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Arbeitsmigration und ihre Folgen: Generation Hiergeblieben

Seit Jahren setzt sich Rumänien mit einer neuen gesellschaftlichen Entwicklung auseinander, die sich vor allem auf die jüngeren Generationen auswirkt: Erwachsene gehen auf Jobsuche ins Ausland und lassen ihre Kinder in der Obhut von Verwandten zurück.

Arbeitsmigration und ihre Folgen: Generation Hiergeblieben
Arbeitsmigration und ihre Folgen: Generation Hiergeblieben

, 05.07.2017, 17:30

Eltern zu haben, die Gastarbeiter im europäischen und sonstigen Ausland sind, scheint auf einen ersten Blick ein Segen für die Kinder zu sein. Und das ist er zumeist auch, aber nur im materiellen Sinne. Emotional betrachtet hinterlassen diese Erwachsenen eine riesige Leere in der Seele ihrer Kinder. Nichts und niemand kann die Eltern ersetzen. Die Kinder fühlen sich verlassen und setzen sich mit emotionalen und sozialen Problemen auseinander, die auch ihre Erziehung behindern. Nach Ansicht der Psychologen führt die Sehnsucht nach den Eltern in Depression, mangelndes Selbstbewusstsein, Vereinsamung und Schuldgefühle. Diese Kinder seien generell weniger motiviert — nicht nur in der Schule. Im Extremfall entwickeln einige von ihnen Selbstmordtendenzen, weil niemand ihren Schmerz nachvollziehen kann.



Bei der Nationalen Kinderschutz- und Adoptionsbehörde sind fast 95 Tausend Kinder registriert — davon sind rund 33 Tausend in der Obhut von Verwandten, weil beide Eltern oder die alleinerziehenden Elternteile im Ausland arbeiten. Die Dunkelziffer ist aber viel höher — einige Untersuchungen gehen davon aus, dass 350 Tausend Kinder in dieser Lage sind — also eines von zehn Kindern in ganz Rumänien.



Wie der Alltag aussieht, beschreibt Petruţa Soare — die Frau kümmert sich um ihre neunjährige Enkelin. Ihre Eltern sind in England und besuchen Rumänien zweimal im Jahr. Das Mädchen ist glücklich, weil es Geschenke bekommt. Noch sehnt sie sich nicht nach ihren Eltern, denn sie spricht jeden Abend mit ihnen. Die Organisationen »Rettet die Kinder« hilft uns viel. Die Kinder arbeiten dort in Gruppen, erledigen ihre Hausaufgaben, unternehmen sehr viel — zum Beispiel Ausflüge. Das Kind ist zufrieden, weil es verwöhnt ist, die Eltern kaufen ihm alles, was es will. Als Gegenleistung zeigt das Mädchen gute Ergebnisse in der Schule vor“, erzählt die Frau.



Andere machen eine unterschiedliche Erfahrung — Elena ist vor 10 Jahren nach Spanien gegangen. Sie lie‎ß zwei Jungen bei Verwandten zurück — doch obwohl sie selbst zwei-drei Monate im Jahr zuhause war, kamen die Jungen, die damals im Grundschulter waren, nicht sehr gut zurecht. Es war ziemlich schwer, zwei kleine Kinder zu hinterlassen. Zehn Jahre später sehe ich ein, dass es keine gute Entscheidung war — sie sind gewachsen und wir haben die schönsten Jahre unseres Lebens verpasst. Die zwei-drei Monate, die ich im Jahr hier verbracht habe, waren nicht ausreichend, um sie zu erziehen, wie es sich gehört. Jetzt hören sie nicht mehr auf mich — und es ist zu spät“, bereut Elena.



Die Tragweite dieser Erscheinung führte dazu, dass sich auf nationale Ebene ein Netzwerk von Anbietern gezielter Sozialdienstleistungen entwickelt hat. Rettet die Kinder, eine international agierende Organisation, richtet sich mit ihrem Angebot an Kinder, Eltern und Personen, die sich in Rumänien um die Kinder kümmern, sagt Anca Stamin, Programmleiterin bei Rettet die Kinder“: Wir haben schon im Jahr 2010 begonnen, die Kinder zu unterstützen, deren Eltern im Ausland arbeiten, aber auch die Verwandten, bei denen die Kinder leben. Wir haben beispielsweise an den Schulen Angebote für die Zeit vor oder nach dem Unterricht — 17 örtlich zugeschnittene Projekte. Kinder machen ihre Hausaufgaben, gestalten ihre Freizeit in der Gruppe. Wir helfen ihnen, den Kontakt mit den Eltern über das Internet zu pflegen, und beraten sie, um besser mit der Situation fertig zu werden. Die Erziehungsberechtigten werden ihrerseits unterstützt — wir erklären ihnen, wie sie mit den Bedürfnissen der Kinder besser umgehen können. Dazu Beratung zur Klärung der Rechtslage. Vor zwei Jahren haben wir eine telefonische Seelsorge für die Kinder eingeführt und au‎ßer dieser Hotline haben wir eine Nummer, unter der Eltern anrufen können. Und wir haben eine Internetseite aufgebaut“, so Anca Stamin von Rettet die Kinder“.



Rumänien ist mit diesem Problem nicht alleine. In Europa sind etwa 1,5 Kinder von diesem Problem betroffen. Deshalb finanziert auch die EU nationale Programme zur Förderung der Rückkehr der Eltern. Aus diesem Topf will der rumänische Europaabgeordnete Victor Negrescu (PSD-PES) ein vom Parlament zu beschlie‎ßendes entsprechendes Nationalprogramm einführen — es geht um die schnelle Anerkennung der Abschlüsse und der beruflichen Erfahrung, Hilfe bei der Jobsuche und bei der gesellschaftlichen Eingliederung der Erwachsenen und der Kinder, die bisher im Ausland wohnten.

Foto: geralt / pixabay.com
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