Fotografieprojekt „Around The Black Sea“
Heute berichten wir wir über ein originelles Fotografie-Projekt, das die Länder des Schwarzmeerraumes in nicht-bearbeiteten Fotoaufnahmen präsentiert.
Ana-Maria Cononovici, 30.10.2014, 17:51
Ein originelles Fotografie-Projekt nimmt den Betrachter mit auf eine Reise in alle Länder des Schwarzmeerraumes. Die Aneinanderreihung nicht-bearbeiteter Fotoaufnahmen schafft eine Wirklichkeit, die eher den Ortsansässigen als den Besuchern zuzusagen scheint. Das Projekt Around the Black Sea“ ist eine Initiative des Fotografen Petruţ Călinescu:
Das Projekt »Around the Black Sea« entstand vor etwa 5 oder 6 Jahren und war eine gemeinsame Idee, die mein guter Freund Ştefan Cândea und ich schon immer verwirklichen wollten. Ich bin Fotograf, er beschäftigt sich mit Texten, und wir überlegten seit langer Zeit, eine Reise zu unternehmen, vielleicht nach Afrika. Wir betrachteten die Landkarte und auf einmal wurde uns klar, dass keiner von uns etwas über den Schwarzmeerraum wusste. Da dachten wir, es wäre vielleicht besser, wenn wir die Reise mit unseren Nachbarländern anfangen würden. 2010 begann unsere längere Autoreise durch alle Länder im Schwarzmeerraum. Es ist uns gelungen, eine Finanzierung zu bekommen, und vier Monate lang fuhren wir mit dem Auto rund um das Schwarze Meer. Wir versuchten, diese Region zu entdecken, ihr auf den Puls zu fühlen. Die Reise dauerte vier Monate, aber wenn man 10 Länder erkunden will, ist die Zeit doch zu kurz. Wir starteten in Rumänien, fuhren dann im umgekehrten Uhrzeigersinn nach Bulgarien, in die Türkei, nach Georgien, Armenien, Aserbaidschan und wir machten auch einen Abstecher in die kleine separatistische Republik Bergkarabach, dann zurück nach Georgien. Anschließend fuhren wir in eine andere kleine separatistische Republik, Abchasien. Es folgten Russland, die Republik Moldau, die Ukraine, und schließlich kehrten wir nach Rumänien zurück.“
Auf einer so langen Reise entdeckt man schon Gegenden, die einem ans Herz wachsen. Abchasien war für Petruţ Călinescu die größte Entdeckung dieser Reise:
Abchasien ist vielleicht das schönste Land am Schwarzen Meer. Wenn man auf die Landkarte schaut, befindet sich das Land genau Rumänien gegenüber. Wir waren aber total verblüfft: Dort ist das Klima ganz anders, viel milder in Vergleich zu Rumänien, da wachsen die Palmen ganz natürlich am Strand, überall gibt es Zitronen-, Orangen- und Mandarinenbäume. Der Kaukasus endet abrupt, fast direkt im Meer, und weil die Berge so nah am Meer stehen, ist der Himmel immer voller Wolken, stürmisch und spektakulär. 1991 trennte sich Abchasien von Georgien; Georgien hatte sich vorher von der ehemaligen Sowjetunion losgelöst. In Abchasien waren die schönsten Schwarzmeer-Ferienorte der Sowjetunion, auch Stalin hatte dort sein Ferienhaus. Während des Stalinismus wurden in Abchasien viele Kurorte und Sanatorien für das sowjetische Volk errichtet.“
Das Manifest des projektführenden Teams ist, Geschichten zu entdecken und zu erzählen. Sie suchten nicht unbedingt nach Informationen, sondern nach Geschichten, die allmählich zu Informationsquellen werden. Der Betrachter der Fotografien wird originelle Bilder sehen, ohne jede Werbungsabsicht. Entweder sieht man einen Kai, auf dem zwei schlicht gekleidete alte Frauen angeln, oder einen Mann, der an einem Strand voller Muschelschalen auf einem Badetuch liegt, oder aber einen Verkaufsstand mit Badeanzügen auf Plastik-Schaufensterpuppen und aufblasbaren Schwimmtieren, die an einer Wand angelehnt sind. Die unverschönerte Realität zeigt dem Betrachter Orte, die einem in allen Ländern des Schwarzmeerraumes gleich vorkommen könnten, aber doch ihre eigene Persönlichkeit haben. Petruţ Călinescu bringt weitere Details:
