Do-it-yourself-Konzept im Kulturmanagement: Die Kultur-Ambulanz
Kulturliebhaber haben nun einen zusätzlichen Grund zur Freude – ein Englisch- und Deutschlehrer aus Siebenbürgen startete ein Projekt zur Förderung verschiedener Kulturveranstaltungen in einem angemessenen Rahmen.
Ana-Maria Cononovici, 26.05.2016, 17:40
Kulturliebhaber haben nun einen zusätzlichen Grund zur Freude — ein Englisch- und Deutschlehrer aus Siebenbürgen startete ein Projekt zur Förderung verschiedener Kulturveranstaltungen in einem angemessenen Rahmen. Unter dem Oberbegriff der Kultur-Ambulanz werden vielfältige kulturelle Events organisiert.
Sänger, Englisch- und Deutschlehrer, Gitarrenlehrer, leidenschaftlicher Uhrensammler (die Leidenschaft erbte er von seinem Großvater Petru Kindlein, einem der bekanntesten Uhrmacher des 20. Jahrhunderts, der in der Stadt Lugoj/Lugosch lebte) — Emil Kindlein, unser heutiger Gesprächspartner, enthüllt uns die geheimen Facetten eines rettenden Vorhabens: die Kultur-Ambulanz. Wieso brauchen wir dringend einen kulturellen Rettungswagen? Eine Antwort auf unsere Frage lieferte uns Emil Kindlein. Als Musiker beschloss er vor ein paar Jahren, seine Auftritte in Clubs zu streichen. Er wollte nämlich, dass seine künstlerische Performance nicht zusammen mit dem Bier oder den in Clubs servierten Snacks konsumiert“ wird. Dazu Emil Kindlein:
Ich weiß nicht, ob andere einen kulturellen Rettungswagen brauchen, wir aber haben ihn dringend nötig. Zusammen mit unseren Partnern organisieren wir verschiedene Events — Konzerte, Leinwand-Projektionen, Projekte in Kooperation mit verschiedenen Museen, Festivals. Sämtliche derartige Veranstaltungen sollten unter dem Dach der Kultur-Ambulanz organisiert werden. Ich bin der Ansicht, es gibt zweierlei Kulturveranstalter: Es gibt diejenigen Veranstalter, die unterschiedliche Events organisieren, unabhängig davon, ob sie finanziert werden oder nicht. Wir gehören dieser Kategorie an: Wir veranstalten Kulturevents, auch wenn wir das notwendige Geld missen. Wir arbeiten selbständig und brauchen die Kultur-Ambulanz, um uns ausdrücken zu können. Andererseits gibt es eine Kategorie von Menschen, die unsere Kulturveranstaltungen vermutlich brauchen und dementsprechend genießen.“
Wie begann das Projekt und wie entwickelte es sich weiter? Dazu Emil Kindlein:
Das Projekt der Kultur-Ambulanz startete vor rund drei Jahren. Es gibt keinen offiziellen Ausgangspunkt, da wir derartige Veranstaltungen schon seit eh und je organisiert haben. Ein interessanter Event war z.B. das Museum für Juwelen und Uhren — eine Wanderausstellung, die durch Schäßburg, Lugosch und weitere drei Orte in Temeswar ging. Auch das Festival Analog-Mania war ein Erfolg. Dieses Jahr findet es zum vierten Mal statt, wobei es sich in den letzten zwei Jahren zu einem internationalen Festival entwickelte. Derzeit veranstalten wir ein bedeutendes Konzert in Berlin. Ich freue mich, dass die Kultur-Ambulanz ihre Flügel auch in Europa ausgebreitet hat. Wir haben nun auch ausländische Partner, mit denen wir gut zusammenarbeiten.“
Die Kultur-Ambulanz hat viele Projekte in Arbeit, darunter die Einrichtung und technische Neuausstattung der Projektions- und Tonkabine im Temeswarer Jugendhaus. Die zwei Filmprojektoren sollen ersetzt werden und neue Ausstattung soll hinzukommen. Auch ein Labor für Bildbearbeitung soll neu hergerichtet werden. Außerdem werden Audiogeräte ausgestellt — Grammophone, Tonabnehmer, Magnetband –, die die Geschichte der Aufnahmetechnik seit ihren Anfängen bis in die Gegenwart veranschaulichen. Darüber hinaus findet das Festival Analog-Mania dieses Jahr auch in Serbien statt.
Die Kultur-Ambulanz arbeitet bei allen Veranstaltungen, die sie organisiert, mit Freiwilligen zusammen. Der Veranstaltungskalender kann auf der Facebook-Seite des Projekts eingesehen werden. Emil Kindlein erzählte uns über die Projekte, die die Kultur-Ambulanz derzeit in Arbeit hat:
Im Moment beschäftigen wir uns mit der Vorbereitung des vierten Festivals Analog — Mania. Darüber hinaus öffnen wir dieses Jahr eine neue Abteilung im Temeswarar Jugendhaus, gewidmet der analogen Technik. Und wir eröffnen das Museum für Juwelen und Uhren wieder, diesmal in einem Museum, das eine Theaterstruktur aufweist — es gibt mehrere Räume, die aufeinander eingestellt werden können. Neu ist die Büchse der Pandora, die Schallplatten enthalten wird. Wir haben Vieles vor dieses Jahr. Und alles ist machbar!“
Das Museum für Juwelen und Uhren umfasst auch Werkstätte für die Reparatur von Uhren und Uhrmacherei sowie für die Anfertigung von Schmuckstücken. Mehr Details dazu bringt Emil Kindlein:
Das Museum arbeitet mit einer Montessorri-Schule zusammen. Dort finden Handarbeitsstunden statt, demnach bestand die Möglichkeit, diese handwerkliche Tätigkeit weiterzuentwickeln. Sobald wird auch die Abteilung für Juwelen und Uhren im Museum eröffnen, werden wir die Workshops auch für das breite Publikum anbieten. Ich freue mich, diese Workshops wieder zu veranstalten, denn ich bin der Ansicht, die Besucher eines Museums sollten die Möglichkeit bekommen, die Exponate anzufassen, sich einzubringen, zu experimentieren und dadurch etwas dazu zu lernen. Ich bin kein Verfechter eines Museumsmodells, in dem sich alle Exponate in Schaufenstern, hinter Glaswänden befinden und demnach unberührbar sind.“
Wie werden die Workshops wahrgenommen? Dazu Emil Kindlein:
Die Kinder entdecken die Arbeit mit den Händen wieder. Sie stellen fest, dass das Leben viel mehr als eine Maus, eine Tastatur und einen Bildschirm zu bieten hat. Manche Kinder sehen, was ihre Kollegen oder Freunde selbst gebastelt haben und wollen das auch machen. Sie schaffen es aber nicht gleich, denn im Unterschied zu denen, die ein Jahr lang an den Workshops mitmachten, haben sie diese Handfertigkeit nicht entwickelt. Auch in Rumänien entwickelt sich immer stärker der Hang zum Heimwerken. Wir basteln gerne selbst, legen höheren Wert auf selbstgemachte Kunsthandwerke.“
Die Kultur-Ambulanz empfiehlt uns, hochwertige Kulturprojekte zu wählen und stets auf Qualität zu setzen.