EU-Landwirtschaft: Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in Rumänien positiv bewertet
Seit den Anfängen des Integrationsprozesses zählt die Agrarpolitik zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik. Nach der Annahme der Reform führte die Europäische Kommission eine neue europaweite Umfrage durch.
Christine Leșcu, 30.04.2014, 17:48
Seit den Anfängen des Integrationsprozesses zählt die Agrarpolitik zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik. In Erinnerung an Lebensmittelknappheit und Hunger nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bereits 1957 im EWG-Vertrag die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) festgeschrieben. Ihr Ziel: die landwirtschaftliche Produktion zu steigern, angemessene Einkommen in der Landwirtschaft zu sichern, die Verbraucher ausreichend mit Nahrungsmitteln zu vernünftigen Preisen zu versorgen und die Märkte zu stabilisieren.
Die enorme Belastung des EU-Haushalts durch den Agrarsektor (1992 rund 58 Prozent, 2013 immerhin noch 40 Prozent), die EU-Erweiterung sowie die Überbeanspruchung des Bodens durch intensives Wirtschaften und der Druck seitens der WTO-Partner, die EU-Agrarmärkte zu öffnen, leiteten eine Reihe von Agrarreformen ein. Neben der Einkommenssicherung rückten Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes und eine ganzheitliche Betrachtung der ländlichen Räume in den Vordergrund.
Mit den verschiedenen Reformen der GAP bis 2008 wurden wichtige Grundsteine für die Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik gelegt. Insbesondere aber aus der Sicht des Umweltschutzes griffen diese Maßnahmen bislang zu kurz. Durch eine grundlegende Reform will die EU-Kommission die GAP deshalb in der neuen EU-Haushaltsperiode ab 2014 zu einem Instrument für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige“ Landwirtschaft machen.
Im Dezember 2013, nach dem Durchführen einer breitangelegten öffentlichen Befragung, beschlossen die EU-Agrarminister endgültig das Gesetzespaket, nachdem einen Monat zuvor das EU-Parlament grünes Licht gegeben hatte. Nach der Annahme der Reform führte die Europäische Kommission eine neue europaweite Umfrage durch, um die Meinung der Europäer über die Änderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu erfahren. Der resultierende Eurobarometer, der in März veroffentlicht wurde, enthält erfreuliche Resultate:
Mehr als drei Viertel der Befragten (77%) stimmen der Aussage zu, dass die GAP für alle EU-Bürger einen Vorteil bietet. Dies erklärt, warum sie sich für die Förderungen der Landwirte aussprechen. So sind die EU-Bürger der Meinung, dass Landwirte in der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen: Unter anderem sind sie dafür zuständig, eine Vielfalt an hochwertigen Produkten anzubieten, die Beschäftigung und Wirtschaftstätigkeit in den ländlichen Gebieten zu sichern, aber auch für den Umweltschutz zu sorgen. Die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger (mehr als 90%) spricht sich für die Kernelemente der GAP aus; eine gerechtere und gezieltere Verteilung der Beihilfen unter den Landwirten sowie die Kopplung der Zuschüsse für Landwirte an umweltgerechte Praktiken seien für sie eine gute Sache.
