Waldschutz mit smarter Technologie: Screaming Trees
Statistiken zufolge werden in Rumänien jedes Jahr 38 Millionen Kubikmeter Holz gefällt, um 20 Millionen mehr als erlaubt. Um die Plünderung der Wälder zu stoppen, startete eine rumänische Umweltorganisation ein zukunftsorientiertes Projekt.
Ana-Maria Cononovici, 05.03.2019, 17:30
Das Projekt ist zwar erst in der Testphase, doch lässt es schon die Bäume in einem Wald im Kreis Covasna um Hilfe schreien, wenn eine Kettensäge hörbar wird. Schon beim ersten Kreischen der Kettensäge fangen die Bäume an zu schreien. Sie rufen nach Hilfe. Nein, das ist kein Science-Fiction-Szenario. Es ist eine neue Technologie, die in Rumänien eingesetzt wird. Screaming Trees — so heißt das Pilotprojekt, das seit Mai 2017 in einem Wald im Landkreis Covasna umgesetzt wird. Rumänien war demnach das erste Land, in dem die vom amerikanischen Start-Up Rainforest Connection erfundene Technologie Anwendung fand. Die rumänische Organisation Agent Green“, mit dem das US-Unternehmen zusammengearbeitet hat, trug zur Umsetzung des Projekts in Rumänien bei. Mehr dazu von Gabriel Păun, dem Urheber des Projekts und Leiter der NGO Agent Green:
Anlass zum Projekt war allein die Tatsache, dass in Rumänien illegal abgeholzt wird. Leider sind wir deshalb eines der Länder weltweit, in dem der Wald bewacht werden muss. Nichts Neues bis hier. Das einzig Neue ist, wir versuchen innovative Lösungen für dieses Problem zu finden. Lösungen, die keine allzu komplizierte Technologie voraussetzen.“
Wir lernten den Biologen und Umweltfreund Gabriel Păun vor knapp 3 Jahren kennen. Damals hatte er den Preis Euronatur 2016“ gewonnen. Es war die Anerkennung seiner Bemühungen um den Schutz der Wälder. Obwohl der Preis nicht mit Geld ausgestattet war, stellte er die Anerkennung seines Kampfs zur Erhaltung der Natur dar. Mit dem gleichen Preis wurden zuvor Prinz Charles, Nelson Mandela und sogar Gorbatschow ausgezeichnet. Gabriel Păun leitete Kampagnen zum Schutz der Tiere und der Natur sowohl im In- wie auch im Ausland:
Ich bin ein schüchterner Mensch. Ich musste aber meine Stimme laut werden lassen. Ich wies auf Bedürfnisse hin, die nicht meine waren, sondern jene der Umwelt. Die Natur ist unser aller Lebensraum. Deshalb musste ich mich hörbar machen.“
Kongo, Indonesien und Rumänien sind Staaten, in denen die Technologie Screaming trees“ für den Schutz der Wälder notwendig ist. Gabriel Păun weiß, wie es dazu kam:
Wir sind das erste Land mit gemäßigtem Klima, in dem die Technologie Anwendung findet. Bislang wurde sie von unseren Partnern von Rain Forrest Connection nur in Regenwäldern getestet, im Amazonas, Kongo oder Indonesien, also in Staaten, wo viel geraubt wird. Dort gibt es große Schwierigkeiten mit der Erhaltung der letzten Urwälder. Das gleiche gilt auch bei uns in Rumänien. Dort war es allerdings etwas leichter, weil nur der Regen Schwierigkeiten verursachte. In Rumänien muss man allerdings auch mit der Kälte rechnen.“
Doch worin besteht diese Technologie? Es ist ganz einfach. In den Bäumen wurden Smartphones installiert, welche dem Wald eine Stimme verleihen. Die Smartphones nehmen das Geräusch der Kettensägen wahr und lösen einen Alarm aus. Sie reagieren auch auf Schüsse oder auf das Geräusch schwerer Maschinen. Das Alarmsystem überlebte den ersten rumänischen Winter problemlos, so Gabriel Păun:
Wir haben zusammen mit einem Ingenieursteam in den USA zusammengearbeitet, um eine Technologie zu entwickeln, die auf den ersten Blick ganz unkompliziert scheint. Doch sie ist gar nicht so einfach. Wir haben tatsächlich gebrauchte Smartphones verwendet und versucht, diese so hoch wie möglich in den Bäumen zu installieren. Denn in einer größeren Höhe ist auch der Empfang besser. Wir brauchten auch das Sonnenlicht, für die Akkus. Wir wollten nämlich, dass die Akkus ständig geladen sind, im Laufe des ganzen Jahres. Die Einrichtungen sind mit zusätzlichen Akustikverstärker und Antennen ausgestattet, um so viel Signal wie möglich zu empfangen. In der Tat handelt es sich lediglich um einige Terminale. Dahinter steckt ein Programm, das vom US-Team in Kalifornien entwickelt wurde. Die Software ermöglicht den Empfang, die Wahrnehmung bestimmter Geräusche, für die die Einrichtung im Voraus eingestellt wurde. Ein Terminal deckt eine Oberfläche von einem Quadratkilometer ab. Eine beträchtlich große Oberfläche für eine so kleine Einrichtung!“
Derzeit werden zigfach Screaming-Trees-Geräte in zwei Wäldern im Kreis Covasna getestet. Das Projekt konnte dank der Spenden großherziger Leute umgesetzt werden, denen die Umwelt etwas bedeutet. Mehrere Freiwillige brachten sich ebenfalls ein. Im Moment gibt es einen freiwilligen Zuständigen für jeden Wald. Er empfängt die Alarmsignale und versucht, die gesetzwidrigen Handlungen zu stoppen. Dazu Gabriel Păun von der Umweltorganisation Agent Green“:
Wir haben eine Vertrauensperson vor Ort, einen Einheimischen. Sobald ein Alarm ausgelöst wird, geht er zum angezeigten Ort. Er versucht, jegliche Auseinandersetzungen mit den Dieben zu vermeiden. Diese wiederum sind sehr überrascht, sie verstehen nicht, wieso sie unser Ranger erwischte. Es geht hauptsächlich um Prävention, das ist der Hauptvorteil des Projekts. Es wird einem Verbrechen gegen den Wald oder gegen das Wildleben vorgebeugt. Das ist großartig an unserem Vorhaben. Mit einer so einfachen Technologie können Verbrechen vermieden werden.“
Je nach den Mitteln, die das Projekt erhalten wird, soll es auch auf andere Wälder ausgeweitet werden. Darüber hinaus wird eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden gesucht, sagt Gabriel Păun:
In einem nächsten Schritt wollen wir ein Zusammenarbeitsprotokoll mit dem Umweltministerium sowie mit der Umweltbehörde und dem Forstamt abschließen. Wir hoffen, so viele Mittel zusammenzubekommen, dass wir imstande sind, alle Urwälder in Rumänien mit dieser Technologie auszustatten. Es ist wichtig, die Wälder, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, alle Schutzgebiete, Naturparks, Reservate zusätzlich in Schutz zu nehmen. Dort sollte niemals eine Kettensäge hörbar werden.“
Laut Angaben der NGO Agent Green“ werden in Rumänien alljährlich 38 Millionen Kubikmeter Holz gefällt, um 20 Millionen mehr als erlaubt.