Freizeitsport: Rumänen im Durchschnitt eher Sportmuffel
Laut jüngsten Erhebungen sind die Rumänen im europäischen Durchschnitt eher Müßiggänger, wenn es um Breitensport oder sonstige gesundheitsfördernde Freizeitaktivitäten geht.
Christine Leșcu, 19.10.2022, 17:30
38 % der Europäer treiben mindestens einmal in der Woche Sport oder eine andere Form der körperlichen Betätigung, während 17 % weniger als einmal pro Woche Sport treiben. Das heißt im Umkehrschluss, dass bis zu 45 % der Europäer überhaupt keinen oder nur selten Sport treiben und auch nicht andere Aktivitäten für die körperliche Ertüchtigung praktizieren. Diese Daten sind im jüngsten Eurobarometer über Bewegungsgewohnheiten und physische Aktivitäten enthalten und sie unterscheiden sich nicht wesentlich von jenen der vorangegangenen Erhebung aus dem Jahr 2017.
Rumänien liegt in der europäischen Statistik unter dem Durchschnitt — nur 20 % der Menschen hierzulande treiben regelmäßig Sport oder bemühen gymnastische Übungen. Mehr noch: 60 % treiben nie Freizeitsport und 13 % gehen einem Job nach, bei dem sie länger als achteinhalb Stunden täglich sitzen müssen, und vernachlässigen damit ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Freizeitsport sei eine Gemeinschaftsaktivität, die das Zugehörigkeitsgefühl und die Inklusion erhöhe, meint Iulian Șerban, 42 Jahre alt, Fitness-Trainer in einem Unternehmen. Er selbst nehme regelmäßig an Amateur-Marathons teil und räumt ein, dass er den gesunden Lebensstil recht spät für sich entdeckt habe:
Erst mit 33 Jahren habe ich mit dem Jogging angefangen — bis dahin hatte ich überhaupt keinen Sport getrieben — weder als Kind noch im Rahmen eines Klubs oder zum Zeitvertreib. Als Schüler habe ich überdies den Sportunterricht immer geschwänzt. Als ich dann doch mit dem Sporteln anfing, war das aus reinem Vergnügen an der Sache, nicht etwa, weil es der Arzt verschrieben hätte oder um einer Erkrankung vorzubeugen. Zuvor hatte ich einen völlig ungesunden Lebensstil gehabt, 10 Jahre lang war ich ein starker Raucher. Ich habe eher aus Neugierde mit etwas Bewegung angefangen und musste bald feststellen, dass Rauchen und Joggen sich kaum vertragen; so habe ich dann mit dem Rauchen aufgehört und die Laufstrecken allmählich verlängert. Noch später begann ich, an Halbmarathons und Marathons für Amateure teilzunehmen, und das hat eine Veränderung in mir bewirkt, die ich nicht mehr missen wollte. Und ich wurde Teil einer Community — ich begann, zusammen mit anderen Menschen zu joggen, die meine Leidenschaft teilten; und so fand ich auch neue Freunde, und nun entwickeln wir uns weiter als Gruppe. Neben dem gesundheitlichen Nutzen der sportlichen Aktivitäten gab und gibt es auch einen echten sozialen Nutzen. Denn die Motivation kann oft von außen kommen, von der Gruppe, der man angehört.“
Die Gruppe, auf die sich Iulian Șerban bezieht, nimmt an Marathons und anderen Wettbewerben für Amateure teil, die seit einigen Jahren in Rumänien organisiert werden. So hat sie kürzlich an der vom Verein Invictus Romania“ organisierten Veteranenstaffel teilgenommen, die in Bukarest beginnt, durch Ploiești und Brașov (Kronstadt) führt und am 25. Oktober in Carei endet. Obwohl die Teilnehmerzahl recht hoch ist, meint Iulian Șerban, dass es immer noch Luft nach oben gibt.
