Eurobarometer: Rumänen gehören zu den optimistischsten Europäern
10 Jahre nach dem EU-Betritt und nach einem für die EU sehr unruhigen Jahr bleibt Rumänien eines der Länder, die eine optimistische Einstellung gegenüber der EU haben.
Christine Leșcu, 15.03.2017, 17:30
67% der Rumänen glauben an die Zukunft der EU, der EU-Durchschnitt liegt bei 50%. Vor zehn Jahren lag aber dieser Prozentsatz bei 75 % in Rumänien. Damals lag auch der EU-Durchschnitt noch bei 69%. Diese Daten wurden vom Herbst-Eurobarometer erfasst. Diese Befragung bietet eine sehr gute Gelegenheit, zu sehen, wie sich das Vertrauen Rumäniens in die EU-Institutionen seit 2007 entwickelt hat, meint Angela Cristea, die Leiterin der Vertretung der EU-Kommission in Bukarest:
Wir erfahren, dass 10 Jahre nach dem Beitritt das Vertrauen der Rumänen weiter über dem europäischen Durchschnitt liegt, aber eine sinkende Tendenz aufweist. Heute liegt diese Quote bei 52%, vor 10 Jahren, als Rumänien der EU beitrat, lag sie bei 65%. Andererseits liegt das durchschnittliche Vertrauen der Europäer in die EU bei 36%. Vergleichbar gibt es aber leider weniger Vertrauen in die nationalen Institutionen. Aber wenn wir uns wiederum die Entwicklung in den letzten 10 Jahren anschauen, sehen wir, dass das Vertrauen in die nationalen Institutionen in dieser Periode gestiegen ist. Das Vertrauen in die gemeinschaftlichen Institutionen sinkt, es steigt aber das Vertrauen in die nationalen Institutionen. Wir nähern uns meiner Meinung nach der Normalität. Wir bemerken zum Beispiel, dass das Vertrauen in die Regierung von 2007 bis 2016 zehn Prozentpunkte gewonnen hat.“
Auch wenn sie optimistisch betreffend die EU sind, haben die Rumänen eine skeptischere oder pessimistischere Einstellung gegenüber ihrem Land: 60% der Rumänen glauben, dass ihr Land sich in die falsche Richtung bewegt, und 29% meinen, die Wirtschaftslage werde sich verschlechtern. 40% glauben, die Lage werde sich nicht ändern. Ein weiterer wichtiger Punkt, der vom Eurobarometer hervorgehoben wurde, ist die Einstellung der Rumänen gegenüber den Prioritäten der öffentlichen europäischen Agenda. Angela Cristea gibt weiter Auskunft:
Die Immigration und der Terrorismus werden als die wichtigsten Herausforderungen betrachtet, mit denen sich Europa konfrontiert, auch wenn die Zahl der Rumänen, die diese erwähnt hat, gegenüber 2015 gesunken ist. Die Freizügigkeit der Bürger anderer EU-Staaten wird als positiv empfunden, während die Freizügigkeit der Bürger aus Drittländern eher negativ betrachtet wird. Die Ziele der Europa-Strategie 2020, die von den Rumänen als realistisch angesehen werden, betreffen die Beschäftigung und die Verminderung des Schulabbruchs. Die Werte, die den Rumänen nach am besten die EU vertreten, sind die Menschenrechte (38% der Rumänen glauben das, der EU-Durchschnitt liegt bei 34%), die Demokratie (32% in Rumänien, 31% im EU-Durchschnitt), der Frieden (27% in Rumänien, 39% im EU-Durchschnitt).“
Da ein Teil der Ziele der Europa-Strategie 2020 von drei Fünfteln der Befragten als realistisch betrachtet werden, können wir vermuten, dass die Rumänen hinsichtlich der EU-Politik generell gut informiert sind. Die Soziologen haben aber ihre eigene Theorie betreffend die Daten über das Niveau der Kenntnisse und des Gemütszustands der Rumänen im Vergleich zu anderen Europäern. Manuela Stănculescu, Soziologin beim Forschungsinstitut für Lebensqualität der Rumänischen Akademie, berichtet:
In mehrfacher Hinsicht sind wird dem Rest der europäischen Bürger ähnlich. Aber es gibt etwas Charakteristisches: Alles, was mit Rumänien zu tun hat –nationale Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, die Richtung, in die das Land geht usw. –, wird als das Allerschlechteste in Europa angesehen. Wir sind sehr kritisch uns gegenüber. Zweitens sehen wir Europa in einem sehr positiven Licht. Schauen Sie aber, wie wir die USA wertschätzen. 38% von uns glauben, dass es den USA hervorragend geht, während dieser Prozentsatz im restlichen Europa bei 17% liegt. Wenn wir über Europa reden und sehen, dass unser Vertrauen in den letzten 10 Jahren gesunken ist, würde ich sagen, dass wir realistischer geworden sind. Ich würde sagen, dass die meisten unserer Meinungen über Europa auf Informationsmangel und Illusion des Auslandes basieren.“
Bogdan Voicu, ebenfalls Psychologe beim Forschungsinstitut für Lebensqualität, hat eine eigene Erklärung für den Unterschied zwischen dem europäischen Vertrauens-Durchschnitt und der Rate in Rumänien. Bogdan Voicu:
Wir wissen, dass es einen phantastischen Unterschied zwischen den westeuropäischen Ländern und den osteuropäischen Ländern in puncto EU-Vertrauen gibt. Der EU-Betritt bedeutete im Westen eine Eingrenzung der nationalen Souveränität, eine Verlagerung der Entscheidungskraft nach Brüssel, während im Osten dies keine Rolle spielte. Im Osten haben die EU-Mitgliedschaft, die NATO-Mitgliedschaft und die Partnerschaft mit den USA eine minimale Garantie der Unabhängigkeit und der Bedeutung dieser Staaten dargestellt. Wenn wir uns Polen anschauen, sehen wir, dass die Polen gleich vor dem EU-Beitritt ein sehr hohes Vertrauen in die EU-Institutionen hatten. Nachher beginnt das Vertrauen zu sinken, Polen sieht, dass das Land nicht in Gefahr ist, und beginnt eine wichtige regionale Rolle zu spielen. Rumänien ist noch nicht da. Die Militärkonflikte nahe der Grenze bringen dich dazu, nachzudenken, woher die Verteidigung kommen könnte. So erkläre ich mir, dass wir weiterhin das größte Vertrauen in die EU haben, obwohl wir eines der ärmsten Mitgliedstaaten sind.“
Es ist anzunehmen, dass die Öffentlichkeit in Rumänien aktiver an den Debatten teilnehmen wird, die von Jean-Claude Juncker mit dem Weißbuch der EU-Kommission zur Zukunft der EU eingeleitet wurden.