Agatonia-Schule: Liebe zur Töpferei lässt sich lernen
Die Umgebung der rumänischen Hauptstadt Bukarest ist in den letzten Jahren für junge Familien attraktiv geworden. Diese wollen das hektische Leben in der umweltverschmutzen Hauptstadt durch ein ruhigeres und Leben in einer sauberen Umwelt ersetzen.
Christine Leșcu, 19.08.2015, 17:57
Virgil Scripcariu, Bildhauer, und seine Frau Adriana, Kunsthistorikerin, wohnen seit 2006 im Dorf Piscu, 36 Km entfernt von Bukarest, das einst von zahlreichen Töpfern bewohnt war. Die Töpferei, das ruhige Leben auf dem Land, die reine Luft und das Kloster Ţigăneşti waren für die Familie Scripcariu Argumente, sich im Dorf Piscu ein Zuhause für ihre sechs Kinder bauen zu lassen. Adriana Scripcariu sagte uns nun, warum sie Bukarest verlassen hat:
Für uns war das ein Muss. Wir hatten schon zwei Kinder und wir fühlten, dass wir ihnen nicht mehr das bieten konnten, was wir uns wünschten. Wir dachten an eine weniger verschmutzte Luft, gesündere Lebensmittel, mehr Tätigkeit im Freien. Mein Ehemann ist Bildhauer und brauchte eine Werkstatt. Wir suchten einen ruhigen Ort in der Nähe von Bukarest. Es war eine Freude für uns, ein Töpferdorf zu finden. Wir leben hier seit acht Jahren.“
Adriana und Virgil Scripcariu kamen nach Piscu im Jahr 2006. Sie haben den Verband Gaspar, Balthasar und Melchior“ gegründet. So konnten sie Kultur- und Bildungsprojekte für die Kinder auf dem Lande entwickeln. Unter den bedeutendsten Projekten in Piscu zählt die Töpferwerkstatt. Adriana Scripcariu dazu:
Am Anfang fiel es uns schwer, weil wir hier eine Kindergeneration gefunden haben, die keine Ahnung von der Geschichte des Dorfes hatte. Die Kinder wussten nichts über Töpferei. Ihre Großeltern sind alle Töpfer gewesen. Für den Anfang haben wir Sommerschulen organisiert und alle waren sehr begeistert. In den Werkstätten haben wir auch kurze Vorlesungen über die Kunstgeschichte gehalten. Es beteiligten sich immer mehr Kinder und wir mussten Werkstätte sowohl für Kinder, die nicht aus dem Dorf waren, als auch für Erwachsene organisieren. Der Kreis wurde immer größer.“
Der 40-jähirige Virgil Scripcariu war einer der Studenten, die dem berühmten Bildhauer Vasile Gorduz besonders nahe standen. Scripcariu beteiligte sich an der Architektur-Biennale in Venedig 2008 und war 2009 Finalist im Wettbewerb für die Prometheus-Auszeichnung für sein Erstlingswerk. Scripcariu ist der Autor von Maternitate“, (Mutterschaft“), einer Skulptur, die vor der Anglikanischen Kirche in Bukarest zu sehen ist. Die Mutterschaft ist auch das Thema seiner Ausstellung Supermam“ in London. Virgil Scripcariu hat im Dorf Piscu die notwendige Ruhe und eine für das Schaffen günstige Atmosphäre gefunden. Virgil Scripcariu dazu:
Ich habe hier die Fertigkeit entwickelt, ein Werk in verschiedenen Techniken zu verstehen und zu finalisieren. Das verdanke ich den Einwohnern, die die Gene der Töpferei haben. Sie beschäftigen sich mit dieser Tradition seit Generationen. Es ist ein interessantes Phänomen. Ich bin mir sicher, dass es in Rumänien weitere Gemeinschaften gibt, in denen das kreative Potential nicht aktualisiert und genug verwertet wird.“
Weil die Töpferei eine unrentable Beschäftigung ist, haben zahlreiche Familien in Piscu darauf verzichtet. Die Werkstätte und die Begeisterung der Kinder konnten die Dorfbewohner nicht dazu bringen, diese Tradition wiederzubeleben. Virgil Scripcariu dazu:
Ich habe mit einem Töpfer zusammengearbeitet, der sich seit 25 Jahren nicht mehr damit beschäftigt hatte und dabei war er einer der begabtesten. Zahlreiche Töpfer meinen, sie hätten keine Abnehmer mehr für ihre Kunst. Das Interesse ging verloren, es gibt keinen Markt dafür. Einige Töpfer sind alt, haben nur die Räder und die Öfen behalten. Diejenigen, die ungefähr 50 Jahre alt sind, könnten sich damit beschäftigen, müssten aber von Null anfangen und haben leider keine Perspektive. Natürlich ist das entmutigend. Ich bin überzeugt, dass in 20 Jahren die Menschen, die nach traditionellen Methoden töpfern und weben, als echte Künstler angesehen werden.“
2011 wurde die Dorfschule geschlossen. Adriana und Virgil Scripcariu haben eine neue Grundschule eröffnet. In den ersten drei Jahren konnten die Kinder die Schule gratis besuchen. Heute aber müssen bestimmte Gebühren gezahlt werden, die gar nicht unbeträchtlich sind. In diesem Jahr beendet die erste Generation der Agatonia-Schule die Grundschule. Was die Kinder in Piscu in den vier Jahren gelernt haben, erfahren wir von Adriana Scripcariu:
Die Agatonia Schule ist eine gewöhnliche Schule. Was wir Neues bringen, ist die Tatsache, dass wir, die Manager der Schule, der Kunst mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich bin Kunsthistorikerin und mein Mann ist Bildhauer. Die Schule befindet sich in der Nähe einer Bildhauerwerkstatt und des Klosters Ţigăneşti. Die Kinder haben also Zugang zu verschiedenen Kunstformen. Ich hoffe, dass sich der Zeit Liebe für das kulturelle Erbe entsteht.“
Adriana und Virgil Scripcariu nehmen sich vor, die Projekte in Piscu fortzusetzen. Sie hoffen, dass die Kunst und die Töpferei immer mehr Kinder und Jugendliche anziehen.