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Adoptionsgesetz erneut abgeändert

In Rumänien sind nur 3.500 der in Heimen und bei Pflegefamilien lebenden Minderjährigen für die Adoption freigegeben. Dabei stehen insgesamt etwa 58.000 Minderjährige unter staatlicher Obhut. Ein verändertes Adoptionsgesetz soll das Problem beheben.

Adoptionsgesetz erneut abgeändert
Adoptionsgesetz erneut abgeändert

, 06.04.2016, 17:30

In Rumänien sind nur 3.500 der in Heimen und bei Pflegefamilien lebenden Minderjährigen für die Adoption freigegeben. Die Statistik bezieht sich also auf die vom rumänischen Staat in das sogenannte Kinderschutzprogramm aufgenommenen 58.000 Minderjährigen. Ein verändertes Adoptionsgesetz soll das Problem beheben.



Die nicht für die Adoption freigegeben Kinder sind ebenfalls im System, sie haben allerdings Verwandte. Die Frage lautet hier: Warum sind diese Kinder trotzdem in staatlicher Fürsorge? Die Statistik bietet eine mögliche Antwort: 43% der Minderjährigen aus dem Kinderschutzprogramm sind aufgrund der Armut hier gelandet. Für diejenigen, die Verwandte haben, entwickeln die Behörden individuelle Pläne für die Reintegration in die erweiterten Familien. Die Reintegration gelingt aber viel seltener als es erwünscht ist. Die Adoption als mögliche Lösung für die restlichen Kinder ist ein zu langwieriger Prozess mit schwachen Erfolgsaussichten.



Heute gilt die 2004 verabschiedete Fassung des Adoptionsgesetzes, das Verwandten das Vorrecht für die Erziehung eines Kindes gewährt. Das hei‎ßt, dass ein Kind erst dann zur Adoption freigegeben wird, wenn man die Verwandten bis zum vierten Grad ausfindig gemacht hat und diese die Fürsorge des Kindes ablehnen. Die komplizierte Suche nach den Familienangehörigen ist nur eine der Ursachen für die mühsamen Adoptionen. In vielen Fällen seien die Adoptionen praktisch zum Scheitern verurteilt, räumt die Vorsitzende der Landesbehörde für Kinderschutz und Adoption, Gabriela Coman, ein.



Die Kinder aus unterschiedlichsten Gemeinschaften und Familien bekommen einen relativ leichten Zugang zum Schutzsystem. Es gibt etwa 5000 Neueinträge jedes Jahr, die Zahl ist über die letzten Jahre relativ konstant geblieben. Und die Kinder bleiben übertrieben lange im Schutzprogramm, was eine Pflegefamilie, eine Einweisung in ein Heim oder staatliche Fürsorge bedeutet. Im Schnitt verbringen sie sechseinhalb Jahre im System. Die Adoptionsstatistik zeigt eine sehr gro‎ße Differenz auf, zwischen der Anzahl der Kinder, die zur Adoption freigegeben wurden, und die Anzahl der Kinder, die tatsächlich adoptiert werden. Es gibt auch eine Differenz zwischen der Anzahl der Familien, die über ein Eignungszeugnis verfügen, und der Anzahl der tatsächlich adoptierten Kinder. Zusätzlich wollen die meisten Familien Kinder im möglichst jungen Alter adoptieren. 85% wollen ein Kind adoptieren, das höchstens sechs Jahre alt und klinisch gesund ist. Im System sind aber eigentlich weniger Kinder, die diese Kriterien erfüllen, die Anzahl dieser Kinder liegt unter der Anzahl der Anfragen.“




Das Adoptionsgesetz ist bereits mehrmals abgeändert worden, unlängst wurden die Zivilgesellschaft und die UNICEF-Filiale in den Novellierungsprozess eingebunden. Sandie Blanchet, die UNICEF-Vertreterin in Bukarest begrü‎ßt die Neuerungen.



Das haben auch die Behörden in Rumänien bereits eingeräumt: Das Adoptionsverfahren ist zu langsam. Es dauert im Schnitt 15 Monate. Mit der Novellierung des Gesetzes ist eine erhebliche Reduzierung dieser Dauer vorgesehen. Wir begrü‎ßen au‎ßerdem die Einführung des Sonderurlaubs von bis zu einem Jahr für ein adoptierendes Elternteil. Die entsprechende Person wird auch ein Kindergeld in Höhe von umgerechnet 380 Euro bekommen. Und schlie‎ßlich möchte ich betonen, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn es um das Erreichen bestimmter Ziele geht. Das Ziel der Kürzung des Adoptionsverfahrens bedeutet nicht, dass alle Adoptionen in diesem zeitlichen Rahmen abgeschlossen sein müssen. Das ist nicht die Absicht. Die Absicht ist es, dass sich für das Kind etwas zum Guten ändert, dass für das Kind eine passende Familie gefunden wird.“




