Flüchtlingsproblematik nimmt in Rumänien an Bedeutung zu
Nach der Intensivierung des Flüchtlingstroms aus Syrien nach Europa begannen auch in der rumänischen Gesellschaft Debatten und Auseinandersetzungen um dieses Thema. Die Behörden tun zwar nicht viel, aber einige Menschen engagieren sich ehrenamtlich.
Christine Leșcu, 24.08.2016, 18:18
Nach der Intensivierung des Flüchtlingstroms aus Syrien nach Europa begannen auch in der rumänischen Gesellschaft Debatten und Auseinandersetzungen um dieses Thema. Auf Behörden- und Politikebene hat sich Rumänien verpflichtet, über 6.200 Flüchtlinge mittels des EU-Verteilungsmechanismus aufzunehmen. Auf gesellschaftlicher Ebene sorgt diese Situation sowohl für Dispute als auch für Neugier. Menschen zeigen aber auch Mitgefühl, besonders mit den Frauen und Kindern. Mitgefühl, aber auch berufliche Beschäftigung brachten die Fotoreporterin Ioana Moldovan 2013, ein Lager mit syrischen Flüchtlingen im jordanischen Zaatari zu besuchen. Damals dachten die Menschen dort nicht unbedingt daran, weiter zu wandern, und hatten sogar eine Art Siedlung aufgebaut, erzählt Ioana Nicolae.
Das Lager in Zataari war bereits zu einer kleinen Stadt geworden. Es gab eine Straße mit kleinen Läden und Kneipen, die sie zum Spaß »Champs Élysées« genannt hatten. Es war überraschend, zu sehen, wie eine Gemeinde von rund 120.000 Menschen entsteht. Sie sind vor dem Krieg geflohen und haben versucht, irgendwie ein neues Leben aufzubauen. Einige lebten in Zelten, andere in einer Art Container, wie jene, in denen Arbeiter auf der Baustelle untergebracht sind. Sie versuchten diese so einzurichten, dass sie einigermaßen einem Heim ähneln. Wir haben aber etwas festgestellt: Während die Menschen in Zaatari noch die Hoffnung hatten, bald nach Hause zu kehren, hatten die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa diese Hoffnung nicht mehr.“
Ioana Moldovan begleitete die Flüchtlinge auch auf ihrer Reise durch Europa, genauer gesagt durch Serbien, Kroatien, Mazedonien und Griechenland. Die meisten träumten, in einem Eldorado anzukommen, was für sie Deutschland bedeutete, ohne genau zu wissen, was sie dort in Wirklichkeit erwartet. Sie strebten aber ein besseres Leben an und dafür zeigten sie viel Hartnäckigkeit, beobachtete Ioana Moldovan.
Am meisten war ich von ihrer Entschlossenheit, von ihrem Mut und von ihrer Ausdauer beeindruckt. Denn man benötigt viel davon, um sich auf diese Reise zu begeben, um diese schlimme Erfahrung durchzumachen, schlaflose Nächte auszuhalten, das Meer in einem Schlauchboot zu überqueren. Während meiner Erfahrung habe ich, glaube ich, keinen Pessimismus erkannt. Ich habe Müdigkeit gesehen, Frust, aber ich denke nicht, dass ich Pessimismus gesehen habe.“
Wenn in der ersten Migrationswelle überwiegend Männer die Ufer Europas erreicht haben, kommen jetzt insbesondere Frauen und Kinder. Sie verleihen somit dieser Tragödie eine dramatischere Dimension. Die Bilder von Ioana Moldovan widerspiegeln diese Tragik.
