Forschungsprojekt: Pandemie in persönlichen Geschichten und Fotos dargestellt
Wie hat die Coronavirus-Pandemie das Leben der Menschen betroffen? Auf diese Frage versuchte eine Forscherin in Oradea zu antworten.
Ana-Maria Cononovici, 30.07.2020, 17:30
Das Leben ist letzten Endes eine Aufeinanderfolge von Geschichten — mehr oder weniger angenehme oder herausfordernde, spannende oder eher gewöhnliche Lebensgeschichten. Sie sind genau so unterschiedlich wie die Menschen, die dahinter stecken. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass die Menschen weltweit während der Isolierung Interesse für die Lebensgeschichten ihrer Mitmenschen zeigten.
Cristina Liana Puşcaş lebt in Oradea (dt. Großwardein). Sie arbeitete als Forscherin im Burgmuseum, als die Institution Kurzarbeit einführte. Da sie plötzlich viel freie Zeit hatte, beschloss sie, die Zeit während der Pandemie zu dokumentieren. Sie ist nämlich fest davon überzeugt, dass man Jahre später Bilder und Informationen über diese Zeit brauchen wird. Und auch die verschiedensten Gefühle und Emotionen, die während der Pandemie erlebt wurden, werden von Bedeutung sein. Deshalb startete Cristina Liana Puşcaş eine historische, fachübergreifende Forschungsarbeit unter dem Titel Das Leben in Zeiten der Pandemie“.
Die Forschungsarbeit ging von einer Umfrage aus. Ich formulierte 25 Fragen, die ich in den öffentlichen Raum stellte. Ich wollte herausfinden, wie die Einwohner im Kreis Bihor oder die, die im Ausland lebten, aber Rumänisch sprachen, die Pandemie — diesen Zwischenfall in der menschlichen Geschichte — wahrnahmen. Ich brachte den Fragebogen am 22. April in Umlauf. Bis jetzt erhielt ich 321 Antworten. Es ist klar, dass nicht alle ausgefüllten Fragebögen, die ich zurückbekam, auch als gültig betrachtet werden können. Allerdings war das Interesse ziemlich hoch, mit Sicherheit werden 200 Antworten akzeptabel sein. Der Fragebogen ist online auszufüllen, was einigermaßen einige Schwächen birgt. Denn die Teilnehmer hätten Zugang zum Internet haben müssen, um Informationen nachsuchen zu können. Darüber hinaus gibt es auch viele Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben, also gar nicht teilnehmen konnten. Das bedeutet, die meisten Teilnehmer hatten eine höhere Ausbildung und Zugang zum Internet.“
Cristina Liana Puşcaş erzählte uns, an der Umfrage hätten sich Teilnehmer aus mehreren Städten Rumäniens beteiligt. Es machten aber auch einige Rumänen mit, die derzeit in New York, Wien oder Hamburg leben. Cristina Liana Puşcaş erläuterte uns im Einzelnen die gestellten Fragen und beurteilte kurz die erhaltenen Antworten:
Was für ein Projekt gaben sie auf, als sie sich isolieren mussten? Das war eine Frage, die ich stellte. Viele Teilnehmer antworteten, sie mussten ihre Urlaubspläne aufgeben. Manche sahen sich gezwungen, auf die Hausrennovation zu verzichten. Manche gaben einen Arbeitsplatz auf. Andere wiederum meinten, sie mussten auf die Theaterabende oder auf den Kirchengang verzichten. Diejenigen, die von zu Hause aus gearbeitet und die Isolierung streng eingehalten haben, fühlten sich schwer betroffen. Diejenigen, die weiterhin zur Arbeit gingen, haben sich im Gegenteil nicht so stark betroffen gefühlt.“
Eine weitere Frage wollte herausfinden, woran sich die Leute während der Isolierung am schwersten angepasst hätten. Cristina Liana Puşcaş lieferte uns dazu mehrere Einzelheiten:
Die meisten Teilnehmer meinten, sie hätten Schwierigkeiten mit der mangelnden Sozialisierung gehabt. Es hätte ihnen nämlich der Kontakt zu ihren Angehörigen, den Freunden und den Arbeitskollegen gefehlt. Die Mütter hätten es am schwierigsten gehabt. Sie mussten nämlich in mehrere Schuhe schlüpfen — sie übernahmen zugleich die Rolle der Lehrerin, der Mutter, der Ehegattin, der Pflegerin, der Therapeutin, der Friseurin usw. Das sei überwältigend gewesen. Darüber hinaus sei es schwer gewesen, sich an die neuen Desinfektionsrituale anzupassen. Außerdem war es nicht immer einfach, Formblätter auszufüllen, um die Wohnung verlassen zu dürfen. Und die täglichen Spaziergänge — in Wirklichkeit, die Bewegungsfreiheit — aufzugeben, fiel einigen Teilnehmern auch schwer.“
Die meisten Paare hatten unter der Pandemie und der zusammenhängenden Isolierung nicht zu leiden — sagte uns Cristina Liana Puşcaş. Manche Antworten verbargen allerdings witzige Ergänzungen, wie z.B. Ich mag es nicht, drei Mahlzeiten pro Tag essen zu müssen“ oder Ich weiß nicht, warum meine Frau meinen Tag einplanen möchte“ oder Es wurde deutlich, dass wir unterschiedliche Lebensansichten haben“. Allerdings hatten die Menschen während der Isolierung die Möglichkeit, ihre Innenwelt zu erforschen, über ihre Gefühle nachzudenken. Dazu sagte uns Cristina Liana Puşcaş Folgendes:
Da gab es noch die Frage nach den kleinen Alltagsfreuden, die die Teilnehmer während der Pandemie entdeckt hätten. Und manche von ihnen haben in der Tat gewusst, das Beste daraus zu machen. Sie haben sich über die strahlende Sonne gefreut, den Kaffee in aller Ruhe genossen, Brot zu Hause gebacken, gekocht, gelesen, im Garten gearbeitet und viel mehr Zeit zusammen mit der Familie verbracht.“
Und weil es gilt, dass ein Bild mehr als tausend Worte aussagt, startete Cristina Liana Puşcaş parallel zur Umfrage auch ein Fotografieprojekt — Fotos in Zeiten der Pandemie“. Unsere Gesprächspartnerin beobachtete Folgendes diesbezüglich:
Alle Bilder wurden vom Wohnungsfenster oder direkt in der Wohnung geschossen. Meistens sind es Bilder vom Fenster, auf denen man den Garten erkennen kann. Eine Frau schickte mir ein Bild mit ihrem kahl rasierten Schädel. Ein anderes Foto bildete eine Frau ab, die auf den Treppen einer Kirche auf die Knie ging. Die meisten hatten einen Bezug zum Leben drinnen, es gab nur wenige, die das Leben auf der Straße dokumentierten.“
Die zwei Forschungsprojekte laufen noch. Unser Optimismus regt uns an, von bessern Augenblicken zu träumen, unser Realismus hält uns aber an, die Lage neu zu bewerten und die echt wichtigen Dinge im Leben in unserem Herzen zu suchen. Cristina Liana Puşcaş meint, die Menschen hätten begriffen, wie wichtig die Natur sei. Und die Familie. Und die Freunde.