Frauen in Politik und Führungspositionen: Rumänien hinkt nach
Bei etwas mehr als die Hälfte (52%) weiblicher Bevölkerung sind in Rumänien nur 5% Frauen Bürgermeisterinnen und nur 20% Parlamentsabgeordnete. Eine Anfang März in Bukarest stattgefundene internationale Konferenz versuchte zu eruieren, warum das so ist.
Monica Chiorpec, 05.08.2020, 17:30
In der Europäischen Union der 27 Mitgliedstaaten gibt es über 6,7 Mio. Personen in Führungspositionen: 4,3 Mio. Männer (63% aller Führungskräfte) und 2,5 Mio. Frauen (37%). Darüber hinaus stellten Frauen im Jahr 2019 etwas mehr als ein Viertel (28%) der Aufsichtsratsmitglieder von in der EU börsennotierten Unternehmen und weniger als ein Fünftel (18%) der Geschäftsführenden. Mit anderen Worten: Obwohl in der EU etwa die Hälfte aller Erwerbstätigen weiblich ist, sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Diese Informationen wurden von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, anlässlich des Internationalen Frauentages 2020 veröffentlicht.
Die Frauen von heute werden mit Problemen konfrontiert, die die Zivilgesellschaft vielleicht zu wenig kennt. Anfang März, am Internationalen Frauentag, fand in Bukarest die europäische Konferenz Rumänien und Europa für Frauen“ statt, die all jenen gewidmet war, die sich für den Status und die Rolle der Frau im Jahr 2020 interessieren. Ramona Strugariu, EU-Abgeordnete der Allianz USR-PLUS (Renew Europe) und Organisatorin der Veranstaltung, sagte uns:
Wir sind nicht unbedingt sehr weit mit unserer Strategie in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und mit der Realität der Gleichstellung in der politischen Repräsentation. Ich meine, nicht so weit, wie wir es gewünscht hätten. Die EU-Kommissarin Věra Jourová sagte, dass Europa heute der beste Ort in der Welt für Frauen und Frauenrechte ist — und das ist wahr. Trotzdem wird in Europa jeden Tag eine von drei Frauen physisch oder psychisch belästigt oder unter Druck gesetzt. Und ebenfalls in Europa werden 55% der Frauen sexuell belästigt.“
Ramona Strugariu stellte die wirklichen Probleme der Frauen in Rumänien vor und bezog sich auf den rechtlichen Rahmen, in dem Opfer von physischer und psychischer Gewalt in ganz Europa Klage einreichen können. Die EU-Abgeordnete fügte auch hinzu, dass diese Bemühungen auch in Rumänien auf nationaler Ebene fortgesetzt werden sollten. Ramona Strugariu:
Wir befinden uns in einem Land, in dem 63% der Bevölkerung meinen, dass geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt in der Familie keine wirklichen Probleme sind, dass sie nicht unbedingt existieren und dass sie kein Problem für die Gesellschaft darstellen. Auf der Grundlage dieser Daten und Zahlen sollten wir darüber nachdenken, was zu tun ist. Welche strukturierte, konkrete Maßnahmen können wir auf europäischer Ebene treffen? Was können wir auf nationaler Ebene tun, nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch bei der praktischen Umsetzung der Maßnahmen und bei der Einhaltung der Gesetze? Und was können wir auf der Ebene der Mentalität und der Bildung tun?“
Irina von Wiese, die vor dem Brexit Mitglied des Europäischen Parlaments war, vertritt die Liberal-Demokratische Partei Großbritanniens. Als Teilnehmerin an der Konferenz Rumänien und Europa für Frauen“ betonte die britische Politikerin, wie wichtig es ist, Geschlechterstereotypen abzubauen. Irina von Wiese:
