Das Phänomen “Anul Nou care n-a fost” (zu Deutsch etwa: Das Neue Jahr, das nie gekommen ist)
Heute sprechen wir über einen Film. Und wir haben dieses Thema gewählt, weil der erste Spielfilm von Regisseur und Drehbuchautor Bogdan Mureșanu, “Anul Nou care n-a fost” (zu Deutsch etwa: Das Neue Jahr, das nie gekommen ist), in der kurzen Zeit seit seinem Erscheinen bemerkenswerte Erfolge erzielt hat.
Ana-Maria Cononovici und Adina Olaru, 07.11.2024, 17:54
Am ersten Wochenende nach seinem Erscheinen erreichte der Film den Spitzenplatz an den Kinokassen. Innerhalb des ersten Monats nach seinem Start in den rumänischen Kinos erreichte der Film bereits 70.000 Besucher. Geschweige die internationalen und nationalen Preise! Oder besser gesagt, das Thema der Auszeichnungen überlassen wir den Fachrubriken von RRI!
Wir haben Bogdan Muresanu gefragt, ob er mit dem Erfolg des Films gerechnet hat:
„Nein, niemand kann etwas tun, wenn er den Erfolg vor Augen hat. Ich meine, ich habe nicht einmal über Erfolg nachgedacht. Ich dachte, selbst wenn ich den Film so machen könnte, wie ich ihn machen wollte – und das schien ein großer Erfolg zu sein – und ihn nur vor ein paar Freunden vorgeführt hätte, wäre das ein Sieg für mich gewesen, denn als ich ihn schrieb, kam es mir unmöglich vor, ihn zu machen. Tatsächlich habe ich etwa sechs Monate lang darüber nachgedacht, ob ich es schaffen könnte, so einen Film zu machen und ob es Sinn machen würde. Ich habe auch eine „sicherere“ Version geschrieben, wie man so schön sagt, etwas, das leichter zu realisieren war, aber am Ende habe ich mich für den harten Weg entschieden! Und jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe!“
Adrian Cioroianu, Geschichtsprofessor an der Universität Bukarest, gestand uns, wie er den Film bei einer der Bukarester Premieren erlebt hat:
„Ich muss zugeben, dass ich ihn überraschend fand, als jemand, der die meisten Filme über die rumänische Revolution gesehen hat! Und ich bin nicht mit hohen Erwartungen hingegangen, obwohl man mir sagte, er sei gut! Ich bin nicht mit hohen Erwartungen reingegangen, aber ich fand ihn überraschend, vor allem wegen des Drehbuchs und der Schauspielerei. Die Schauspieler sind größtenteils sehr bekannt, aber man würde sie nicht in einer schwarzen Komödie erwarten. Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll; obwohl er am Ende scheinbar mit einem Happy End endet, wissen wir, dass nach dem Ende des Films noch Tausende von Verletzten und Toten zu erwarten sind. Aber alles in allem denke ich, dass es immer noch eine neue Generation brauchte, um sich mit dem Ereignis auseinanderzusetzen, und ich denke, das entscheidende Element des Films ist diese Verschiebung der Perspektive. Wir hatten schon Komödien, wir hatten schwere Filme über die Dezemberrevolution, aber diese Abfolge von Schicksalen und ihre Verkettung hat uns meiner Meinung nach näher an das wirkliche Leben gebracht, auch wenn der Film die Geschichte natürlich mit der Freiheit des Künstlers behandelt. Es gibt leider einige Dinge, die im Film angenehmer sind als in der Realität, oder einige kleine Unachtsamkeiten im Set-Design, aber alles in allem denke ich, dass die Lebendigkeit des Films alle begeistert hat, die ihn gesehen haben.“
Bogdan Mureșanu erzählte uns, was die größten Herausforderungen bei den Dreharbeiten waren:
