Feel Your Food: Klausenburger Gymnasiasten fördern Einführung von Menüs in Blindenenschrift
Sehbehinderte und blinde Menschen haben oft in Rumänien mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die meisten hängen mit der umgebenden Infrastruktur zusammen.
Ana-Maria Cononovici, 06.09.2018, 17:30
Schüler der 11. und 12. Klasse des Klausenburger Gymnasiums Onisifor Ghibu“ entwarfen ein Projekt, das den Zugang von sehbehinderten Menschen zu Speisekarten erleichtern soll. Demzufolge ließen sie Speisekarten in Braille-Schrift verfassen. Die in Braille-Schrift verfassten Menüs wurden bereits in sieben Restaurants in Klausenburg (rum. Cluj) eingeführt. Das Projekt FeelYourMenu entstand aus dem Wunsch der Schüler heraus, das Umfeld, in dem sie leben, zu verbessern. Marius Mariş ist der Leiter des Projekts. Er erzählte uns die Geschichte der jungen Menschen, die die Welt zum Guten verändern wollen:
Wir kamen auf diesen Gedanken, als wir zum 8. Mal unser karitatives Fest »GhibStock« planten. Das Fest findet im Schulhof des Gymnasiums »Onisifor Ghibu« statt. Wir versuchen jedes Mal, ein Bedürfnis innerhalb der Gemeinde zu erkennen und darauf zu reagieren. Die gesamte Klausenburger Gemeinschaft hat sich dabei eingebracht. Wir erhielten Hilfe von vielen Seiten. Wir organisieren alljährlich das größte Musikfestival, das in einem Schulhof stattfindet. Es heißt »GibStock«. Wir setzen es als Werkzeug zur Unterstützung eines guten Zwecks ein. Heuer unterstützen wir das Projekt »Feel Your City«. Dabei geht es um die Erleichterung des Zugangs der Einwohner von Klausenburg zu verschiedenen Dienstleistungen. Letztendlich handelt es sich um die Förderung des Tourismus in unserer Stadt. Wir versuchen jedes Jahr, eine neue Initiative zu unterstützen. Voriges Jahr haben wir ein Projekt für Kinder im ländlichen Raum entwickelt. Wir wollten auf ihr Potenzial hinweisen und sie aus ihrer Komfortzone herausreißen. Ein Jahr davor haben wir uns auf den Anschluss junger Leute an herkömmliche Traditionen konzentriert. Wir wollen jedes Jahr ein neues Problem erkennen und eine Lösung dafür finden. Die Projekte werden von jungen Leuten entworfen und umgesetzt.“
Das von Schülern für andere Schüler durchgeführte Projekt ist eine einmalige Initiative in Klausenburg, so unser Gesprächspartner. Da es um eine karitative Aktion geht, wurden die gesammelten Mittel jedes Mal für einen guten Zweck gespendet. Diesmal ging es um die Erleichterung des Zugangs zu Dienstleitungen für behinderte Menschen:
Nur in Klausenburg und in weiteren zwei Städten gibt es Gymnasien und Universitäten für sehbehinderte Menschen. Dabei wird die Zugänglichkeit oft vernachlässigt. Manche betrachten dies als eine Kleinigkeit. Doch wir haben uns mit verschiedenen betroffenen Menschen unterhalten, haben Fragen gestellt und sind zum Schluss gekommen, es handelt sich oft um Schwierigkeiten, die leicht überwindbar sind. Die Einführung von in Braille-Schrift verfassten Speisekarten in ein Restaurant kann eine große Veränderung nach sich ziehen. Um die Umsetzung des Projektes — also die konkrete Einführung der Braille-Menüs — haben sich heuer hauptsächlich Schüler der 9. Und 10. Klasse gekümmert. Wir haben mit dem Klub Impact zusammengearbeitet. Es ist ein Klub, der gemeinschaftliche Initiativen fördert. Jugendliche stellen Projekte vor und setzen diese zugunsten der Gemeinschaft um. Der Klub bietet ihnen die Möglichkeit, etwas dazuzulernen, den Schulunterricht zu ergänzen. Jugendliche betrachten oft die Dinge aus einer anderen Perspektive, sie sehen Einzelheiten, die Erwachsene manchmal nicht bemerken. Ich schaue mir diese Jugendlichen an und hege Hoffnung für die Zukunft. Die neuen Generationen haben ein großes Entwicklungspotenzial.“
Die größte Schwierigkeit sei, die Menschen verstehen zu lassen, was Zugänglichkeit bedeutet, so Marius Mariş:
Projekte, die die Barrierefreiheit fördern, bringen immer einen Mehrwert. Wir sind manchmal geneigt, gewisse Kategorien zu vernachlässigen. Doch wir sind alle Teil eines Ganzen. Zugänglichkeit fördern bedeutet nicht nur, Möglichkeiten für behinderte Personen zu schaffen. Es heißt, Einheit schaffen, eine große Familie innerhalb der Stadt zu bilden. Alle behinderten Menschen, die sich am Projekt beteiligten, zeigten sich entzückt. Sie können die Ergebnisse kaum erwarten.“
Wie die Jugendlichen darauf gekommen sind, derartige Projekte zu entwickeln, erfuhren wir ebenfalls von Marius Mariş:
Wir gehen den Problemen nach. Um einen Mangel zu beheben, muss man in einem ersten Schritt mit den Betroffenen sprechen. Wir erkundigten uns also, ob unsere Initiative willkommen sei. Ich habe eine sehbehinderte Tante. Sie erzählte mir, sie fühle sich unangenehm in den Restaurants, wo sie zum Essen geht, denn die Kellner hätten nicht genug Geduld um ihr die Speisekarte detailliert zu präsentieren. Deshalb bestelle sie meistens das gleiche, nämlich Hühnchen mit Pommes. Wir versuchen, die Restaurants zu überzeugen, Speisekarten in Braille-Schrift einzuführen, damit auch sehbehinderte Menschen die Möglichkeit der Auswahl haben. Ein Recht, das wir uneingeschränkt genießen. Wir können immer zwischen mehreren Spezialitäten wählen. Diese Möglichkeit würde sehbehinderten Leuten ein Gefühl der Freiheit vermitteln. Zumindest ist das, was sie uns mitgeteilt haben. Das kann uns nur freuen. Es ist nichts so Schwieriges, viele Restaurants könnten solche Menüs einführen, die Kosten sind nicht so hoch. Wir hoffen, die Restaurants diesbezüglich anzuregen.“
Die Klausenburger Schüler wollen ihr Projekt auch auf andere Institutionen ausweiten. Sie nehmen sich vor, den Zugang für sehbehinderte Menschen in Museen zu erleichtern. Und außerschulische Aktivitäten für die Schüler der Schule für sehbehinderte und blinde Kinder zu veranstalten. Klausenburg ist eine der drei rumänischen Städte, in der es eine Schule für sehbehinderte Kinder gibt. In der Stadt leben nämlich mehr als 2000 blinde Menschen.