Es besteht immer Raum für Verbesserungen. Ich freue mich sehr darüber, dass es in Rumänien mehrere internationale Marathons in Brașov (Kronstadt), Cluj (Klausenburg), Timișoara (Temeswar) und Bukarest gibt, die immer mehr Menschen anziehen. Und neben den Leistungssportlern, die daran teilnehmen, um sich für anstehende internationale Wettkämpfe fit zu halten, beteiligen sich auch viele Amateure. Das ist eine sehr gute Sache, denn so kann die Öffentlichkeit sehen, dass es neben den Spitzensportlern auch Menschen jeden Alters gibt, die Sport treiben — und das ist ein Ansporn für alle. Ich habe eine gewisse Zurückhaltung bei den Leuten beobachtet, wenn jemand in ihrer Umgebung Sport betreibt. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die Bewegung in irgendeiner Art fördern. Und es gibt auch viele Menschen, die dieses Phänomen erst gar nicht verstehen. Aber ich denke, mit dem Alter werden viele Menschen einfach aus medizinischen Gründen Sport treiben müssen.“
Zu den Menschen, denen die Ärzte Bewegung empfehlen, gehören auch Menschen mit Behinderungen. Sie können auch Sport treiben, um einfach nur Spaß zu haben, weiß Iuliana Meseșan, Sozialarbeiterin bei der Stiftung Motivation“. Sie ist auch Koordinatorin eines Motivationsteams, das aus Rollstuhlfahrern wie Menschen ohne Behinderung besteht, die an verschiedenen Sportveranstaltungen mit dem Schwerpunkt Bewegung teilnehmen und auch andere zum Mitmachen ermutigen.
Das Motivationsteam besteht aus etwa 100 Personen — Menschen im Rollstuhl wie auch Menschen ohne Behinderung. Und für uns ist es sehr wichtig, an diesen Sportveranstaltungen teilzunehmen, denn es ist eine Gelegenheit für uns, Menschen ohne Behinderung zu zeigen, dass auch Menschen im Rollstuhl sportlich sein können und dass es generell sehr wichtig ist, Sport zu treiben. Wir möchten unser Team sogar von Jahr zu Jahr vergrößern, damit immer mehr Menschen, insbesondere Rollstuhlfahrer, sich uns anschließen können. Es gibt Menschen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben keine Behinderung hatten und dann einen Unfall hatten — sie fielen aus der Höhe und verletzten sich an der Wirbelsäule — und auf diese Weise in den Rollstuhl kamen. Und vielleicht fällt es ihnen anfangs schwer, aber allmählich nehmen diese Menschen ihr tägliches Leben wieder auf, und es ist wichtig für sie, zu verinnerlichen, dass sie weiterhin Sport treiben können, wenn sie vor dem Unfall eine Leidenschaft dafür hatten. Und bei vielen Sportveranstaltungen gibt es spezielle Rennen für Rollstuhlfahrer.“
Doch zurück zu den eingangs erwähnten ernüchternden Zahlen des Eurobarometers. Die Sozialarbeiterin Iuliana Meseșan eröffnet zum Schluss, dass die Statistik ihre empirischen Beobachtungen aus der Praxis bestätigt:
Beim Bukarester Marathon, dem größten Sportereignis, an dem wir teilnehmen, kommen die Läufer in recht großer Anzahl, aber natürlich könnten es im Vergleich zur Bevölkerung der Hauptstadt mehr sein. Ich glaube, viele Rumänen haben berufsbedingt eine bewegungsarme Lebensweise. Wir leben in einer Zeit, in der wir viel Zeit in unsere Arbeit investieren. Und dann ist da noch das Privat- und Familienleben, dem man seine Zeit widmet. Und ich glaube, dass die Menschen im Allgemeinen vergessen, wie wichtig es ist, Sport zu treiben. Daher räumen sie diesem Bereich in ihrem Leben oft nicht so viel Priorität ein, wie sie sollten.“