Bekämpfung von Schulabbruch anhand der Ergebnisse einer UNICEF-Studie
Schulabbruch, ein wichtiges Thema für die europäischen Institutionen, ist auch in Rumänien zum öffentlichen Diskussionsgegenstand geworden. Nicht nur die genaue Ermittlung des Ausmaßes dieses Phänomens ist wichtig, sondern auch Lösungen zu finden.
Christine Leșcu, 04.07.2013, 08:11
Schulabbruch, ein wichtiges Thema für die europäischen Institutionen, ist auch in Rumänien zum öffentlichen Diskussionsgegenstand geworden. Nicht nur die genaue Ermittlung des Ausmaßes dieses Phänomens ist wichtig, sondern auch Lösungen zu finden. Diese kommen nur dann, wenn die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden aus verschiedenen Bereichen funktioniert: Bildung, Sozialschutz und lokale Entwicklung. Darauf bezieht sich die Studie Alle Kinder in die Schule bis 2015, globale Initiative für die Kinder außerhalb des Bildungssystems — eine Landesstudie“, die unter der Schirmherrschaft von UNICEF erarbeitet wurde.
Die Studie basiert auf einer gemeinsamen Methodologie der 26 Teilnehmerstaaten, einschließlich Rumänien. Bei der Erarbeitung der Studie über Rumänien beteiligten sich das Bildungsministerium, das Arbeitsminsiterium, das Nationale Statistikamt und das Institut für Bildungswissenschaften. Ziel des besagten Studiums war es, den Hintergrund des Schulabbruchs zu analysieren, das Bewusstsein diesem Phänomen gegenüber zu steigern und Lösungen zu bieten. Bis zu einer Lösungsfindung aber müssen wir das Ausmaß eines Phänomens kennen, dessen Ursachen nicht nur auf das Bildungswesen zurückzuführen sind. Sandie Blanchet, UNICEF-Vertreterin für Rumänien, spricht über einen Teil dieser Ursachen.
Kinder, die kurz vor dem Schulabbruch stehen, sind sehr arm, sie kommen aus ländlichen Gegenden, gehören zur Ethnie der Roma oder sind behindert. Das Bildungswesen müsste dem Schulabbruch eher vorbeugen, als sich auf Interventionsmaßnahmen zu konzentrieren. Wir müssen uns vergewissern, dass diese Kinder in die Schule eingeschrieben werden und dort auch bleiben. Das würde auch einen finanziellen Vorteil bedeuten, denn es ist kostengünstiger.“
Die langfristigen Nachteile des Schulabbruchs beeinträchtigen die ganze Gesellschaft un Wirtschaft eines Landes. Laut Angaben des Nationalen Statistikamtes seien 52% der Jugendlichen, die die Schule frühzeitig verlassen haben, schneller arbeitslos geworden. Ein weiterer Beweis, dass der Schulabbruch ein Sozialproblem ist, stützt sich auf die Tatsache, dass es Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesregionen gibt. In einigen hat das Phänomen ein kleineres Ausmaß als in anderen, abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und der ethnischen Zusammensetzung des Gebietes. In Ortschaften, in denen die Romabevölkerung 5% überschreitet, ist der Stand des Schulabbruchs höher. Weitere statistische Angaben bietet uns wieder Sandie Blanchet:
Der Stand des frühzeitigen Schulabbruchs hat 17,5% erreicht. Die Tendenz ist steigend. Laut der Agenda 2020 hat sich Rumänien als Ziel gesetzt, eine Verringerung des Schulabbruchs auf 15% bis 2014 und auf 11% bis 2020 zu erreichen. Da der Schulabbruch durch andere Sozialfaktoren wie Armut, Gesundheit, Enährung und Familienumfeld beeinflusst wird, sind auch Mehrbereichslösungen notwendig. Auf Lokalebene müssen die Schulen, die Sozialarbeiter, die Bürgermeisterämter zusammenarbeiten, um dem Schulabbruch vorzubeugen. Die Qualität der Bildung ist auch problematisch. 40% der 15-jährigen haben einen niedrigen Alphabetisierungsstand. In Polen beläuft sich der Prozentsatz auf 15%, in Ungarn auf 18%. Die Lösungen in diesem Sinne wären qualifizierte und motivierte Lehrer, ein Lehrplan, der die Kompetenzentwicklung und nicht das Auswendiglernen von Informationen in den Vordergrund stellt. Rumänien investiert 3,5% seines BIP in sein Bildungssystem. Zum Vergleich weisen Polen und Ungarn jeweils 5% dafür zu.“
Nichtsdestotrozt können Statistiken auch täuschend sein, wenn man den ganzen Kontext des Schulabbruchs, aber auch die Berechnungsweise dieses Standes nicht kennt. Ciprian Fartuşnic, Forscher des Instituts für Bildungswissenschaften, erklärt uns wie dieser Stand in Rumänien berechnet wird.
Wir überprüfen die Zahl der Kinder, die sich im September in eine Schule eingeschrieben haben und wieviele von ihnen im Juni das Schuljahr abschließen. Der Stand des Schulabbruchs wird durch den Vergleich der Eintritte mit den Austritten berechnet. Neu an dieser Studie ist, dass man auch nachfragt, wieviele Kinder tatsächlich in die Schule gehen müssten. Wir erfahren somit, dass deren Zahl größer ist als die der eingeschriebenen Schüler. Mithilfe des Statistikamtes haben wir erfahren, wieviele Kinder sich im Vorschul- oder Grundschulalter befinden. Wir haben diese Zahl mit der Zahl der tatsächlich im Schulsystem eingeschriebenen Kinder verglichen. Durch eine einfache Subtraktion haben wir erfahren, dass weniger Kinder in die erste Klasse gehen, als es laut den demographischen Daten sein müsste. Danach verschärft sich das Phänomen. In der Grundschule, also im Alter zwischen 7 und 10 Jahren, sind es über 55.000 Kinder, die nicht im Bildungssystem auftauchen. Im Gymnasium ist es genauso, obwohl die Kinder in die Schule gehen müssten, denn laut den Bevölkerungszahlen gibt es sie.“
Mit der Rechenformel der EU-Institutionen erhält das Phänomen ein anderes Ausmaß und muss anders verstanden werden.
Auf EU-Ebene werden die Abbruchzahlen nicht unter den Mitgliedsstaaten verglichen, denn die Methodologie ist unterschiedlich. Z.B. gibt es eine Methode, die eine Berechnung anhand von über mehrere Studienkahre erfasste Kohorten beinhaltet. Der resultierte Indikator ist der Schulabbruch. Besagte Methode fokussiert eine bestimmte Altersgruppe, jene von 18 bis 24 Jahren. Warum? Weil man dort erwartet, dass diese jungen Leute einen gewissen Grundbildungsstand haben. Wenn man so berechnet, stellen wir fest, dass fast einer von fünf Jugendlichen nicht einmal das Pflichtstudium von 10 Klassen abschließt.“
Unabhängig von der Rechenmethode setzen die Lösungen zum Schulabbruch die Zusammenarbeit etlicher Institutionen voraus. Außerdem kann man von den statistischen Daten der Studie Alle Kinder in die Schule bis 2015, globale Initiative für die Kinder außerhalb des Bildungssystems — eine Landesstudie“ nicht absehen.
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