Für die Rumänen ist die Landwirtschaft lebenswichtig. 92% der Befragten in Rumänien betrachten die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete als wesentlich für die Zukunft des Landes und 78% sind der Meinung, die GAP bringe Vorteile für alle Europäer, nicht nur für die Landwirte. Nicht nur die Gemeinsame Agrarpolitik, sondern alle EU-Einrichtungen werden aber von den Rumänen positiv eingeschätzt, sagte uns Diana Filip, Leiterin des Zentrums Europe Direct Bukarest:
Die Rumänen bleiben optimistisch in Bezug auf die Entwicklung der Europäischen Union und auf die Resultate, die die EU implementiert. Etwa die Hälfte der zu diesem Thema befragten Rumänen sind der Ansicht, daß die EU den richtigen Weg eingeschlagen hat, um aus der Krise zu kommen. 63% der Befragten sind optimistisch, was die Zukunft der Europäischen Union betrifft. 11% erklären sich sogar sehr optimistisch und haben eine positive Einstellung gegenüber der EU-Politik im allgemeinen sowie gegenüber den EU-Normen, die in Rumänien praktisch umgesetzt werden.“
Wie bei fast allen Eurobarometern betreffend die Perzeption der EU-Einrichtungen ist das Niveau der allgemeinen Kenntnisse der Befragten befriedigend. Es fehlen aber detaillierte Informationen. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob sie von der Unterstützung gehört hätten, die die EU den Landwirten im Rahmen der GAP bietet, antworteten 45% der Befragten in Rumänien mit ja“, ohne aber Details darüber zu kennen, und 36% antworteten, sie hätten nie etwas darüber gehört. In diesem Fall ist die Statistik nicht sehr weit von der Wirklichkeit entfernt, sagte uns Attila Szőcz vom Verband Ecoruralis, einem Verband der Landwirte, die ökologische und traditionnelle Landwirtschaft betreiben:
Wenn ich diese Zahlen betrachte, sehe ich, daß die Europäer im allgemenein, Landwirte oder Nicht-Landwirte, mit der GAP-Reform zufrieden sind. Die Mitglieder unseres Verbandes diskutierten in den Dörfern unmittelbar mit den Bauern. Auch wenn in der Regel gewisse Aspekte der GAP bekannt sind, gilt das nicht immer auch für die Bauern in den Dörfern, vor allem für die jungen Landwirte. Die Landwirte, die gesagt haben, sie wüßten einiges über die GAP, sind meistens über 40 Jahre alt. Kurzum, die jungen Landwirte in Rumänien kennen noch nicht die Möglichkeiten, die ihnen Europa bieten kann.“
Und doch betrachten 62% der befragten Rumänen die Tatsache, daß die jungen Landwirte finanzielle Unterstützung von der EU erhalten, als sehr positiv. Ferner sagten 54% der Befragten, sie seien sehr zufrieden mit einer gerechteren und gezielteren Verteilung der Beihilfen unter den Landwirten, und für 52% der Befragten ist die Kopplung der Zuschüsse für Landwirte an umweltgerechte Praktiken eine gute Sache. Zwischen der Perzeption der Bürger und den Aktionen der Kommunalbehörden bestehe aber immer noch ein großer Unterschied, sagte Attila Szőcz:
Auch wenn europaweit der Wille besteht, die ländlichen Regionen zu entwickeln, scheinen die in Rumänien implementierten Maßnahmen diesem Willen geradezu entgegengesetzt zu wirken. Auch wenn theoretisch die Idee akzeptiert wird, daß die GAP die Landwirte unterstützen könnte, erlaubt die Bürokratie auf nationaler Ebene dies nicht. Deshalb verlieren die jungen Landwirte die Hoffnung auf Unterstützung und Entwicklung. Es gibt viele verlassene Dörfer; die jungen Bauern gehen ins Ausland, um als Saisonarbeiter ihr Brot zu verdienen, obwohl sie in der Heimat noch Ackerland haben, und von den Eltern noch lernen könnten, wie man einen Bauernhof oder eine Farm führen kann.“
In Erwartung einer Korrigierung der nationalen Bürokratie und einer besseren Informierung könnte Rumänien sein Potential für Ökolandwirtschaft ausnutzen. Attila Szőcz:
Eine Zielsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik ist »Grüner werden«. Die ‚grünsten‘ in Rumänien sind eben die Bauern, die weder die Mittel noch den Willen haben, auf ihren Grundstücken chemische Düngemittel zu verwenden. So funktioniert bei uns die Agro-Ökologie, die in Europa als Innovation und neuer Trend betrachtet wird. Rumänien verfügt über viele Gegenden, die für die ökologische Landwirtschaft besonders interessant sind. Die Bauern, die bereits traditionelle Landwirtschaft betreiben, können hochwertige Produkte anbieten. Dabei müssen wir uns mehr auf eine integrierte Landwirtschaft konzentrieren, für die auch der Umweltschutz und das soziale und wirtschaftliche Klima wichtig sind. Wir sollten in diese Gegenden, in die ländliche Entwicklung investieren.“
Eine erste Variante des Nationalen Plans für Ländliche Entwicklung in Rumänien für die Zeitspanne 2014-2020 wurde bereits Ende März an die Europäische Kommission für Verhandlungen geschickt. Dazu gehören, in Anlehnung an die neue Gemeinsame Agrarpolitik, stärkere Maßnahmen betreffend die Unterstützung der jungen Landwirte und die Öko-Landwirtschaft. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat 2014 zum Internationalen Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft“ ausgerufen — das könnte ein gutes Zeichen für die 4,5 Millionen Bauern sein, die in Rumänien mit der familienbetriebenen Landwirtschaft ihr Leben bestreiten.
Deutsch von Daniela Cîrjan
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