Wenn in den Flüchtlingslagern die Frauen, aber besonders Mütter, ein Umfeld geschaffen haben, in dem sie sich wie zuhause fühlen sollen, und es schafften, sich irgendwie zu versorgen, ist das auf dem Weg nach Europa fast unmöglich geworden. Sehr lange war der Zugang zu Toiletten und zu einer entsprechenden Hygiene unmöglich. Ich habe Mütter mit kleinen Kindern gesehen, die gezwungen waren, Windeln auf einem Bahnsteig oder auf dem Feld zu wechseln.“
Beeindruckt von den Informationen, die auf Sozialnetzwerken verbreitet wurden, kündigte eine andere Rumänin letztes Jahr ihre Arbeit als Kauffrau bei einem staatlichen Unternehmen und reiste auf Lesbos, um zu sehen wie sich die Insel, wo sie einst ihren Urlaub verbrachte, in ein Flüchtlingslager verwandelt hat. Wir hören ihre Eindrücke:
Die ersten Tage war ich in einem Lager für Flüchtlinge in gefährdeter Lage, Menschen, die jemanden verloren hatten, deren Verwandte bei der Schlauchbootsfahrt ertrunken waren. Sie haben Ehepartner, Brüder, Schwester oder Kinder verloren. Dort gab es auch Kinder, die unter denselben Umständen ohne Eltern geblieben sind. Danach sind wir in den nördlichen Teil der Insel gewandert, nach Molyvos, wo ich mich einem Freiwilligenverband angeschlossen habe. Dort habe ich lange im Hafen und in einem Transitlager gearbeitet. Hier kamen die Flüchtlinge zuerst an. Von hier wurden sie in die Hauptstadt der Insel weitergeleitet, um sich anzumelden. In Molyvos verbrachten sie nur einige Stunden. Wenn sie in der Nacht ankamen, übernachteten sie hier. Die Freiwilligen gewährten Unterstützung rund um die Uhr und man arbeitete in Schichten.“
Am meisten wurde Alina von den Frauen beeindruckt, die unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen versuchten, sich natürlich zu benehmen, so wie sie es in ihrem bisherigen Leben unter normalen Umständen getan hätten. Alina Petcu:
Als ich dort ankam, habe ich festgestellt, dass diese Frauen genauso wie wir sind. Sie stammen aus allen Sozialschichten, sie hatten unterschiedliche Berufsausbildungen, von denen, die überhaupt keine Ausbildung hatten, bis zu Professorinnen, Ärztinnen oder Apothekerinnen. Einige Tage vor meiner Abreise hat eine Frau, die dort mit ihrem Mann und ihrem Kind war, gleich nach ihrer Ankunft auf dem griechischen Ufer ein zweites Kind zur Welt gebracht. Hebamme war eine Freiwillige, die dies zum ersten Mal tat. Sie gebar gleich dort auf den Steinen, umrundet von Menschen. Erst dann kam auch ein Arzt. Ich habe auch viele alleinstehende Frauen getroffen, die alleine auf Reise gegangen sind. Es waren Studentinnen, die beschlossen hatten, weg zu gehen, um ein besseres Leben zu finden. Sie trugen keinen Hidschab und sie schienen mir sehr weltoffen zu sein.“
Aufgrund der EU-absprache hat Rumänien bisher die Umverteilung von 190 Flüchtlinge aus Italien beantragt, die in den dortigen Zentren untergebracht waren, und 125 Flüchtlinge aus Griechenland, insgesamt 315 Personen. Davon kamen Anfang März 15 Flüchtlinge im Alter zwischen 7 Monaten und 50 Jahren an. Diese wurden in der ostrumänischen Stadt Galaţi untergebracht. Dennoch sind die Bemühungen Rumäniens zur Integration der Asylbewerber weitgehender. Das erfahren wir von Ana Neamţu, Expertin im Generalinspektorat für Einwanderung.
Gleichzeitig mit diesem Mechanismus bereitet sich Rumänien auf einen anstehenden Einwandererzufluss an seinen Grenzen vor. Das setzt die Einrichtung einiger Flüchtlingslager voraus, die als »Integrierte Zentren« bezeichnet und von der Grenzpolizei verwaltet werden. Darüber hinaus gibt es in Rumänien einen konstanten Einwandererzufluss. Dieser Zufluss verzeichnet eine leicht steigende Tendenz, deshalb ist er praktisch konstant. 2015 gab es ungefähr 1200 Asylanträge, eine ähnliche Zahl wie 2013 und 2014. 2015 haben rund 500 Personen eine bestimmte Art Schutz von dem rumänischen Staat erhalten. In den letzten zwei Jahren stammte der Großteil der Asylbewerber, die unter Schutzmaßnahmen gestellt wurden, aus Syrien. Rumänien hat 6 Unterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge. Diese haben eine Kapazität von 1700 Plätzen. Es wird auch die Eröffnung anderer Zentren bei Bedarf vorbereitet.“
Die Lage der Frauen auf der Flucht hat auch die Aufmerksamkeit des Europaparlaments erregt, das einen Bericht über die Wichtigkeit der Geschlechterdimension bei der Erarbeitung der Asylpolitik und –verfahren verabschiedet hat.