Kulturverein im Burzenland bringt Interessenten traditionelles Holzschnitzen bei
Wer das Schnitzen lernen möchte, der benötigt neben gutem Schnitzwerkzeug eine sichere Hand, Lust zur Präzision und vor allem Geduld. Und sollte vielleicht an den vom Kulturverein Artessentia in Kronstadt veranstalteten Anfängerkursen teilnehmen.
Ana-Maria Cononovici, 05.03.2018, 17:30
Früher arbeiteten die Handwerker in ländlichen Gebieten mit einfachem Werkzeug. Sie schnitzten verschiedene Holzstücke und stellten Möbelstücke aus Eichen-, Nuss-, Linden, Akazienholz und Binsen her. Oder verschiedene Haushaltsgegenstände und –werkzeuge. Häufig verzierten sie die selbstgemachten Gegenstände mit volkstümlichen Motiven. Holzschnitzerei war gang und gäbe in der volkstümlichen Baukunst. Sämtliche Hauptelemente der Häuser und Kirchen wurden durch kunstvolle Holzschnitzereien verschönert. Im ländlichen Raum in Rumänien werden Stützbalken sowie Tür- und Fensterrahmen der Häuser mit feinen geometrischen Holzschnitzereien verziert. Holzschnitzereien waren auch für die Aussteuertruhen, Tische, Schränke, Stühle und Bänke charakteristisch.
Früher waren die Häuser auf dem Dorf ganz spärlich möbliert. Die Möbelstücke hatten eine genau definierte Funktion und entsprachen einem klaren Bedürfnis. Die am häufigsten zum Verzieren verwendeten traditionellen Motive waren die gerade Linie, der Punkt, die Spirale, die Zähne, das Kreuz, der Tannenbaum. Das Universum einstiger ländlicher Haushalte — mit Holzschnitzereien und weiteren herkömmlichen Architekturelementen — wird nun in Braşov (dt. Kronstadt) wieder ins Leben gerufen. Der Kulturverein Artessentia organisiert nämlich mehrere Werkstätte für Holzschnitzereien, mit dem Zweck, zum Teil vergessene Handwerke wieder zu beleben und als Kunstprojekte zu fördern. Die Rosette, der Wolfszahn und der Zickzack sollen nun von den Teilnehmern an den Werkstätten für verschiedene Motive verwendet werden. Die Reise in die Welt des Holzes und der im Holz geschnitzten Schutzsymbole beginnt mit einigen Kunstwerkstätten für Anfänger. Mehr Einzelheiten dazu lieferte uns Georgiana Gămălie, Mitbegründerin des Kulturvereins Artessentia:
Der Kulturverein Artessentia beschäftigt sich sowohl mit Kunst wie auch mit herkömmlichen Traditionen. Durch die von uns veranstaltete Werkstätte wollen wir volkstümliche Kunst und in Vergessenheit geratene Handwerksbetriebe neu beleben. Holzschnitzereien sind typisch für unsere Region, dem Burzenland. Holz war nämlich hier immer eine bedeutende Ressource. Ich lernte dieses Handwerk von Nicolae Purcărea, als ich noch die Schulbank drückte. Und wünschte mir, das Handwerk auch an andere weiterzugeben. In den Werkstätten werden die wichtigsten Schritte erlernt.“
Die Holzschnitzerei überrascht am Anfang die Teilnehmer, so unsere Gesprächspartnerin:
Es ist gar nicht einfach. Unsere Kursteilnehmer sind auch davon überrascht. Es ist wiederum auch nicht so kompliziert. Durchs Schnitzen werden kleine Holzstücke entfernt und so entstehen die gewünschten Motive. Es ist anstrengend, obwohl wir nur einfache, keine dreidimensionalen Schnitzereien fertigstellen. Doch es dauert eine Weile, bis sie sich an den Stoff und an die Technik gewöhnen. Wir arbeiten mit Lindenholz, das weicher ist und sich leichter mit dem kleinen, besonders scharfen Messer schnitzen lässt. Wir zeigen den Teilnehmern wie man es macht, die Grundschnitte. Allerdings, um schöne Ergebnisse zu erhalten, müssen sie viel üben. Die meisten zeigen sich zufrieden zum Schluss, denn es handelt sich um eine entspannende Tätigkeit. Gleichzeitig ist es eine Form der Sozialisierung, des Miteinanderseins, des Austausches. Durch unsere Vorträge erfahren sie auch mehr Informationen über unsere Kultur.“
Beim Anfängerkurs lernen die Teilnehmer, im Holz zu schnitzen. Dabei arbeiten sie mit drei wichtigen Motiven. Ihre Bedeutung wird im Laufe des künstlerischen Prozesses aufgeklärt, so Georgiana Gămălie:
Die Grundelemente, mit denen wir arbeiten, sind der Wolfszahn, der Zickzack — oder der verlorene Weg, wie wir ihn noch zu nennen pflegen — und eine einfache Form der Rosette. Innerhalb von 2-3 Stunden — denn so viel dauert eine Werkstatt — lernen sie, mit diesen Elementen zu arbeiten. Wir erzählen ihnen auch, was die Schnitzereien bedeuten. Denn in der Vergangenheit hatten sie keine schlicht ästhetische Rolle, sondern auch eine Schutzfunktion. Der Wolfszahn lässt uns an unsere Vorfahren, an die Daker denken. Auf ihrer Flagge war ein Wolf abgebildet. Der hatte auch eine Schutzfunktion. Der Zickzack ist eine schöne Metapher des Lebens mit seinem ständigen Auf und Ab. Und die Rosette steht für die Sonne, ein lebensspendender Stern.“
Wir wollten von Georgiana Gămălie erfahren, ob sich viele Leute für die Holzschnitzerei-Werkstätte anmelden:
Es ist unwichtig, ob es viele oder wenige sind. Hauptsache, sie wünschen sich, das Handwerk zu erlernen. Das ist das Schöne daran — es beteiligen wirklich nur die Leute, die sich wirklich wünschen, dabei zu sein. Wir waren anfangs überrascht, dass sich IT-Leute, Lehrer, Ärzte — also Menschen, die in ihrem Alltag, in ihrem Beruf, nichts damit zu tun haben — an den Werkstätten beteiligten. Sie wünschten sich einfach, eine Handarbeit zu erledigen. Die meisten fühlen sich herausgefordert. Es macht ihnen aber Spaß. Wir haben solche Werkstätte auch für Schüler organisiert. Wir arbeiten allerdings nur mit Schülern ab 12, da sie scharfe Messer handhaben müssen. Sogar eine IT-Firma hat uns angeschrieben, um an ihrem Sitz eine unserer Werkstätte zu veranstalten. Ihre Mitarbeiter arbeiten sehr viel vor dem Bildschirm und sie wollten ihnen eine zeitweilige Ablenkung anbieten.“
Die Holzschnitzerei ist eine entspannende Beschäftigung, die sich möglicherweise zur Leidenschaft entwickeln und sogar kunstvolle Gegenstände entstehen lassen könnte.