Reenactments: Historische Festspiele im Bukarester Umland
Die historischen Spiele an den Toren der Stadt Bukarest brachten Anfang November den Besuchern die Geschichte des rumänischen Volkes näher. Zum Programm gehörten Nachstellungen von historischen Ereignissen, Bogenschießen, mittelalterlicher Reitunterricht.
Ana-Maria Cononovici, 20.11.2018, 17:30
Wir wünschen uns, dass die Kinder heutzutage nicht nur Batman und Superman miteinander spielen, sondern auch Mihai Viteazul (dt. Michael der Tapfere) und Vlad Ţepeş (dt. Vlad der Pfähler)“. Das ist das Anliegen der Veranstalter der Historischen Festspiele an den Toren von Bukarest. Das Historische Festival fand am ersten Wochenende im November statt. Die Besucher hatten dabei die Möglichkeit, an vielfältigen Aktivitäten teilzunehmen: praktische Workshops, mittelalterlicher Reitunterricht, Bogenschießen, Handhabung des Schwerts. Darüber hinaus konnten die Gäste traditionell zubereitete Köstlichkeiten probieren. Zudem begeisterten Kunsthandwerker die Besucher mit ihren Fertigkeiten. Die Festspiele fanden im Park beim Mogoşoaia-Schloss statt. Das Schloss Mogoşoaia liegt etwa 15 Km nordwestlich von Bukarest entfernt. Der walachische Fürst Constantin Brâncoveanu ließ das Schloss im Zeitraum 1698–1702 errichten.
Wir tauchten unsererseits in die Geschichte ein, um die mittelalterliche Lebensweise, die im Schloss nachgestellt wurde, selbst zu experimentieren. Wir unterhielten uns mit Răzvan Popescu, einer der Moderatoren der Veranstaltung. Er war den Umständen entsprechend angekleidet — mit Pelzmantel und Bojarenhut. Răzvan Popescu sagte uns, wohin uns unsere Zeitreise gebracht hatte:
Wir sind im Schloss Mogoşoaia, irgendwann im Mittelalter. Der genaue Zeitpunkt ist Ihrer Phantasie überlassen. Etwas später werden wir eine Pfählung erleben. Es wird eine Premiere sein — der erste Mensch in der Geschichte, der gepfählt wird und dabei nicht stirbt. Das wird hier in Mogoşoaia geschehen.“
Die Besucher hatten die Gelegenheit, sich mehrmals die Wachablösung am Schloss anzuschauen. Die Wächter der Burg Neamţu’ verließen zeitweilig ihre Region, Ţinutul Zimbrului (dt. das Auerochsenland), um sich an den Historischen Festspielen an den Toren der Stadt Bukarest zu beteiligen. Die vom Pfarrer Filip geleiteten jungen Wächter waren die Ehrengäste des Festivals. Ihre Uniform, die Waffen, mit denen sie ausgerüstet waren, sowie ihre Kampftechnik boten einen Einblick in die Lebensweise und die Traditionen von früher. Die Kinder konnten mit dem Bogen schießen oder verschiedene mittelalterliche Wappenelemente herstellen. Musik und gute Laune gingen Hand in Hand. Răzvan Popescu lieferte uns mehr Einzelheiten zum Programm des ersten Abends:
Eine Band aus Weißrussland spielte mittelalterliche Musik. Es sind sehr nachgefragte Künstler. Zahlreiche spannende Aktivitäten können hier erlebt werden — Zirkusdemonstrationen, historische Nachstellungen. Es folgten die Dudelsackspieler aus Siebenbürgen. Der Staatszirkus in Bukarest brachte eine spektakuläre Show. Es folgten die Weißen Wölfe (rum. Lupii Albi) mit ihrer Dracula-Show — die historische Nachstellung, die ich früher erwähnt hatte.“
Dracula — die Rückkehr“ — so hieß die Nachstellung, die vom Kulturverein Lupii Albi organisiert wurde. Der Kulturverein verfolgt klare Ziele, unter anderem die Bewahrung, Konservierung und Förderung der Geschichte sowie nationaler Werte durch das Nachstellen historischer Ereignisse, die uns als Volk definiert haben. Schauspieler und Sensationsdarsteller bündelten ihre Kräfte im Rahmen des Vereins. Sie nahmen sich vor, die Geschichte wiederaufzuführen und sie in dieser Form dem Publikum näher zu bringen, so Bogdan Jianu, Schauspieler und Stuntman, Mitbegründer des Projekts:
»Lupii Albi« stellt historische Ereignisse nach. Es war eine selbstverständliche Entwicklung der Tätigkeit unseres Vereins. Gott nahm uns an die Hand und zeigte uns den Weg: das Nachspielen historischer Ereignisse. Daher fühlen wir uns verpflichtet, jedes Drehbuch historisch zu dokumentieren. Mittlerweile arbeiten auch Geschichtelehrer mit uns zusammen, sowie Sachverständige vom Militärmuseum. Selbstverständlich bereichern wir die historischen Ereignisse um eine dramatische Dimension, wir peppen sie ein bisschen auf. Wir wollen letztendlich eine Show abziehen. Im Hintergrund stehen allerdings die historischen Ereignisse. Die Aufführung ist sehr unterhaltsam und adrenalinreich. Denn alle Kunststücke werden direkt vor den Augen der Zuschauer dargeboten. Das Publikum erlebt Explosionen, es sieht brennende Menschen, Pferde, die umfallen. Es ist spannend!“
Der Kulturverein Lupii Albi“ inszeniert derartige Aufführungen seit 2013. Sie bringen in den Vordergrund verschiedene Persönlichkeiten aus der Geschichte Rumäniens, die nicht in Vergessenheit geraten sollen, und regen die Kinder zum interaktiven Lernen auf. Wo immer sie eine Aufführung darbieten, finden die Vereinsmitglieder Freiwillige und Kinder, die gerne mitmachen.
Auch die Handwerker hatten die Möglichkeit, ihr Handwerk im Rahmen der Festspiele vorzustellen. Schmiede, Kesselflicker, Zigeunerinnen, die authentische Trachten vorstellten, Holzschnitzer, Näherinnen — alle stellten ihr Handwerk vor. Ion Rodoş aus der Ortschaft Nucşoara de Argeş ist Holzschnitzer. Er gab uns mehrere Informationen zu seiner Ware:
Geschnitzte Holzlöffel — mit Motiven aus der Geschichte, aus Märchen, aus der Tier- und Pflanzenwelt. Es sind sehr alte, herkömmliche Motive, die ich aus Museen übernommen habe. Wie Sie feststellen können, habe ich hier auch eine Replik der Endlosen Säule von Brâncuşi. Oder den Auerhahn von Nucşoara — das ist ein persönliches Kunstwerk. Der Auerhahn ist das Symbol unserer Gemeinde. Ich habe auch Holzanhänger, geschnitzt in Pflaumenbaum und Nussbaum. Und den dakischen Wolf als Brosche. Und Edelweißblumen, die ich in Tannenbaum schnitze. Ich biete auch Kreisel an, wie die, mit denen ich als Kind spielte. Ich habe auch einige Flöten geschnitzt.“
Die leckeren traditionellen Speisen und die hausgemachten Getränke ergänzten das Angebot am Wochenende im Schloss Mogoşoaia.