Die nicht ausreichende Gleichstellung der Geschlechter geschieht nicht aus Mangel an Chancen. Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass unser Bildungssystem Technologie, Mathematik und Ingenieurwesen seit so vielen Jahren als Bereiche behandelt, die den Männern gewidmet sind. Um die Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen, muss eine weitere Generation gebildet werden. Wir müssen die Regeln und Stereotypen der Berufe, denen Frauen folgen sollten, überwinden. Wir sollten unsere Töchter ermutigen und sagen: ‚Ja, das ist ein Beruf für dich.‘ Die Möglichkeiten sind da — für die Frauen von heute gibt es ausgezeichnete Berufschancen.“
Irina von Wiese begann ihre politische Laufbahn in einer Konjunktur, die sie schnell zur Vertreterin der Gesellschaft in Großbritannien werden ließ. Sie sprach auch über die unangenehmen Erfahrungen, die sie machte, nachdem sie eine öffentliche Person geworden war:
Ich muss schon sagen, wenn man auf so etwas nicht vorbereitet ist, braucht man sehr viel Widerstandskraft. Besonders im Internet. Wie wir alle wissen, benötigen wir als Personen des öffentlichen Lebens eine starke Online-Präsenz, und die Kollegin, die für meine Kommunikation im Internet zuständig ist, hat zahlreiche Meldungen über missbräuchliche Reaktionen gemacht. Das ist nicht nur auf Twitter geschehen, sondern auch in anderen Medien. Die meisten Angriffe waren frauenfeindlich, es gab sexuelle Belästigung und bedrohliche Kommentare. Es gab auch feindliche Kommentare, die sich an mich als Politikerin richteten. Ich musste sehr schnell meine eigene Widerstandskraft aufbauen.“
Die Angriffe unter der Verhüllung des Identitätsschutzes im Internet können große negative Auswirkungen auf die Opfer haben. Obwohl sie sich in wichtigen Positionen befinden, können Frauen, die mit solchen Situationen konfrontiert werden, ein schweres emotionales Trauma erleiden und sich dafür entscheiden, ihre Karriere in der Öffentlichkeit aufzugeben. Dazu sagte Irina von Wiese:
Das Problem ist nicht nur der Angriff an sich. Das Problem ist die psychologische Auswirkung der Angriffe auf die jungen Frauen in der Politik. Immer wenn ich mit solchen Frauen spreche, sage ich: ‚Natürlich möchte ich, dass mein Engagement eine Rolle spielt, selbstverständlich möchte ich am politischen Leben teilhaben, aber möchte ich wirklich diese Erfahrung machen, diesen ganzen Hass, diese ständige Aggression im heutigen öffentlichen Diskurs erleben? Wie kann ich mit emotionalen Belastungen umgehen?‘“
Irina von Wiese ist jedoch überzeugt, dass sowohl in Rumänien als auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten Online-Angriffe verhindert und ihre Auswirkungen kontrolliert werden können, solange es Unterstützungsgruppen gibt:
Ich glaube, dass uns der notwendige Rahmen zu Verfügung steht. In vielen Fällen haben wir auch spezifische Programme zur Förderung von Frauen. Aber das reicht nicht aus. Was wir brauchen, um begabte Frauen für das Feld der Politik zu gewinnen, ist ein Netzwerk, ein Sicherheitsnetz für Politikerinnen und für alle Frauen, die im öffentlichen Bereich arbeiten. Wir müssen den Frauen ein Training anbieten, damit sie solchen Angriffen besser standhalten können, eine Backup-Lösung für den Fall, dass etwas schief geht. Wir brauchen ein zugängliches Netzwerk von Mentoren und Unterstützern für diese Frauen. Dieses Netzwerk wird wie ein Katalysator für Frauen funktionieren, so dass sie einen Schritt nach vorne machen und Stellung beziehen können.“
Die jüngsten Statistiken zeigen, dass über 52% der Bevölkerung Rumäniens Frauen sind. Obwohl der Frauenanteil steigt, ist die Präsenz von Frauen in öffentlichen Positionen doch nach wie vor gering. Derzeit sind nur 5% der Bürgermeister und 20% der gewählten Parlamentarier in Rumänien weiblich. Ähnlich ist die Situation in der Wirtschaft mit etwas mehr als 35% weiblichen Aktionären. Und die Gewalt gegen Frauen sowie die Vorurteile bezüglich der Berufe, die sie ausüben sollten, bestehen in Rumänien weiterhin.