Musik auf Reisen: Der Pianist Horia Mihail und die Wanderklaviere
Heute bringen wir Ihnen die Geschichte eines Wanderklaviers nahe. Es geht um ein Projekt, im Rahmen dessen eine Stadt ein Konzertklavier geschenkt bekommt. Die Stadt hat demnach die Möglichkeit, das Klavier bei Musikveranstaltungen zu benutzen.
Ana-Maria Cononovici, 28.04.2016, 17:45
Heute geht es um Kultur und Musik. Sowie um ein Klavier, das auf Reise geht. Und auch darum, wie das Leben der Menschen schöner gestaltet werden kann — mit Hilfe von Musik. Das Klavier, von dem wir Ihnen heute erzählen, geht schon zum sechsten Mal auf Tournee. Es wurde vom öffentlich-rechtlichen Sender Radio Rumänien zur Verfügung gestellt. Der Sender und der Klavierspieler, die im Mittelpunkt der ganzen Geschichte stehen, enthüllen uns ihre Geheimnisse. Wir wollten vom Klavierspieler Horia Mihail erfahren, was in dazu bewegt hat, im Projekt mitzuwirken:
Die Geschichte lautet wie folgt: Vor etwa 6 Jahren fanden wir im Kellergeschoss des Bukarester öffentlich rechtlichen Senders zwei Klaviere, die irgendwann in den 1950er-60er Jahren als Konzertklaviere auf der Bühne des Konzertsaals von Radio Rumänien verwendet wurden. Sie lagen mehrere Jahrzehnte im Keller vergessen. Wir schlugen der damaligen Leitung vor, die Klaviere wieder zu beleben. Unser Vorschlag war, sie dorthin zu bringen, wo es keine Klaviere gab, allerdings welche gebraucht werden konnten. Leider ist die Ausstattung der rumänischen Kulturinstitutionen oft mangelhaft. Das Projekt wurde mit Enthusiasmus entgegnet und nun läuft schon das sechste Projektjahr. Wir haben vier Wander-Klaviere. Sie reisen zusammen mit mir in Gegenden, wo es keine Konzertklaviere gibt, und rufen verschiedene Musikstücke ins Leben wie z.B. Partituren von Franz Liszt, Mozart, Beethoven, heuer ganz aktuell von Frédéric Chopin. Die Klaviere bleiben für eine längere Zeit in den betreffenden Konzertsälen und werden auch entsprechend eingesetzt, zum Vergnügen der Musikliebhaber vor Ort.“
Während der sechsjährigen Pilgerschaft wurden zum einen thematische Variationen von Beethoven und Mozart gespielt, zum anderen romantische Musikstücke gewählt, wie z.B. die von Brahms, Liszt, Schumann und Rachmaninow. 2016 brachte Chopins Romantik in den Vordergrund. Wo ist Horia Mihail mit dem Wanderklavier herumgereist?
Bis jetzt war ich in Sânnicolau Mare (der westlichsten Stadt Rumäniens). Die Ortschaft liegt im Landkreis Timiş. Ein Wander-Klavier erreichte auch die Stadt Mediaş, im Landkreis Sibiu. Derzeit halten sich die Wander-Klaviere in drei Städten auf, in denen sie intensiv eingesetzt werden — in Roman, im Landkreis Neamţ, in Tulcea und in Deva. Das vierte Wander-Klavier, dem ich bald begegnen werde, wird für eine Zeit in Alba Iulia verweilen. Was wir erreichen wollten, war, dass Kulturereignisse, die in Großstädten wie Bukarest, Klausenburg, Temeswar oder Iaşi stattfinden, auch in kleineren Städten, die noch kein so reges Kulturleben haben, veranstaltet werden. Städte wie Tulcea, Roman, Deva, bald auch Alba Iulia, werden schon als Standorte wichtiger Musikevents in Rumänien gekennzeichnet. Da geht es allerdings nicht unbedingt um klassische Musik.“
Die Strenge von Brahms geht Hand in Hand mit dem Gefühl von Freiheit und dem erneuernden rhythmischen Erfindergeist. Liszt betrachtet die Klaviatur aus einer expansionistischen Perspektive und spricht in jeder Klavier-Studie über neue Räume, über die assimilierende Kraft des Musikinstruments. Er betrachtet das Klavier als Mikrokosmos. Schumann dagegen will durch seine Musik die innere Natur, den immanenten Zweck der Dinge offenbaren. Ein authentischer Romantiker. Die Musik von Rachmaninow drückt einen stürmischen Lyrismus aus. Seine Musikstücke sind unverwechselbar, ein einzigartiger Reflex einer aufgeregten, in sich verschlossenen Persönlichkeit. Wir fragten Horia Mihail, warum er gerade Chopin für das 6. Projektjahr wählte:
Es war ein plötzlicher Einfall. Ich traf den Beschluss, ohne weiter zu überlegen. Chopins Musik ist absolut fantastisch. Sie ist weltweit anerkannt und sehr verbreitet. Es ist eine unverfälschte, ehrliche Musik. Reine, authentische Kunst! Sie spricht die Herzen der Zuhörer unmittelbar an!“
Das Wander-Klavier geht dieses Jahr im Zeitraum vom 24. März bis zum 21. Mai auf Tournee. Es wandert durch 19 Ortschaften in Rumänien und erreicht auch Chişinău, die Hauptstadt der Moldaurepublik. Der vom Klavier zurückgelegte Weg kann auf der Webseite www.pianulcalator.ro oder über den öffentlich-rechtlichen Radiosender verfolgt werden. Mehr Einzelheiten dazu bringt der Pianist Horia Mihail:
Ich bin in Chişinău, in der Moldaurepublik losgegangen. Die Tournee führte mich weiter nach Roman, wo ich einem Wanderklavier begegnete. Danach spielte ich in Iaşi und Bârlad, Tulcea und Galaţi. Kurz danach musste ich zurück nach Bukarest, wo ich zwei Konzerte hatte, ein Klaviersolo und ein Konzert zusammen mit dem Nationalen Radio Orchestra (Orchestra Naţională Radio). Die nächsten Stationen waren Hermannstadt, Deva und meine Heimatstadt Braşov (Kronstadt). Danach Piteşti und Buşteni. Nach Ostern wandert das dritte Klavier nach Caracal und setzt seine Reise durch weitere Städte wie Slatina, Drobeta Turnu Severin und Turda fort, bis es endlich Alba Iulia erreicht. Die Tournee endet mit zwei Konzerten, eines in Klausenburg und eines in Großwardein (Oradea). Zu aller Letzt gibt es noch ein Klaviersolo in Dumbrăveni, im Landkreis Sibiu.“
Horia Mihails Spielfertigkeit wurde im Laufe der Zeit durch den enthusiastischen Beifall seines Publikums belohnt. Und das Wanderklavier wird seine Reise fortsetzen, solange kulturinteressierte Menschen und Musikfreunde das Projekt fördern werden.