Städtische Happenings: Das Fotoprojekt „Urban Swan“
Hinfällige Säulen entlang einer verwucherten Allee, daneben ein fließendes Gewässer und... die zierliche Präsenz einer Ballerina, eines weißen Schwans.
Ana-Maria Cononovici, 15.12.2016, 17:30
Hinfällige Säulen entlang einer verwucherten Allee, daneben ein fließendes Gewässer und… die zierliche Präsenz einer Ballerina, eines weißen Schwans. Die gleiche weiße Schwanballerina im Gedanken versunken auf den Alleen eines bekannten Bukarester Parks. Oder ein schwarzer Schwan, der plötzlich auf eine stets stark befahrene Straße schnellt. Und viele andere Bilder. Das ist zusammengefasst das Foto-Projekt Urban Swan bzw. Der Stadtschwan des Fotografen Andrei Mihai Cristian. Was hat es mit dem abgebildeten Schwanenkind in den unterschiedlichsten Stadien auf sich? Projektautor und Fotograf Andrei Mihai Cristian erklärt.
Dieses Projekt hat das Internet erobert, was mich am meisten freut, ist jedoch, dass es die Menschen in ihrem Herzen berührt hat. Das Projekt heißt Urban Swan oder der Stadtschwan und ist vom Konzept des Erfolgs ausgegangen. Ziel war es, die Erfolgsidee darzustellen und gleichzeitig einen Aufruf an die Leute zu starten, eine Person zu analysieren, bevor man sie kritisiert. Sehr viele Menschen, die erfolgreich sind, legen beeindruckende Anstrengungen an den Tag, die wir überhaupt nicht wahrnehmen. Wir bewundern, kritisieren, weil uns der Schein treibt, aber alles ist nur eine Hülle. Diese Idee wollte ich durch meine Fotos beleuchten und so habe ich das Urban-Swan-Projekt gestartet. Weil die Ballerina für Grazie steht, für die Sublimität, und die Straßen der Hauptstadt, wo dieses Projekt realisiert wurde, Alltag bedeuten, das heißt die mühsamen Stunden der Arbeit, die man in den Erfolg investiert. Es entsteht dieser starke Kontrast und deshalb wollte ich, dass alles in diesem Widerspruch steht. Die Gegensätze prägen das Projekt, die entgegensetzten Farben, die entgegengesetzten Jahreszeiten. Es besteht aus drei Teilen. Black, White und der Anfang. Und die Protagonistinnen sind zwei Ballerinen: Eine steht kurz vor Ende ihrer Karriere und die andere erst am Anfang.“
Andrei Mihai Cristian sprach auch über die Ballerinen, die die Hauptrolle in seinem Projekt spielten:
Die ersten zwei Teile, White und Black, wurden gemeinsam mit Anamaria realisiert. Sie kannte ich seit einiger Zeit und ich wusste, dass sie eine Ballerina ist. Da wollte ich ihr erzählen, was ich tun will. Und sie akzeptierte, ohne mit einer Wimper zu zucken. Gemeinsam haben wir dann dieses Szenario geschaffen und die Orte ausgewählt, unsere Fotoobjekte in Bukarest. Ich kann mich noch erinnern, dass wir den ersten Teil im Winter gemacht haben, draußen war eine klirrende Kälte, und sie trug nur einen schwarzen, durchsichtigen Body und führte künstlerische Bewegungen vor den Augen der Passanten aus. Die Leute hielten an, um sie zu bewundern, und waren dick angezogen. Auch meine Hände waren auf dem Fotoapparat gefroren, aber ihr Ehrgeiz motivierte mich, mir das weiter anzuschauen und jeden Moment mit der Kamera festzuhalten. Fünf Monate später machten wir auch den zweiten Teil, diesmal in einer unerträglichen Hitze. Am gleichen Ort, mit der gleichen Begeisterung unsererseits, aber alles war jetzt der Gegensatz.“
Und das Projekt schien abgeschlossen. Aber wenn die Musen nicht schlafen, fließt der Gedankenstrom weiter, erzählt der Fotograf.
Nachdem diese zwei Teile fertig waren und wir sie auf eine Ideenplattform hochgeladen hatten, wurden sie zum Viral. Das hat mich sehr gefreut. Und da habe ich geglaubt, dem Projekt mit den zwei Teilen ein Ende setzen zu müssen. Aber eine Kollegin fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, ein äußerst ausdrucksstarkes Mädchen zu fotografieren, die seit ihrem fünften Lebensjahr Ballett praktiziert. Und da hat es mich durchleuchtet und ich wusste, dass ein Kind mit seiner Unschuld die Grundidee des Projekts noch besser beleuchten kann. Die Kontraste zwischen der Stadt, die die schweren, mühsamen Arbeitsstunden bedeutet, und dem Erfolg, der Selbstverwirklichung. So ist dann der dritte Part entstanden, »Die Anfänge« ist dessen Titel.“
Und weil das Projekt die Idee von der Arbeit für den Erfolg als Ausgangspunkt hatte, würden die ausgewählten Ballerinen unterschiedliche Etappen der beruflichen Entwicklung darstellen. Die Hingabe sei jedoch stets die gleiche, sagt Andrei Mihai Cristian:
Anamaria, die reife Ballerina, hat mit fünf Jahren in rhythmischer Sportgymnastik trainiert, es war eine Freizeitbeschäftigung, die später zum Leistungssport wurde. Sie gewann bis zum Alter von 17 Jahren zahlreiche sportliche Preise im In- und Ausland. Zweimal nahm sie am internationalen Zirkus-Festival in Monte Carlo teil, sie wurde dort mit dem Team mit dem Bronze-Clown ausgezeichnet und hatte eine schöne Karriere in der Branche. Und die zweite Ballerina, die kleine Anca Berteanu, steht am Anfang ihrer Karriere. Sie begann das Ballett ebenfalls mit fünf und hat alle Chancen, zu einem Star zu werden. Ich glaube fest an sie. Sie hat eher mit ihrer Unschuld dem Projekt einen unerwarteten Mehrwert gegeben.“
Und auch wenn Andrei Mihai Cristian das Projekt startete, weil er spürte, der Welt etwas sagen zu müssen, ohne eine Anerkennung zu suchen, ist er doch stolz auf die Berichterstattung in den internationalen Medien.
Während die ersten beiden Teile relativ bekannt waren, gab es nach Veröffentlichung des dritten Kapitels eine regelrechte Explosion. Aufgrund dieses Teils hat es das Projekt bis nach New York geschafft, in die Huffington Post und viele andere Publikationen, was mich riesig gefreut hat.“
Es werden gewiss viele andere Foto-Projekte des Künstlers folgen. Hervorgehoben sei an dieser Stelle nur eines, dessen Protagonistin erneut die kleine Schwanballerina Anca Berteanu ist, die den Anfang darstellt. Dreaming on the Dance Flour“ heißt das Projekt, das sich offenbar einer ebenso großen Anerkennung freut wie das erste.