Oldtimer: Der Dion Bouton in Galatz
Eine unbedeckte Karosserie, aus Eschenholz. Räder mit Bremstrommel, Felgen und Speichen, ausgestattet mit 20-Zoll-Reifen, die von den Kotflügeln aus Eschenholz geschützt sind. Das Fahrgestell besteht aus Stahlrohren.
Ana-Maria Cononovici, 05.03.2015, 17:38
Seit gut einem halben Jahrhundert kann der Dion Bouton im Geschichtsmuseum von Galatz, im sogenannten Cuza-Haus, bewundert werden. Das Automobil hat drei Gänge für den Vorwärtsgang und einen Rückwärtsgang. Gestartet wird es mit Hilfe einer Kurbel und das Lichtsystem besteht aus zwei Scheinwerfern mit Flamme, die mit dem von einem Generator stammenden Acetylen erzeugt wird. Das Ausstellungsstück ist in einem exzellenten Zustand und funktioniert einwandfrei. Der Leiter des Geschichtsmuseums in Galatz, Professor Cristian Căldăraru, weiß ganz genau, wie das Automobil in die Sammlung seines Hauses aufgenommen wurde:
Wir gehören zu den seltenen Besitzern eines Urgroßvaters des Automobils in Rumänien. Es geht um den De Dion Bouton, der 1956 in den Besitz des Geschichtsmuseums überging. Seine Geschichte ist sehr interessant: Er gehörte Nicu Cincu, der während der Zwischenkriegszeit auch Vizepräsident des Kreisrates Covurlui war. Nicu Cincu hatte das Automobil 1899 gekauft und es bis 1927 genutzt. 1927 verkaufte er es einem Werftmeister in Galatz, der es bis 1956 behalten sollte. Danach brauchte der Mann wahrscheinlich Geld und setzte sich mit dem damaligen Museumsdirektor, Professor Grigoriu, in Verbindung. Dieser ging auf das Geschäft ein, ein derartiges Angebot hätte man auch nicht ablehnen können. Also kaufte das Museum das Automobil im Jahr 1956 für die für damalige Verhältnisse beträchtliche Summe von 2000 lei.“
Welche ist aber die Geschichte des Modells Dion Bouton, wollten wir von Cristian Căldăraru wissen:
Im Jahr 1883, also an den Anfängen des Automobils, baute der Markgraf Albert De Dion gemeinsam mit zwei Mechanikern aus Paris, Georges Bouton und Trepardoux, ein vierrädriges Automobil, das mit Dampf betrieben wurde. So nahm die Geschichte des Automobils De Dion Bouton ihren Lauf. 1885 wurde ein weiteres Modell in die Welt gesetzt, mit einer Karosserie vom Typ Phaeton, mit vier Sitzen. Dieses Automobil war mit einem Dampfmotor mit einer Leistung von 5 PS ausgestattet und für damalige Verhältnisse hatte es eine recht hohe Geschwindigkeit, 30 Km/h. Einige Jahre später, 1893, wurden die Verbrennungsmotoren entwickelt, die mit einem Funken gezündet wurden. Und hier sieht man, dass Albert De Dion und Georges Bouton sich diesem technischen Fortschritt verschrieben und sich fortan auf den Bau eines Automobils mit Verbrennungsmotor konzentriert haben. Das Geschichtsmuseum hat dieses 1898 gebaute Automobil in seinem Besitz, es ist eine Ableitung von dem Dreirad-Modell aus dem Jahr 1895, die auch einen starken kommerziellen Erfolg landete. Insgesamt wurden knapp 22.000 Exemplare hergestellt. Auf der ganzen Welt gibt es heute nur noch drei davon, jeweils ein Exemplar in England und Kanada.
Die Automobile der Baureihe Dion Bouton“ waren Vorläufer der allradangetriebenen Modelle unserer Tage. Die Hinterräder wurden durch den Dampfmotor angetrieben und übertrugen die Energie mit Hilfe eines Riemens an die Vorderräder. Das 1884 gebaute Modell erreichte eine Geschwindigkeit von 30 Km/h. 1887 gewann der Mechaniker Georges Bouton damit die erste Autorallye Frankreichs, die von dem Magazin Vélocipède“ organisiert worden war. Dabei erreichte er eine Spitzengeschwindigkeit von 60 Km/h.
Das Ausstellungsstück aus Galatz wurde in den 1980er Jahren in den Stahlwerken der Stadt restauriert. Sein derzeitiger Wert wird auf über 800.000 Euro geschätzt, die Japaner von Toyota sollen fast doppelt soviel angeboten haben. Sie wollten das Automobil unter einer Glasglocke vor dem Unternehmenssitz aufstellen. Und weil das Automobil aus dem Cuza-Haus in diesem Teil der Welt einzigartig ist, wurde es vor zwei Jahren vom Bukarester Nationalen Museum der Geschichte neben anderen Oldtimern im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert.
Zurzeit gibt es in Rumänien neben dem Dion Bouton noch zwei weitere Oldtimer, die fahrtüchtig sind: ein Ford T aus dem Jahr 1914 und ein Automobil der Marke Ego aus dem Jahr 1924. Der Ford gehört einem Sammler aus Galatz, die fehlenden Originalteile wurden aus den USA gekauft. Das Museum Gheorghe Petraşcu“ in Tecuci beherbergt den in Deutschland hergestellten Ego. Dieses Modell hat 14 PS, vier Sitze, ist ein Cabrio und verfügt über einen 4-Zylinder-Motor. Das Automobil aus Tecuci war auch in Nae Caramfils Film Der Rest ist Schweigen“ zu sehen.
Abschließend fragten wir Cristian Căldăraru, ob diese Oldtimer vielleicht nicht irgendwann im Rahmen einer landesweiten Karawane zu sehen sein könnten.
Ein derartiges Projekt wollen wir in diesem Jahr veranstalten, gemeinsam mit dem Geschichtsmuseum in Tecuci, denn sie haben diesen Ford aus dem Jahr 1925. Unser Exponat bedarf einer Revision am Motor und dann könnte es eine festgelegte Strecke hinterlegen, wir dachten an einige Großstädte. Sicherlich wird das Auto nur in den Städten fahren und nicht auch auf den Landstraßen. Die Höchstgeschwindigkeit, die es erreichen kann, beträgt 25 Km/h. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass damals Automobile mit Pferdekutschen auf denselben Straßen fuhren, eine Kutsche mit vier oder sechs Pferden konnte dieses Auto leicht überholen.“
Bis das Projekt umgesetzt wird, kann lediglich der Ford T auf den Straßen von Galatz manchmal gesichtet werden. Aber das nur in der Nacht, denn sein Besitzer fürchtet sich vor dem Verkehr tagsüber. Sein Auto könnte nämlich die Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer stören.