einen Masterstudiengang abgeschlossen haben, aber trotzdem keinen Job gefunden haben. Die Probleme eines 22-Jährigen, der die Uni abgeschlossen hat, unterscheiden sich von den Problemen eines 15-Jährigen, der 8 Klassen abgeschlossen und die Schule abgebrochen hat. Von Anfang an sieht man, dass die Mädchen eine dieser Kategorien sind. 18% der Mädchen unter 25 Jahren befinden sich in dieser verwundbaren Lage, das ist überdurchschnittlich. Im Falle der Altersgruppe 25-29 Jahre wächst der Frauen-Anteil bis auf 30%.“
Außer den Mädchen und den Jugendlichen aus den ländlichen Gebieten, die von der Familie nicht ermutigt werden, ihre Ausbildung fortzusetzen, gibt es noch die Kategorie der Hochschul-Absolventen. Veronica Ştefan dazu:
Gewöhnlich bleiben die Hochschul-Absolventen im Elternhaus und werden weiter verpflegt. Sie warten auf bessere Opportunitäten. In dieser Lage befinden sich diejenigen, die von der Familie finanziell unterstützt werden. Es gibt aber auch Studenten, die aufs Studium verzichtet haben, um sich zu versorgen, um eine Wohnung zu haben oder um die Familie zu versorgen. Weiter gibt es noch die Kategorie der jungen Mütter. Viele dieser bleiben zu Hause, um auf die Kinder aufzupassen. Das System zur Unterstützung der jungen Mütter ist mangelhaft, insbesondere aus der Perspektive der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.“
Um dieser Kategorien zu helfen, hat die EU im Jahr 2013 das Programm Garantie für die Jugend“ eingeleitet. Per Gesetz wurde vor zwei Jahren das Programm den lokalen Gegebenheiten angepasst. Dafür gibt es auch EU-Fonds. Leider funktioniert das Programm immer noch nicht und viele Jugendliche haben nichts davon gehört. Veronica Ştefan berichtet über die Funktionsweise des Programms Garantie für die Jugend“:
Junge Leute, die vier Monate lang inaktiv waren, müssten sich bei der Agentur für Beschäftigung anmelden, um eine Opportunität zu bekommen: eine Berufsschulung, die Wiedereingliederung in das Bildungssystem oder einen Job. Dieses System funktioniert noch nicht in Rumänien. Es wurde nur auf Papier vorgeschlagen und nur im Rahmen einiger Pilot-Projekte angewandt. Die Garantie für die Jugend müsste ein permanenter Mechanismus sein. Jede junge Person, die sich anmeldet oder angemeldet wird, sollte diese Opportunität gleich bekommen.“
Außer der Inkraftsetzung der Gesetze betreffend die Garantie für die Jugend” und der Freigabe der EU-Fonds für die jungen Leute, die sich nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung befinden, empfehlen die Nichtregierungsorganisationen differenzierte Herangehensweisen, je nach Kategorie der Empfänger.