Nacht der Ideen: Kulturinstitutionen und Umweltschützer tauschen sich aus
Das französische Institut in Paris lädt jedes Jahr Ende Januar kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen in Frankreich und auf allen Kontinenten ein, um gemeinsam den freien Gedankenaustausch zu feiern.
Ana-Maria Cononovici, 20.02.2020, 17:30
Das französische Institut in Paris organisiert alljährlich eine Nacht der Ideen“, um die Ausdrucksfreiheit und den freien Gedankenaustausch zu fördern. Rumänien trat der Veranstaltung bei und organisierte aus diesem Anlass durch das örtliche Französische Institut Debatten, Ausstellungen und Workshops in mehreren Städten landesweit (in Bukarest, Klausenburg, Jassy und Temeswar). Die französische Allianz in Ploieşti beteiligte sich auch an einer Reihe von Aussprachen und Workshops. Die Veranstaltung brachte dieses Jahr das Konzept être vivant“ in den Vordergrund. Bei diesen Stichworten haben wir es mit einem Wortspiel mit doppelter Bedeutung zu tun — denn être vivant“ bedeutet gleichzeitig lebendig sein“ aber auch Lebewesen“. Absichtliche Mehrdeutigkeit, denn die Diskussionen über die Nacht der Ideen sind in erster Linie eine Einladung zum Nachdenken und kein gewöhnliches Treffen mit Experten, die die Wahrheit in der Hand halten und sie anderen präsentieren. Was bedeutet am Leben sein“? Welcher ist unser Platz in der Lebenswelt? Und inwiefern zwingt uns das lebendig sein“ zum Handeln? Wie kann der kreative Akt die Umwelt retten? Hierzu gibt es unterschiedliche Antworten von den Teilnehmern an der Nacht der Ideen.
Cristian Neagoe, Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit bei Greenpeace Rumänien, teilte mit:
Natur und Kultur arbeiten sehr gut zusammen. Ohne Natur würde es am Ende keine Kultur geben, und sicherlich wird es keine Natur geben, wenn wir nicht so viel Kultur wie möglich haben. Ich denke, die Art und Weise, wie wir uns über die Dinge aufklären, die gerade geschehen, ist entscheidend für das, was als nächstes passieren wird.“
Suzana Dan, Managerin des Kultur-Hubs BRD Scena9 Residence, ist der Ansicht, jedermann müsste als Künstler auf der Welt wirken:
Derzeit müssen wir damit rechnen, dass alle Menschen eine aktive Rolle in der Gesellschaft spielen sollten. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass jeder von uns — egal ob wir Künstler oder Schauspieler sind oder in einem anderen Bereich arbeiten — den Mut aufbringt, auf die Wirklichkeit, auf die Geschehnisse in unserem Umfeld zu reagieren. Das ist eine Form von Aktivismus, die in unserer Gesellschaft viel mehr gelebt werden muss. Denn die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, sind nicht einzeln zu betrachten. Sie betreffen uns alle. Diesbezüglich sind die Künstler in der Tat bevorzugt, denn sie sind sichtbarer, sie drücken sich durch ihre Werke, durch Bilder, durch ihre Performance aus. Bilder kommunizieren ohnehin am besten, sie vermitteln Botschaften in unmittelbarer Weise. Ich wünsche mir, die Menschen würden immer reagieren, auf alles Mögliche und in jeder auch nur denkbaren Art und Weise.“
Mihai Stoica, Geschäftsführer des Vereins 2Celsius, betrachtet den Aktivismus im erweiterten Sinne. Seiner Ansicht nach seien nicht nur die Künstler Aktivisten, sondern auch die Schauspieler:
Neben den Künstlern, die durch ihre Kunst direkt mit uns kommunizieren, gibt es auch noch diejenigen Menschen, die keine Künstler sind. Ich habe einen Freund, er ist Fotograf und gleichzeitig Biologiedoktorand an der Uni Hamburg. Er erforscht die Art und Weise, in der verschiedene Erreger auf die Menschen übertragen werden. Er erzählte mir, dass der Klimawandel das Verbreitungsgebiet der Viren immer mehr beeinflusst. Das wissen wir eh alle, wir haben es im Alltag mit Viren zu tun. Und er dokumentiert seine Forschungsarbeit, indem er Fotos ausstellt. Nun, ist er Wissenschaftler oder Fotograf? Ist er verantwortlich für die Kommunikation? Seine Fotografien sind eher poetisch ausgerichtet, haben nichts mit seinem Status als Forscher zu tun. Dennoch hat er sich vorgenommen, uns gleichzeitig auch etwas über die von ihn untersuchten Viren zu vermitteln. Und zwar in einer Art und Weise, in der er uns zum Nachdenken über den Klimawandel und seine Folgen anregt.“
Cristian Neagoe, PR-Beauftragter bei Greenpeace Rumänien, ergänzte:
Ein großes Problem der Menschen ist, sie haben im Laufe der Zeit die Natur als etwas Äußerliches betrachtet, nicht als ein Ganzes, dem sie angehören. Unsere Vorfahren wollten die Natur schon immer bezwingen, erobern, ausbeuten. Sämtliche Religionen belehren uns, die Natur sei uns geschenkt worden, um von ihr Gebrauch zu machen, um uns fortzupflanzen und weiterzuentwickeln. Für Platon und Aristoteles war die Natur unveränderlich, unmöglich zu zerstören. Sie betrachteten die Natur als etwas stets Wiederkehrendes. Sie erkannten ihre Regenerationskraft und dachten, sie würde nie zu Ende gehen, egal wie viel wir ihr wegnehmen würden. Und jetzt haben wir den Punkt erreicht, wo wir zugeben müssen, dass die Natur eigentlich ganz zerbrechlich ist und dass wir uns vermutlich mehr als erträglich vermehrt haben. Darüber hinaus haben wir uns zu einer Gesellschaft des übermäßigen Verbrauchs entwickelt. Für Greenpeace sind die Natur und der Frieden die zwei Hauptprobleme, mit denen die heutige Gesellschaft konfrontiert wird. Wir versuchen, sie zu beschützen und auch andere an unserem Unternehmen zu beteiligen.“
Die in 55 Ländern weltweit vertretene Organisation Greenpeace kämpft in Rumänien für den Schutz der Wälder. Rumänien gilt als grüne Lunge Europas. Hierzulande befinden sich zwei Drittel der uralten Wälder Europas. Doch sie werden im schwindelerregenden Tempo abgeholzt. Das erklärte uns Cristian Neagoe, der noch Folgendes hinzufügte:
Die Kunst bringt Dinge näher, die uns sehr weit entfernt erscheinen. Sie macht sie zugänglich für uns. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Kunst vom Aktivismus. Denn der Aktivismus ist eher bitter, wobei die Kunst einem unter die Haut geht. Deshalb könnten Kunst und Aktivismus zusammen Wunder in Bezug auf den Umweltschutz vollbringen.“
Die Nacht der Ideen setzt nicht nur Diskussionen und Debatten voraus. Die Gedanken können in unterschiedlichster Weise Ausdruck finden, wie z.B. in Form von Tanz, Fotografie, Comics, Malereien, Karikaturen, Kunstinstallationen. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung war die Verantwortung für die Umwelt — also Comics als Umweltschutz-Manifest, innovative Projekte im Umweltschutzbereich, bürgerliches Engagement in einer Zeit, in der der Klimanotstand ausgerufen wurde.