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Das Bonbon-Taxi

Heute stellen wir Ihnen die ungewöhnliche Geschichte des Bukarester Taxifahrers Cristian Roman vor. Er schenkt jedem Fahrgast Süßigkeiten.

Das Bonbon-Taxi
Das Bonbon-Taxi

, 13.11.2014, 17:22

Mehr als 10.000 Taxis fahren auf den Stra‎ßen von Bukarest. Jede Gro‎ßstadt dieser Welt hat tausende toller Geschichten zu erzählen, und die Bukarester Taxifahrer sind oft Menschen mit hochinteressanten Lebensgeschichten. Es gibt viele Ingenieure, Lehrer, Leute von ausgezeichnetem intellektuellem Format, die in Bukarest als Taxifahrer ihren Lebensunterhalt verdienen. Seien Sie also nicht überrascht, wenn beim Einsteigen in ein Taxi der Fahrer Sie in einer Fremdsprache begrü‎ßt und sich anschlie‎ßend mit Ihnen über alles Mögliche unterhält, über Fu‎ßball oder Philosophie, Geschichte oder Politik… Ein Taxifahrer wei‎ß alles, kann alles. Aber die Konkurrenz schläft nicht, und deshalb versucht auch jeder Taxifahrer, treue Fahrgäste für sich zu gewinnen.



Ein ganz besonderer Bukarester Taxifahrer ist Cristian Roman. Von Beruf ist er gelernter Ingenieur, aber seine Karriere war mehrmals ins Stocken geraten. Zuerst verlor er seine Stelle nach der Wende 1989, und 2008 machte ihm die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung. Cristian Roman hat seine Zeit und sein Geld in eine Studie über eine rumänische Weidenholzart für die Golfschlägerindustrie, Walachian Willow, investiert. Leider zerstörte die Wirtschaftskrise seine Pläne und seine Ersparnisse. So musste Cristian Roman sich neu orientieren, und wurde professioneller Taxifahrer:



Als Taxifahrer wollte ich mehr, als nur fahren, ich wollte aus der Reihe tanzen. Taxifahren ist zu 90% Routine, ich musste mir etwas einfallen lassen, damit die Leute mich wieder erkennen. So kam ich auf die Bonbons-Idee. Ich begann, meinen Fahrgästen einzeln verpackte Pralinen und Bonbons zu schenken. Wenn mein Kunde, der 5 oder 7 oder 10 Minuten mit mir fährt, sich in meinem Taxi wohl fühlt, dann bleibt ein Teil seines Wohlfühlens in meinem Wagen. Für mich rechnet sich dieses Wohlgefühl zusammen — die 10 oder 14 Stunden, die ich jeden Tag im Taxi verbringe, werden zu angenehmen Stunden.“




So wurde Cristian Romans Wagen zum Bonbon-Taxi. Die Geschichte des Bonbon-Wagens begann aber für Cristian Roman viel früher, in den 1990er Jahren, als er noch kein Taxifahrer war:



In den 1990er Jahren gab es zahlreiche Stra‎ßenkinder, die an den Ampeln die Windschutzscheiben putzten — es war eigentlich getarntes Betteln. Ich beschloss, ihnen kein Geld zu geben, weil ich genau wusste, dass dieses Geld sofort an ihre ‚Manager‘ ging, die irgendwo versteckt darauf warteten. Ich gab ihnen Bonbons. Schnell wurde mein Privatwagen bekannt wie ein bunter Hund. Wenn ich an der zentralen Kreuzung auf dem Platz der Einheit an der Ampel hielt, hörte man sofort die Rufe: ‚Schnell, schnell, der Bonbon-Wagen ist da!‘ Aus dem Nichts tauchten die Stra‎ßenkinder auf und ich schenkte ihnen Bonbons.“




Heutzutage sieht man kaum noch Windschutzscheibenputzer an den Ampeln. Jetzt hat Cristian Roman für seine Fahrgäste immer kleine Geschenke parat: bunte Klebezettelhefte, Filzstifte und drei Sorten Pralinen und Bonbons. Für Erwachsene gibt es Kaffeepralinen, Kinder bekommen Fruchtbonbons, und den ganz Kleinen schenkt er Fruchtgummis. Aber nicht umsonst: Die Pralinen und die Bonbons sind Preise für diejenigen, die eine Zeichnung machen oder das Gewinnspiel Erkenne den Künstler“ spielen. Der Taxifahrer lädt jeden Gast zu einem Spiel ein:



Die Kinder bekommen immer sehr viele Bonbons, ich schenke ihnen eine Handvoll Bonbons für eine einzige Zeichnung. Sie wollen dann nicht mehr aussteigen. Oft höre ich sie bitten: ‚Omi, Omi, ich zeichne schnell noch etwas, und dann steigen wir aus!‘ Sie können sich gar nicht vorstellen, wieviel Freude ein glückliches Kind einem bringen kann. Wenn ein Kind sagt: ‚Bitte, bitte, fahr nicht weg!‘, wird mir ganz warm ums Herz.“




Erwachsene Fahrgäste, die etwas zeichnen, erhalten die Pralinenkönigin“ — eine mit Pfefferminz-Sirup aromatisierte Kaffeebohne, mit Schokolade überzogen. Diejenigen, die ein von Cristian Roman ausgewähltes Musikstück erkennen, ohne eine Smartphone-App wie Shazam zu benutzen, bekommen den Gro‎ßen Preis: alle Bonbons im Tageskorb. Auch da sorgten die Kinder für die grö‎ßten Überraschungen, sagte Cristian Roman:



Ich erlebte eine extrem angenehme Überraschung mit einer sehr jungen Dame, die mir alle Bonbons weggefegt hat. Es war ein 10-jähriges Mädchen, sie studierte Klavier am Bukarester Musikgymnasium »Dinu Lipatti«. Da sagte ich ihr: ‚Ich werde dir einen Song mit einem fantastischen Musiker spielen, aber ich muss dich warnen: Die Leute erkennen nur selten den Pianisten. Wenn du mir sagen kannst, wer da spielt, gebe ich dir all meine Bonbons.‘ Ich spielte das Musikstück und sagte ihr, sie hätte drei Versuche. Beim ersten Versuch lag sie falsch, beim zweiten war sie schon näher, und beim dritten flüsterte sie mir ins Ohr: ‚Ray Charles?‘ Da wurde ich ganz still — ich wollte ein bisschen Spannung schaffen — dann machte ich es wie bei den Fernsehshows: ‚Dang, dang, dang, ding-dong!‘, warf ihr alle Bonbons auf den Rücksitz und sagte: ‚Du hast mir alle Bonbons weggenommen, ich kann jetzt nach Hause gehen!‘ Ein 10-jähriges Mädchen hatte Ray Charles gehört, sie erkannte sein Klavierspielen und sie hatte auch ein Ray-Charles-Lieblingsstück!“




Die Zeichnungen, die die Fahrgäste im Bonbon-Taxi anfertigen, werden mit Bügelfolie beschichtet und als Lesezeichen im Rahmen von Wohltätigkeitsprogrammen verkauft:



Ich startete zwei Wohltätigkeitsprogramme. Das erste war eine Geldsammlung für die Kinder vom Tageszentrum »Cireşarii«. Die Lesezeichen wurden versteigert, der Startpreis war die ‚fabelhafte‘ Summe von 50 Bani (umg. etwa 11 Eurocents). Da kam schlie‎ßlich doch etwas zusammen. Am 1. Juni, zum Kindertag, erhielten die Kinder vom Tageszentrum ganz viele Bonbons. Das zweite Programm war eine Ausstellung mit Tauschaktion im Bukarester Café Serendipity: Lesezeichen gegen Kinderbücher. Meine Kollegen haben bereits eine Kinderbuchsammlung organisiert, es mussten nicht unbedingt neue Bücher sein — gut erhaltene alte Bücher sind uns höchst willkommen. Die gesammelten Bücher sind als Schenkung für die Bukarester Kinderkrankenhäuser bestimmt; wenn wir ganz viele Bücher bekommen, dann werden wir einen Teil davon auch in andere Städte schicken. Ich nehme diese Gelegenheit wahr und gebe die Gründung der Bibliothek »Das Bonbon-Taxi« bekannt.“




Das war die Geschichte von Cristian Roman, die Geschichte eines Ingenieurs, der in Bukarest sein Bonbon-Taxi“ fährt. Auf Facebook ist er auch zu finden, unter


ro-ro.facebook.com/taxiulcubomboane. Sollten Sie in Cristian Romans Taxi einsteigen, steigen Sie auch in sein Spiel ein und versuchen Sie dabei, die Pralinen-Königin zu gewinnen. Stellen Sie sich mal vor: eine mit Pfefferminz-Sirup aromatisierte Kaffeebohne, mit Schokolade überzogen…

foto: facebook.com/sapunulcheia/
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