Abracadabra: Märchen und Kindergeschichten mit Kindern neuerzählt
Kinder hören gerne Märchen. Und sie übernehmen mit Freude die Aufgaben guter Helden. Das Projekt der gemeinnützigen Organisation Abracadabra, geleitet vom Schauspieler Marian Râlea, bietet ihnen diese Gelegenheit seit gut 18 Jahren.
Ana-Maria Cononovici, 01.03.2018, 17:45
Ich schaff’s, ich bin ein Zauberer“ — das ist das richtige Passwort zur Märchenwelt. Sobald es in die Zauberwelt eintritt, schlüpft das Kind in seine vermutlich erste Rolle hinein, es wird zum Märchenheld“. Dabei handelt es sich um ein innovatives Konzept, dass dieses Jahr das Reifealter erreicht. Die Stiftung Abracadabra, geleitet vom Schauspieler Marian Râlea, startete das Projekt, vor gut 18 Jahren, in Zusammenarbeit mit dem Bukarester Nationaltheater I.L.Caragiale“.
Wir unterhielten uns über das Projekt mit dem Schauspieler Marian Râlea — dem Magier, so wie er in der Öffentlichkeit häufig genannt wird. Diesen Spitznamen erlangte der beliebte Schauspieler viele Jahre davor, dank der Rolle, die er in einer erfolgreichen Kindersendung hatte:
Unser Projekt setzt in natürlicher Weise die Kindersendung »Abracadabra« fort, die 10 Jahre lang im Fernsehen lief. »Abracadabra« ließ die Kinder Märchenhelden werden. Schon damals konnte ich bemerken, dass sich die Kinder mehr wünschen als nur zuschauen und zuhören. Kinder wollen mitmachen. Wir dachten, es sei wichtig, dass die Kinder weiter spielen. Die Theaterbühne schien der geeignete Ort zum Weiterspielen. Denn auch die Schauspieler spielen ihre Rollen. 2001 starteten wir das Projekt mit der ersten Begegnung auf der Bühne des Nationaltheaters. Sie fand am Palmsonntag statt. Wir haben extra diesen Feiertag gewählt, der in der rumänischen Kultur sehr wichtig ist. Er kündigt die Ankunft der Frühlings mit Blumen und Sonnenschein und lächelnden Gesichtern an. Wie im Nu sind 18 Jahre vergangen…“
Kinder im Alter zwischen 4 und 10 Jahren werden auf der Bühne des Nationaltheaters erwartet, um zusammen mit Marian Râlea und seinem Team zu singen, zu tanzen und Spaß zu haben. Im Laufe des Jahres werden alle Kinder der Reihe nach unsterbliche Märchenhelden. Die Schauspieler Marian Râlea, Adina Cristescu und ihre Mitarbeiter planen alles ganz genau. Mehr Einzelheiten dazu bringt Marian Râlea:
Wir dachten uns für jedes Jahr ein anderes Thema aus — »Spiele der Kindheit«, »Märchen von Mihai Eminescu«, »Märchen von Ion Creangă«. In einem Jahr haben wir sogar Shakespeares Geschichten inszeniert. Im Mittelpunkt waren allerdings fast immer rumänische Märchen und Geschichten, mythologische Figuren der rumänischen Folklore. Im Unterschied zur Universalliteratur sind die Helden in rumänischen Märchen weder so gut, wie sie sich zeigen, noch so böse, wie sie erscheinen mögen. Je nach Jahreszeit haben wir die rumänischen Feier- und Festtage mit den dazugehörenden typischen Gestalten in den Vordergrund gebracht. Dragobete, Baba Dochia — das sind für uns Boten des Frühlings. Dann beginnen die Geschichten, die sich um die Ostertradition drehen, Geschichten über kleine Insekten, die zum Leben erwachen, über Blumen, die nach dem harten Winter wieder zu Leben kommen. Doch das Allerwichtigste ist die Interaktion mit den Kindern, die Tatsache, dass sie mitspielen, sich in der Aufführung einbringen. Die Kinder steigen auf die Bühne und werden zu Märchenhelden. Manchmal kennen sie die Geschichte — das freut uns, denn es heißt, die Eltern haben sie ihnen vorgelesen –, manchmal wiederum nicht. Die Kinder bekommen immer die positiven Rollen. Wir, die Schauspieler, verkörpern fast immer das Böse. Die Kinder sind immer weder der Märchenprinz oder die Traumprinzessin.“
Wie in einem Märchen, spärlich verkleidet und lediglich mit ein paar Dingen bewaffnet, lernen die Kinder, ihre Angst zu überwinden und heldenhaft gegen böse Geister und dunkle Mächte vergangener und zeitgenössischer Märchen zu kämpfen. Die Aufführungen sind höchst interaktiv. Der Magier orientiert die Kinder in ihren Rollen, begleitet sie im Laufe der Geschichte. Manchmal spielen mehrere Kinder gleichzeitige die gleiche Rolle, denn es heißt, in der Märchenwelt sei doch alles erlaubt.
Seit 18 Jahren ist der Theatersaal des Nationaltheaters jeden Sonntagvormittag proppenvoll. Dennoch kann Marian Râlea nicht genau einschätzen, wie viele Kinder auf die Bühne im Laufe der Zeit gestiegen sind. Ab und zu kommen Jugendliche im Teenager-Alter zur Aufführung und schauen sich nostalgisch die Interaktion auf der Bühne zu. Den Schauspielern fällt es schwer, die ehemaligen Kinder zu erkennen, doch sie stellen mit Genugtuung fest, dass sie eine Spur in ihren Herzen hinterlassen haben. Sie wissen auch nicht, ob irgendein Kind, das mal auf der Bühne war, die Schauspieler-Laufbahn gewählt hat. Dazu Marian Râlea:
Das war ja auch nicht unser Ziel. Wäre es gewesen, so hätten wir einen Schauspiel-Klub einrichten können. Für uns war aber wichtig, dass sie ihre Angst überwinden, sich mir den eigenen Gefühlen konfrontieren, auf die Bühne steigen und weiter spielen. Denn der Beruf des Kindes ist hauptsächlich das Spiel. Außerdem wollten wir die vor allem rumänische Märchen und die rumänische Sprache sowie die Interaktion der Kinder fördern.“
Mit einem Luftballon als Schwert, einem Lappen als Kleid oder als Zaubermantel, einem leeren Eierkarton als Schild engagieren sich die Kinder im Kampf gegen das Böse und verwandeln sich für ein paar Stunden in Märchenhelden. Weder muss man die Rollen im Voraus kennen noch die Geschichte, in der das Kind auftritt. Schauspielerische Begabung ist auch nicht wichtig. Es ist sogar erlaubt, schüchtern zu sein. Auf der Bühne haben alle Kinder Platz. Die Geschichte wird jedes Mal neu geschrieben, spontan, unter der Leitung des Magiers Marian Râlea. Seit 18 Jahren erwartet er jeden Sonntagvormittag die Kinder im Nationaltheater, um zusammen die Märchen jedes Mal neu zu erfinden.