Eine weitere Veränderung sieht eine knappere Frist für die Identifizierung der Verwandten und die Integration in die erweiterte Familie. Statt einem Jahr soll dieses Zeitfenster nur noch sechs Monate betragen. Darüber hinaus soll die Zwei-Jahres-Frist für die Gültigkeit der Adoptionsfreigabe abgeschafft werden. Die Freigabe soll infolge eines gerichtlichen Urteils in Zukunft so lange gültig bleiben, bis die Adoption abgeschlossen oder das betreffende Kind 14 Jahre alt geworden ist. Danach hat das Kind im eigenen Adoptionsverfahren auch ein Wort zu sagen. Ferner wird die Gültigkeitsdauer des Eignungszeugnisses für Adoptiveltern von einem auf zwei Jahre verlängert.



Überhaupt ist die emotionale Achterbahnfahrt der potentiellen Adoptiveltern die dramatische Kehrseite der Adoptionen in Rumänien, erklärt Nicoleta Cristea Brunel. Sie ist eine in Frankreich lebende Rumänin, die für die Adoption eines Kindes in die Heimat zurückkehrte. Ihr Versuch scheiterte allerdings.



Was im rumänischen Kinderschutzprogramm passiert, ist ein stiller Genozid. Das System erfasst rund 60.000 Kinder, die kein erfülltes Leben in einer richtigen Familie finden können, weil für die meisten von ihnen das Adoptionsverfahren nicht abgeschlossen wird. Das ist so frustrierend, so schmerzvoll… Als potentielle Adoptivmutter war ich nicht imstande, ein Kinderheim zu besuchen, denn ich hätte dann am liebsten alle mit nach Hause genommen. Aber das war unmöglich, und zwar nicht nur deswegen, weil es unmöglich gewesen wäre, 60.000 Kinder aufzuziehen, sondern weil mir nicht einmal das Recht gewährt wurde, ein einziges davon zu adoptieren. Trotzdem habe ich alles getan, was ich tun konnte. Ich habe Verfahren in die Wege geleitet, die teilweise kafkaesk waren, und alles, was wir erreichen konnten, war die Ausstellung des berühmten Eignungszeugnisses für die Adoption. Und das war’s auch schon. Das ganze Verfahren, das mit der Adoption eines Kindes in Rumänien enden sollte, beschränkte sich auf dieses Stück Papier. Das Papier lag bei mir auf dem Schreibtisch, und ein Jahr lang bin ich bei jedem unbekannten Anrufer aufgesprungen, weil ich dachte, ich würde für die Sichtung eines Kindes vorgeladen. Aber dieser Anruf kam nie. Es wurde für mich kein Kind gefunden, wobei in Rumänien im Schnitt jeden Tag vier Neugeborene in den Geburtskliniken zurückgelassen werden.“




In der Zwischenzeit hat Nicoleta Cristea Brunel infolge einer künstlichen Befruchtung ein Mädchen zur Welt gebracht. Sie gründete den Verband SoS. Infertilitatea“ (SoS.Unfruchtbarkeit)“, der für sich für die Rechte der Frauen einsetzt, die entweder ein Kind adoptieren oder eine In-vitro-Fertilisation wollen. Weil sie die Verwicklungen der rumänischen Bürokratie nur allzu gut kenne, stehe sie der Erneuerung des Adoptionsgesetzes mit Vorsicht gegenüber, sagt Cristea Brunei.



Ich glaube, dass man diese Änderungen begrü‎ßen kann, vor allem die Regelung des Urlaubs für Adoptiveltern. Von Haus aus waren die meisten Adoptivkinder älter als zwei Jahre und, auch wenn es unglaubwürdig klingt, hatten die Eltern nicht mal einen Tag Urlaub. Das Kind wurde von der Pflegefamilie in Empfang genommen und dann wurde es wiederum in die Obhut des Kindermädchens oder der Gro‎ßmutter gegeben, damit man selbst zur Arbeit gehen konnte. Das Gesetz nahm keine Rücksicht auf die Angewöhnungszeit. Die anderen Änderungen sind auch zu begrü‎ßen, aber ich will sie auch umgesetzt sehen. Ich habe sehr viele gute Dinge auf Papier gesehen. Auf Papier steht ja auch geschrieben, dass richterliche Beschlüsse in Adoptionsverfahren mit Zügigkeit innerhalb von höchstens 10 Tagen zur Anwendung kommen, aber in Wirklichkeit passiert das nicht.“




Vor kurzem hat die Abgeordnetenkammer den neuen Entwurf zum Adoptionsgesetz gebilligt. Jetzt hat nur noch der rumänische Präsident das Gesetz zu unterzeichnen und der Text muss im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die Regelungen in Kraft treten.

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