„Da der Film an einem Tag und einem Vormittag spielt, gab es Probleme mit dem Wetter, mit den Archiven, es durfte nicht schneien. Auf der anderen Seite waren wir wetterabhängig, wir konnten nicht jederzeit filmen. Die Bäume mussten ein bestimmtes Laub haben, weder sehr grün noch voller Schnee, wie ich sagte, denn das war an diesem Tag, dem 20. Dezember, nicht der Fall. Das hat mir eine Menge Probleme bereitet. Danach die Rekonstruktion von Räumen, die es nicht mehr gibt, und ich spreche nicht von Wohnungen, das kann man noch machen, sondern ein funktionierendes Fernsehstudio aus den 1980er Jahren, das war eine absolut gigantische Herausforderung für uns! Weil wir gesagt haben, funktional: es muss funktionieren, es muss funktionieren, diese Paneele und das ganze Zeug da, weil wir nicht das Geld hatten, um uns hinzusetzen und separat zu filmen.“
Diejenigen, die diese Zeit nicht miterlebt haben und deren Eltern ihnen nicht genug davon erzählt haben, erfahren durch den Film, wie es damals war – wie ein Kassettenrekorder, ein Fernseher mit Lampen und eine Kathodenstrahlröhre funktionierten – und warum man von diesem Ort weglaufen und alles riskieren würde. Informationen, die bei den Menschen sowohl national als auch international immer mehr Anklang zu finden scheinen. Warum ist das so? Bogdan Mureșanu:
„Der Film ist international genauso erfolgreich wie auf nationaler Ebene. Der Film wurde gerade erst auf Festivals vorgestellt, und ich denke, er wird noch mindestens zwei Jahre lang laufen! Er geht um die ganze Welt! Und dort, wo ich auch dabei war, gab es immer volle Häuser. Es stimmt, es waren auch viele Leute aus der rumänischen Diaspora da! Aber wie kann ich es sonst erklären? Ich denke, es ist ein brillanter Film. Jeden Tag erhalte ich Dutzende von Nachrichten von Zuschauern und mein Team und ich versuchen auf jede einzelne Nachricht zu reagieren. Das macht mir wirklich Spaß! Die Begriffe ‚therapeutisch‘ und ‚hell‘ tauchen immer wieder auf, was wahrscheinlich überraschend ist für eine so schwierige Zeit, die so dunkel war. Aber das Ende des Films ist befreiend, und ich erinnere mich, dass ganz Rumänien sich so gefühlt hat, und die Erzählung dieses Films fasst wahrscheinlich dieses Gefühl der Befreiung zusammen, das wir alle an diesem Tag erlebt haben.“
Professor Adrian Cioroianu erklärte desweiteren:
„In dem Film sehen wir Dinge, die für diese Zeit charakteristisch sind, und in gewisser Weise finden wir uns alle darin wieder. Denn als Schüler – und ich spreche nicht von den Schauspielern – haben wir in der Schule Gedichte über die Partei vorgetragen, manchmal über den Generalsekretär, oder über diejenigen, die in der Armee waren und mit der Hand auf der Nationalflagge schworen, das Vaterland auf Befehl des Oberbefehlshabers zu verteidigen. Es gibt also diese Zuschauergruppe, die sich in dem Film wiederfindet, aber überraschenderweise gibt es großes Interesse für den Film auch bei den jungen Leuten, die damals noch nicht geboren waren, und das finde ich sehr erfreulich. Junge Leute, die sich heute ein Bild davon machen, wie das Leben im Jahr ’89 war, was sehr gut ist. Und die Ausländer, denke ich, sind beeindruckt von den Schicksalen als solchen, also von normalen Menschen, die ein Land zeigen, das in seiner Bescheidenheit zivilisiert ist. Wir waren ein Land, in dem die Menschen versuchten, in einem anormalen System normal zu leben, und ich denke, der ausländische Kinogänger merkt das sofort. Außerdem, ich wiederhole es, ist es diese Verflechtung von Schicksalen, die Art und Weise, wie Menschen, die sich kennen oder nicht kennen, Teil desselben historischen Ereignisses werden“.
Adrian Cioroianu fügte hinzu:
„Ich möchte wirklich eine Einladung an alle aussprechen, die den Film noch nicht gesehen haben, den Film zu sehen. Denn sie werden genauso überrascht sein wie ich, überrascht in einem sehr positiven Sinne. Es ist eine Art Erinnerung an das Ende des kommunistischen Regimes und das ist sehr willkommen!“
Das rumänische Publikum kann den Film in über 80 Kinos in 42 Städten sehen.