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Seneca Anticafé: Zeit ist Geld

Ein Bukarester Kaffeehaus, das keines – zumindest im herkömmlichen Sinne – ist: Es bietet ein Buffet und Zugang zu Ressourcen aller Art, die Kunden bezahlen nur für die Zeit, die sie hier verbringen.

Seneca Anticafé: Zeit ist Geld
Seneca Anticafé: Zeit ist Geld

, 21.07.2016, 17:30

Das rege und dynamische Stadtleben erfordert immer neue Lösungen zur Entspannung. Ein spezielles Kaffeehaus — ein sogenanntes Anticafé –, wo man sich in aller Ruhe zum Arbeiten, für Gespräche oder schlicht zum Entspannen zurückziehen kann, schien in diesem Zusammenhang die richtige Lösung. Zumindest für ein paar Jugendliche, die die Idee auch umsetzten.



Es trägt den Namen eines Stoikers und ist kein Café im herkömmlichen Sinne des Wortes — so lie‎ße sich in etwa der Ort beschreiben, den wir heute erforschen. Und die Beschreibung wird der Atmosphäre gerecht — die Betreiber tauften es Anticafé“, denn es ist ein Ort zum Arbeiten und zugleich zum Entspannen. Im Anticafé fühlt man sich wie zu Hause. Man kann an einem Projekt arbeiten oder für Prüfungen lernen, sich mit Freunden unterhalten oder lesen, an einem Workshop teilnehmen oder selbst einen organisieren. Und all das nur auf Kosten der hier verbrachten Zeit. Victor Alexa, Eventveranstalter, erzählte uns, wie es zu diesem Konzept kam und wie es sich entwickelte:



Seneca Anticafé ist unser zweites Projekt dieser Art: Das erste Projekt war der Verlag Seneca. Damit wollten wir Fragmente aus den Schriften der Stoiker neu veröffentlichen, allerdings in einer interessanteren und für die Leser des 21. Jahrhunderts freundlicheren Form. Das Projekt war ein Erfolg, das Publikum hatte Spa‎ß daran. Demnach entwickelten wir das Seneca Anticafé als eine Art Fortsetzung unseres ursprünglichen Konzeptes. Wir nahmen uns vor, mehrere wertvolle und nützliche Dinge unter der Form von Ressourcen zusammenzubringen. Wir trafen uns, um das Projekt zu besprechen. Als erstes fragten wir einander, ob wir ein solches Café besuchen würden, und falls ja, wie es aussehen sollte. Wir mussten danach entscheiden, was für Aktivitäten im Café stattfinden können, was für Bücher wir anbieten. Alle unsere Besucher waren der Meinung, man fühlt sich hier viel besser als in einem normalen Café. Die Stimmung sei sehr angenehm, hie‎ß es. Wir haben versucht, ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich wie zu Hause fühlt. Es gibt hier Bücher aus verschieden Fachbereichen. Derzeit bieten wir unseren Besuchern die grö‎ßte Sammlung von Ökologiebüchern rumänienweit. Wir haben aber auch viele Philosophiebücher oder Bücher zur Selbstentwicklung. Und das ist nicht alles: Unsere Kunden finden hier praktische Arbeitsmaterialien, Schreibwerkzeuge, verschiedene Ausstattungen. Wir stellen ständig eine Ausstellung vor — es ist ein Umfeld, in dem man jeden Tag neue Bekanntschaften machen, neue Profis kennenlernen kann. Es ist ein Ort, wo man die Zeit genie‎ßen und verwerten kann. Und das entspricht eben unserem Ziel.“




Alles ist umsonst, mit Ausnahme der Zeit. Am Eingang schreibt ein Mitarbeiter die Ankunftszeit fest. Damit die Zeit einfacher vergeht, gibt es hier auch ein Buffet mit Tee, Wasser und Snacks, zu dem der Zugang uneingeschränkt ist. Der Raum ist auch mit einer Mikrowelle ausgestattet — für diejenigen, die sich eine Jause mitbringen und sie aufwärmen möchten. Auch nichtalkoholische Getränke können von Zuhause mitgebracht werden. Menschen aller Altersgruppen seien hier willkommen, verdeutlichte Victor Alexa:



Jedermann ist hier willkommen, nicht nur Rumänisch sprechende Leute. Wir haben Bücher in vielen Sprachen — unter anderem Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch. Teenagers wie Senioren sind in unserem Anticafé willkommen. Für uns war es wichtig, dass jeder, der uns besucht, etwas Nützliches mit seiner Zeit anfängt. Bei uns wird nur die vor Ort verbrachte Zeit in Rechnung gestellt — wir verlangen nämlich 8 Lei (knapp 2 Euro) pro Stunde. Dafür stellen wir verschiedene Ressourcen zur Verfügung. Nun hängt es von jedem einzelnen ab, die Zeit so gut wie möglich zu verwerten. Wir hoffen, unsere Gäste werden verstehen, wie wertvoll ihre Zeit ist, doch der ultimative Mehrwert hängt nur von ihnen ab.“




Die Besucher haben Zugang zu Arbeitstischen, verschiedenen Spielen, Büchern und Internet. Beim Verlassen des Anticafés haben sie lediglich für die hier verbrachte Zeit zu zahlen. Nebenbei sei angemerkt, dass nur die ersten 5 Stunden bezahlt werden, danach ist die hier verbrachte Zeit frei. Was die Gestaltung des Raums betrifft, verriet Victor Alexa Folgendes:



Der Raum ist gro‎ß und freundlich und in mehreren Sektionen eingeteilt. Es ist ein Freiraum — die unterschiedlichen Teilräume sind nicht physisch voneinander abgetrennt, aber klar gekennzeichnet durch die unterschiedlichen Ressourcen, die im betreffenden Raumabschnitt bereitgestellt werden. In einem Raumabschnitt wird mehr gearbeitet, ein anderer Raumteil beherbergt die Bibliothek und die Buchhandlung — da wird mehr gelesen. Und es gibt noch einen abgetrennten Raum, der wie ein echtes Café aussieht — dort ist der richtige Platz für Begegnungen und Gespräche.“




Ein ideales Umfeld, um effizient zu arbeiten — das bietet das Anticafé Seneca. Ein ruhiger Raum, Hochgeschwindigkeits-Internet, Tische und Stühle, Tischlampen, Steckdosen, Drucker, Scanner, Overhead-Projektor, Fachbücher und –zeitschriften. Brauchen Sie für Ihr Projekt spezielle Materialien, so sind die Mitarbeiter des Anticafés bereit, sie Ihnen zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen sie nur im Voraus per E-Mail darauf hinzuweisen. Dazu können die hier veranstalteten Events das Interesse der Teilnehmer für verschiedene Bereiche wecken. Victor Alexa erzählte, im Anticafé werden Ausstellungen, Konferenzen und Workshops veranstaltet oder es werden Gäste eingeladen, die etwas zu sagen haben. Wenn Sie Ihre Kenntnisse mit anderen teilen, einen eigenen Workshop organisieren oder ein Projekt vorstellen möchten, so sind Sie hier am richtigen Ort.



Letztes Jahr fanden hier Workshops für Kinder statt. Auch andere Bereiche wie Philosophie oder Film wurden im Rahmen verschiedener Veranstaltungen angesprochen. Es gab auch Filmprojektionen. Grundsätzlich versuchen wir den gleichen Weg, den wir letztes Jahr einschlugen, weiterzugehen. Unsere Schwerpunkte sind Philosophie, Selbstentwicklung, Umweltschutz. Wir organisieren Filmabende sowie Diskussionsrunden.“




Die Kunst des Zuhörens“, Über Mitleid“, Emil Cioran und Mircea Eliade. Einflüsse in der mexikanischen Kultur“ — das sind nur ein paar Themen, die vergangenes Jahr im Seneca Anticafé zur Diskussion gestellt wurden. Ein Ort, in dem das Streben nach mehr Wissen gefördert wird. Wo Alkoholverzehr, Rauchen, Glücksspiele und eine umgangssprachliche beleidigende Sprechweise verboten sind.

foto: facebook.com/sapunulcheia/
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