Altenpflege: NGO-Netzwerk SeniorNet hilft zuhause
27,5% der über 65-Jährigen, knapp 900.000 Personen, leben in Rumänien in extremer Armut. Der EU-Durchschnitt liegt bei 7%. Von diesen brauchen 20% Pflege zu Hause.
Christine Leșcu, 08.04.2015, 19:54
27,5% der über 65-Jährigen, knapp 900.000 Personen, leben in Rumänien in extremer Armut. Der EU-Durchschnitt liegt bei 7%. Von diesen brauchen 20% Pflege zu Hause. Laut Statistik bekommen aber nur 0,23% dieser Menschen die Pflege zu Hause. Es sind Zahlen, die der Öffentlichkeit wenig bekannt sind. Die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen, die Pflege-Dienstleistungen anbieten, meinen, etwa 350.000 Personen bräuchten in Rumänien Pflege zu Hause. Aus dem Haushalt der Sozialversicherungen und des zuständigen Ministeriums wurden im Jahr 2012 Pflege-Dienstleistungen zu Hause für 29.306 Personen gezahlt.
Unter diesen Bedingungen haben die NGO ihre Kräfte vereint, um die fehlenden Regierungsfonds auszugleichen. Doina Crângaşu, Exekutivdirektorin der Konföderation Caritas Rumänien, erinnert sich, wie die Initiative gestartet wurde:
Caritas Rumänien hat vor zwei Jahren die Gründung einer Plattform der Nichtregierungsorganisationen, die soziale und medizinische Dienstleistungen für alte Personen anbieten, eingeleitet. In Rekordzeit haben wir es geschafft, 57 Nichtregierungsorganisationen aus mehreren Landkreisen zusammen zu bringen. 81% der Mitgliedsorganisationen von SeniorNet haben eine Steigerung der Anfragen für Pflege zu Hause gemeldet. Leider kann nicht allen Anfragen stattgegeben werden, weil es in Rumänien in diesem Bereich noch Probleme gibt.“
Im Moment arbeitet man an einer Karte der Bedürfnisse der alten Personen, um genau zu sehen, wer diese sind und wo sie wohnen. Die Nichtregierungsorganisationen bieten unterschiedliche Pflege-Dienstleistungen an: psychologische Beratung, soziale Assistenz, medizinische Behandlung, Hilfe bei der Arbeit im Haushalt. Viele der Probleme haben ihren Ursprung in der Armut, andere in der Einsamkeit. Manche alte Menschen wurden von der Familie aufgegeben, in anderen Fällen arbeiten die Kinder im Ausland. Doina Crângaşu.
Gewöhnlich handelt es sich um alte Personen, die allein wohnen, weil sie keine Familienangehörige mehr haben — Ledige, Menschen ohne Kinder oder deren Kinder ausgewandert sind — oder die infolge einer Krankheit ihre Selbstständigkeit verloren haben und die ihre täglichen Angelegenheiten — von persönlicher Pflege bis zum Arzt-Besuch — nicht mehr allein erledigen können. Rumänien konfrontiert sich mit einer Auswanderungswelle der jüngeren Bevölkerung. In den ländlichen Gebieten wohnen überwiegend alte Leute, die von der Familie oder von den lokalen Behörden keine Unterstützung bekommen.“
Es gibt auch Rentner, die eigene Unterstützungsstrukturen gegründet haben. Es solches Beispiel ist die Kasse für gegenseitige Unterstützung der Rentner OMENIA. Landesweit hat diese 1,4 Millionen Mitglieder. Diese Organisation lebt von den Beiträgen der Mitglieder, von Sponsorings und von einer kleinen Handelstätigkeit. Im Rahova-Ferentari Viertel in Bukarest, einem der ärmsten Viertel Bukarests, befindet sich auf einer Straße mit kleinen Häusern eine Filiale von OMENIA. Es ist ein Städtchen der Rentner, mit einem kleinen Laden, einer Schneiderwerkstatt, einer Schusterwerkstatt, einem Friseursalon, einer Apotheke und Arzt-Praxen. Die Mitglieder können sich hier auch Geld ausborgen. Alle Preise seien niedrig, ohne Aufschlag, versichert Gheorghe Chioaru, der Vorsitzende der Nationalen Föderation der Kassen für gegenseitige Unterstützung der Rentner. Er gab uns auch weitere Details über den Zugang der Mitglieder zu diesen Dienstleistungen:
Jeder zahlt einen Mitgliedsbeitrag. Wenn jemand austritt, bekommt dieser den Beitrag zurück. Zusätzlich gibt es einen monatlichen Beitrag von 3 Lei (ca. 70 Eurocents). 70% dieses Beitrags werden für die Beerdigungshilfen benutzt. Der Beitrag hängt von der Rentenhöhe ab. Am Anfang trägt jedes Mitglied mit 20 Lei bei. Die Mitglieder können abhängend von ihrem Beitrag Kredite bekommen, bis zu dreimal so hoch wie der Beitrag. Die Zinsen liegen zwischen 1% und 14%.“
Um den Laden, die Werkstätten und die Arzt-Praxen zu besuchen, muss man beweglich sein. Es gibt aber auch Programme für diejenigen, die sich nicht mehr bewegen können. Gheorghe Chioaru dazu:
Es gibt Rentner, die nie in ihrem Leben einen Arzt besucht haben. Wir schicken ihnen den Hausarzt nach Hause. Wir organisieren Ärzte-Karawanen, die durch die Dörfer ziehen. Auf dem Lande wurden die Alten vergessen und verlassen. Wir bringen ihnen auch Lebensmittel. Ein anderes Projekt in Zusammenarbeit mit UnitedAway bietet 100 Rentnern, die sich nicht bewegen können, Lebensmittel, Hygiene-Produkte, medizinische Assistenz, Zahnarzt und Pfleger zu Hause. Die Letzteren sind eine Seltenheit, denn sie besuchen unsere Kurse, werden ausgebildet und gehen dann ins Ausland. Der Staat unterstützt uns überhaupt nicht.“
Zurzeit arbeitet die Regierung an einer nationalen Strategie für den Schutz der Senioren. Diese Strategie müsse verbessert werden, meint Doina Crângaşu:
Das Ministerium für Arbeit und Sozialschutz hat Anfang Januar eine öffentliche Debatte eingeleitet. Debattiert wird über die Nationale Strategie zur Förderung der aktiven Alterung und zum Schutz der alten Personen. Wir begrüßen diese Initiative, aber bei der Analyse des Projekts wurden Mängel entdeckt. Man fördert zum Beispiel die aktive Alterung, man spricht aber nicht über die Lage, in der die meisten alten Menschen leben.“
Bis zur Genehmigung der erwähnten Strategie suchen die Nichtregierungsorganisationen nach unabhängigen Finanzierungsquellen. Sie werden auch EU-Gelder aus dem mehrjährigen Haushaltsrahmen 2014-2020 abrufen.