Arbeitsmigration aus Drittländern: immer mehr asiatische Arbeitnehmer in Rumänien beschäftigt
Seit einigen Jahren sind in Rumäniens Großstädten Arbeitnehmer aus fremden und fernen Ländern nicht mehr wegzudenken aus dem Stadtbild. Ob in den Schaufenstern der Bäckereien, auf den Fahrrädern der Lebensmittellieferanten, in den Küchen der Restaurants oder in Fabriken aller Art – überall sieht man heute Menschen aus aller Herren Länder arbeiten, die ihre Hoffnung auf ein besseres Leben in Rumänien erfüllt sehen wollen. Im Sozialreport haben wir die Situation dieser Menschen auf dem rumänischen Arbeitsmarkt unter die Lupe genommen und uns mit einem Migrationsforscher unterhalten.
Iulia Hau und Sorin Georgescu, 25.09.2024, 17:30
Rumänien konfrontiert sich seit geraumer Zeit mit einer negativen Demographie, einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer massiven Auswanderung. Das hat auch zu einem Mangel an Arbeitskräften auf dem rumänischen Markt geführt. Aus diesem Grund hat die rumänische Regierung in den letzten Jahren versucht, den Mangel an Humanressourcen in bestimmten Wirtschaftszweigen durch das Heranziehen von Arbeitskräften aus sogenannten Drittländern von außerhalb der EU auszugleichen.
So wurde in den letzten drei Jahren (beginnend mit 2022) – mit grünem Licht aus Brüssel – jährlich jeweils ein Kontingent von 100 000 Arbeitsvisa für Arbeitnehmer aus nicht-europäischen Ländern genehmigt. Nach Angaben der Generalinspektion für Einwanderung wurden z.B. im Jahr 2023 mehr als 101 000 Arbeitsgenehmigungen an Nicht-EU-Bürger erteilt, wobei die meisten aus Nepal (über 23 000), Sri Lanka (22 000), Bangladesch (18 000) und Pakistan (über 8 000) kamen. Die Daten von der Einwanderungsbehörde zeigen auch ein erhebliches geschlechtsspezifisches Gefälle – fast 90 Prozent der Neuankömmlinge im Jahr 2023 waren Männer. Die wichtigsten Wirtschaftszweige, die diese Arbeitnehmer beschäftigten, sind das Hotel- und Gastronomiegewerbe, Fabriken und Industrieanlagen, Bauwesen und Reinigung. Denselben Angaben zufolge fallen insbesondere Arbeitnehmer aus Sri Lanka schwer ins Gewicht: 2022 entfielen mehr als 50 % der EU-weit erteilten Arbeitsgenehmigungen an Bürger Sri Lankas auf Rumänien.
Beim Thema ausländische Arbeitnehmer muss man jedoch auch über ihre Rechte auf faire und sichere Arbeitsbedingungen sprechen, die sie vor möglichem Missbrauch durch Arbeitgeber schützen. Nicht wenige der in letzter Zeit veröffentlichten Presseartikel und Recherchen berichten über eine prekäre Situation, in der sich diese Menschen befinden. Sie leben und arbeiten in einem Land, dessen Sprache sie nicht beherrschen und dessen Gesetze sie nicht kennen, und sind somit dem Risiko ausgesetzt, ausgebeutet, getäuscht oder auf dem illegalen Arbeitsmarkt beschäftigt zu werden – oftmals sind es Umstände, für die sie nicht verantwortlich sind. Arbeitswillige ausländische Staatsangehörige zahlen häufig exorbitante Summen an Arbeitsvermittler, so dass sie Kredite von 4 000 bis 10 000 Euro aufnehmen, die sie in Raten von ihrem in Rumänien verdienten Gehalt zurückzahlen müssen. Außerdem geben viele an, sie hätten Familienschmuck verpfändet, Grundstücke verkauft, sich an Banken gewandt oder die Eigentumsurkunden ihrer Familienhäuser und Grundstücke in der Heimat als Bürgschaft hinterlegt, um einen Arbeitsplatz in Rumänien vermittelt zu bekommen.
Diese Umstände bringen sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu rumänischen Arbeitgebern, die somit ein leichtes Spiel haben, die Grundrechte dieser Arbeitnehmer zu verletzen. Anatolie Coșciug, Wissenschaftler und stellvertretender Leiter des Zentrums für vergleichende Migrationsstudien, spricht im folgenden über Fälle von Missbrauch, die durch Recherchen aufgedeckt wurden:
„Wir haben versucht herauszufinden, ob die Fälle von Missbrauch, von denen wir gehört oder gelesen hatten, eine Ausnahme sind, ob es sich um Einzelfälle handelt oder ob es sich um eine systematische Sache handelt; und falls es sich um eine systematische Ausbeutung handelt, wollten wir wissen, warum das passiert. Und hier gibt es migrationspolitische Faktoren, sozialpolitische Faktoren im Allgemeinen, es geht also nicht nur um die Migration an sich, sondern auch um allgemeine gesellschaftliche Zustände. Dadurch sind Einwanderer und Arbeitsmigranten besonders exponiert. Und wir schlagen einen menschenrechtszentrierten Ansatz vor. Denn es ist unglaublich, dass fast niemand über sie als Menschen spricht, die Rechte haben, die verletzlich sind, die in gewissem Maße geschützt werden müssen. Das kam mir absolut ungewöhnlich vor – in Gesprächen mit ihnen, mit NGO und mit anderen Akteuren hatte niemand diese Menschenrechtsperspektive.“
Doch wie sehen typische Fälle von Missbrauch aus, mit denen sich außereuropäische Arbeitsmigranten in Rumänien konfrontieren? Anatolie Coșciug vom Zentrum für vergleichende Migrationsstudien führt weiter aus:
„Wir haben versucht, die wichtigsten Menschenrechte ein wenig zu betrachten, um zu sehen, wie ihre Auslegung hierzulande in unterschiedlichen konkreten Situationen realisiert wird. Wir haben zum Beispiel das Recht auf einen Arbeitsplatz unter menschenwürdigen Bedingungen, das Recht auf eine angemessene Wohnung, die Familienrechte und das Recht auf Ausbildung unter die Lupe genommen. Überraschenderweise haben wir in jeder Kategorie mehrere Fälle gefunden, in denen diese Rechte verletzt wurden. Einige davon sind schwerwiegender, wie z.B. die angemessene Unterbringung – das scheint mir eine ziemlich ernste Situation zu sein. Die meisten befragten Arbeitsmigranten erzählten, dass sie in überfüllten Unterkünften wohnen; in Härtefällen haben die Menschen keinen Zugang zu Wasser, das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Essen ist unzureichend im Verhältnis zur schweren Arbeit, die sie leisten müssen. Es gibt auch weniger gravierende Fälle, in denen aber dennoch elementare Menschenrechte in weniger sichtbarer Form verletzt wurden. Beispielsweise sind das Recht auf Familienzusammenführung oder auf Familiennachzug zwar theoretisch verankert, doch in der Praxis ist es ein langwieriger und komplizierter Prozess. Der Familiennachzug wird oft vom Arbeitgeber, von der Regierung des Herkunftslandes wie von der Regierung in Rumänien behindert oder abgelehnt.“
Eine Änderung dieser Zustände sei überfällig, meinte noch der Migrationsforscher Anatolie Coșciug – alle Beteiligten – von den staatlichen Institutionen über den privaten Sektor bis hin zur rumänischen Bevölkerung im Allgemeinen – müssten noch lernen, wie man Neuankömmlinge und Migranten fair behandelt und angemessen integriert.