Die Fotografien zeigen nicht unbedingt die schöne Seite oder die touristische Seite des Schwarzmeerraumes. Das hatten wir uns schon von Anfang an vorgenommen. Wir wollten die großen Hotelanlagen vermeiden, weil sie keine Persönlichkeit haben, egal wo sie sich auch befinden. Wir suchten die einfachen Strände, wo einfache Leute ihren Urlaub verbringen, und gleichzeitig versuchten wir, in allen Ländern, die wir besuchten, so viele ethnische Gemeinden wie möglich zu fotografieren. So haben wir erfahren, dass im Schwarzmeerraum sehr viele verschiedene ethnische Gruppierungen existieren. Viele von ihnen, vor allem an der sowjetischen Küste, wurden vom kommunistischen Regime zwangsassimiliert, aber viele haben überlebt und pflegen weiterhin ihre Kultur, ihre Sitten und Traditionen. Am Ende des Projekts scherzte ich mit meinen Freunden — ich zeigte ihnen die Aufnahmen und fragte sie, wo die Bilder wohl geschossen wurden. Alle lagen falsch — ich zeigte ihnen zum Beispiel ein Bild aus Russland, und sie sagten, dies sei ganz klar Rumänien, oder ich zeigte ihnen eine Aufnahme aus der Ukraine und man sagte, es sei mit Sicherheit ein Bild aus Bulgarien, und so weiter. Ich glaube, dass wir, die Völker im Schwarzmeerraum, viel gemeinsam haben, vor allem aufgrund der Gegenwartsgeschichte.“
Wir fragten Petruţ Călinescu, wieviele Aufnahmen den Internetnutzern zugänglich seien:
Wir haben eine Art Reiseblog im Internet erstellt, auf www.theblacksea.eu. Anfangs versuchten wir, einige Einträge pro Woche zu machen — ein Eintrag enthielt etwa 7 bis 8 Aufnahmen. Inzwischen hatten wir keine neuen Aufnahmen mehr und wir haben noch einige Kollegen, Fotojournalisten, eingeladen, sich uns anzuschließen. Aus unserem Reiseblog wurde eine Online-Illustrierte mit Materialien über den Schwarzmeerraum. Wir haben ein Archiv mit zigtausend Aufnahmen, aber meine engere Auswahl, die ich sehr schätze, zählt etwa 50 Bilder. Alle veröffentlichten Fotografien und Texte sind auf der Internetseite www.theblacksea.eu zu finden. Das Projekt läuft noch, wir versuchen, weitere Finanzierungen zu bekommen, und je nach Finanzierung ergänzen wir die Internetseite mit neuen Aufnahmen und Texten. Gleichzeitig mit »Around the Black Sea« arbeiten wir auch an einem Projekt mit dem Titel »Pride and Concrete« (»Stolz und Beton«), über Änderungen in den rumänischen Dörfern. Es sind Erfolgsgeschichten von Rumänen, die im Ausland Arbeit gefunden haben, und wir zeigen, wie die massive Migration der Arbeitskräfte die rumänischen Dörfer verwandelte.“
Die Hobby-Taucher am Schwarzen Meer sehen gleich aus, egal in welchem Land sie fotografiert wurden. Genauso die Touristen, die am Strand spazieren gehen oder auf Luftmatratzen liegen. Auch die Menschen, die an einem vollen oder leeren Strand stehen und das Meer betrachten, sehen gleich aus. Was die fotografisch dargestellten Regionen unterscheidet, ist hie und da ein Element, das mit der Geschichte des jeweiligen Ortes, mit dessen Entwicklung oder Rückentwicklung in Verbindung steht: ein Schiffswrack, ein Kai, ein verkommenes Gebäude, das fast ins Meer fällt. Für den Betrachter sind die Aufnahmen kein Reiseführer, sondern eine Einladung zum Nachdenken oder zum Entdecken der blanken Wirklichkeit.