Gemeinsinn in Pandemie-Zeiten: Private Initiativen helfen Betroffenen
In Rumänien unterstützen viele NGO, Vereine und Bürgerinitiativen Bereiche und Menschen, die von den sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie am stärksten betroffen sind.
Christine Leșcu, 20.05.2020, 18:00
Die Organisation Rettet die Kinder Rumäniens“ arbeitet seit vielen Jahren mit Entbindungskliniken und anderen medizinischen Einrichtungen zusammen. Gleich zu Beginn der durch COVID-19 verursachten Krise hat besagte Vereinigung den Notfallfonds für Krankenhäuser ins Leben gerufen. Jetzt gehen die von Unternehmen und Privatpersonen für diesen Fonds gespendeten Gelder an diejenigen, die an vorderster Front gegen das neue Coronavirus kämpfen, sagte uns Ştefania Mircea, Vertreterin der Organisation Rettet die Kinder Rumäniens“:
Das rumänische medizinische System ist mit den Schwachstellen, die wir alle kennen, in den Kampf gegen COVID-19 eingetreten, und daher müssen wir umso mehr verantwortungsbewusst und unterstützend tätig werden. Das Leben aller hängt von den Ärzten ab, und ein Arzt ohne Schutz bringt sich selbst und seine Patienten in Gefahr. Die Ärzte und das medizinische Personal sind leider am meisten gefährdet, weil sie nicht zu Hause bleiben können. Sie sind ständig im Einsatz, an vorderster Front im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie, die, wie wir wissen, bereits so viele Menschenleben in der Welt gefordert hat. Ohne Schutzausrüstung und ohne medizinische Ausrüstung können die Ärzte weder uns noch sich selbst retten. Wir erhalten Anfragen von Ärzten im ganzen Land, die medizinische Apparatur oder Schutzausrüstungen benötigen. Wir tragen die Anfragen in einem Register ein und versuchen, mit unseren Spenden dort zu helfen, wo der Bedarf am größten ist.“
Spenden können über ein speziell für diesen Notfallfonds eröffnetes Bankkonto, aber auch per SMS erfolgen. Bisher hat die gespendete Summe etwa 500.000 Euro erreicht, von denen etwa 135.000 medizinische Geräte und Materialien gekauft wurden. 35 medizinische Einrichtungen zur Patientenversorgung und 74 Hausarztpraxen in 17 Landkreisen haben von der Organisation Rettet die Kinder Rumäniens“ Unterstützung erhalten. Gespendet wurden unter anderen Beatmungsgeräte, ein tragbares Ultraschallsystem, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte für Krankenhäuser und Operationssäle, Desinfektionsmittel sowie Schutzausrüstungen wie Handschuhe, Mützen, Stiefel, Overalls und Gesichtsschutz. Außerdem wurden drei Inkubatoren für Frühgeborene gespendet. Aber der vielleicht beeindruckendste Aspekt dieser Kampagne war die Mobilisierung der einfachen Leute. 92.000 Euro wurden von Privatpersonen gespendet. Ştefania Mircea dazu:
Es ist beeindruckend zu sehen, dass normale Menschen verstehen, wie wichtig Solidarität ist. Einer der Ärzte, mit denen wir zusammenarbeiten, hat einen Aufruf unter seinen Patienten gestartet, und die Leute haben angefangen, kleine oder große Beträge zu spenden, um dem medizinischen System zu helfen. Das ist wirklich beeindruckend. Es wird immer noch gesagt, dass wir uns in einer kriegsähnlichen Krise befinden. Deshalb war das Bedürfnis nach Menschlichkeit sehr groß. In Krisenzeiten kommen die Menschen ihren Mitmenschen zu Hilfe, und wir danken vom ganzen Herzen denen, die uns bisher unterstützt haben. Wir rufen alle auf, sich weiterhin zu engagieren und zu spenden, unabhängig von der Höhe und oder der Form ihres Beitrags.“
Ältere Menschen, insbesondere diejenigen, die bedürftig oder einsam sind, gehören in dieser Zeit zu den Risikogruppen. Der Verband SNK (benannt nach dem römischen Philosophen Seneca) tut mit seinen Projekten Seneca Ecologos“ und Seneca Publishing House“, dem ersten grünen Verlag Rumäniens, genau das, was er auch vor der Coronavirus-Pandemie tat: Er fördert die Verantwortung, diesmal gegenüber den älteren Menschen durch das Programm Unsere Großeltern“. Wir spenden und liefern Lebensmittel und Hygieneprodukte an gefährdete Senioren“ ist das Motto, unter dem dieses Programm gestartet wurde. Das ursprünglich nur für einen Monat gedachte Projekt wurde ausgeweitet, weil die Mitglieder des Seneca-Verbandes, die den älteren Menschen zu Hilfe kamen, auch andere gefährdete Gruppen entdeckten, wie z.B. Tagelöhner, alleinerziehende Mütter, Arbeitslose oder Kurzarbeit-Betroffene. Daher waren Spenden von Unternehmen und Bürgern erforderlich, sagt Anastasia Staicu, Vertreterin des SNK-Verbandes:
Im ersten Monat haben wir etwa 85 Senioren besucht, und derzeit helfen wir 700 Menschen aus über 30 Ortschaften in 24 Landkreisen. Wir erreichen auch entfernte Gebiete. Wir bieten natürlich auch in Bukarest Hilfe an, aber gleichzeitig versuchen wir, ältere Menschen an weniger zugänglichen Orten auf dem Lande zu erreichen. Nur im ersten Monat konnte das Projekt vollständig mit dem Geld des SNK-Verbandes auskommen. Als wir dann ankündigten, dass wir weitermachen wollten, schlossen sich uns mehrere Personen an, Tausende von Menschen aus der Declic-Gemeinschaft haben zum Beispiel gespendet. Ich finde es großartig, dass diese Menschen beschlossen haben, das Wenige, das sie haben, mit anderen zu teilen. Ihre Spenden haben uns tief beeindruckt, es wurde ein Betrag von fast 80.000 Euro erreicht, mit dem wir etwa 700 Menschen im Monat helfen können. Wir haben einen Wochenplan, wobei es nicht nur um Einzelfälle geht. Wir helfen zum Beispiel auch 250 Senioren in 15 Altenheimen im Landkreis Giurgiu (im Süden Rumäniens). Ebenfalls in Giurgiu brachten wir Pakete in Kinderheime und Heime für behinderte Menschen. Alles, was wir erhalten haben, hilft uns, weiter zu helfen.“
Jede Woche bringen SNK-Freiwillige ihren Begünstigten drei individuelle Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneprodukten, darunter Speiseöl, Milch, Brot, Obst und Gemüse, Gläser mit Eingemachtem, Zahnpasta, Seife, Toilettenpapier und Küchentücher. Das Projekt könnte auch nach dem Ende des Warnzustands und nach der schrittweisen Aufhebung der Restriktionen weitergeführt werden, lässt uns Anastasia Staicu wissen:
Solange es unsere Ressourcen erlauben, werden wir weitermachen. Wir hoffen jedoch, dass in einigen Monaten auch auf staatlicher Ebene Lösungen gefunden werden. Zu Krisenzeiten sind die privaten Selbsthilfeinitiativen ein erster Schutzschild, der die Schwächsten schützt, aber wir hoffen, dass auch die Behörden eingreifen werden, um ihre Schuldigkeit zu tun.“
Bis dahin bleibt die von privaten Spendern erwiesene Solidarität ein kleiner Trost in dieser äußerst schwierigen Zeit.