Das Almascher Land: Wo die Apfelbäume blühen
Heute reisen wir in das Almascher Land im Landkreis Karasch-Severin, der Teil der historischen Region Banat ist. Das Almasch-Tal ist ein Landstrich, der nicht nur geografisch abgeschieden wirkt, sondern auch kulturell eine eigene Welt bildet – ein kleines „Land“ für sich.
Daniel Onea und Sorin Georgescu, 06.04.2025, 17:15
Im Westen Rumäniens liegt eines der ursprünglichsten Gebiete des Banats – das Almasch-Tal oder Almascher Land. Auf rumänisch heißt die Region „Țara Almăjului“, sowohl die rumänische als auch die deutsche Bezeichnung der Region scheinen aus dem ungarischen Almási-medence abgeleitet zu sein, was so viel wie „Apfelbaumgarten“ bedeuten soll.
Und in der Tat: Hier laden blühende Apfelhaine zum Verweilen ein, ebenso wie Wanderwege und Radtouren zu Höhlen, Wasserfällen und uralten Dörfern. Eine Besonderheit ist das größte Mühlen-Freilichtmuseum Südosteuropas, das Besucher in die Zeit zurückversetzt, als Wasser noch die wichtigste Energiequelle war.
Wer etwas mehr Zeit mitbringt, kann auch eine Reise mit der ältesten Gebirgsbahn Rumäniens unternehmen – eine Strecke, die sich durch 14 in Fels gehauene Tunnel schlängelt und seit Jahrzehnten als technisches Wunderwerk gilt.
Grenzen eines unbekannten Paradieses
Der Fotograf und Tourismusförderer Claudiu Vatău kennt die Region wie kaum ein anderer.
„Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben vom Almascher Land kaum gehört. Für viele scheint es eine vergessene Gegend zu sein – eine Art weißer Fleck auf der Landkarte. Dabei liegt sie nur zweieinhalb Autostunden von der Landkreishauptstadt Temeswar entfernt, mitten im Banater Gebirge. Jeder kennt den Bigăr-Wasserfall, nicht aber das Tal, in dem er sich befindet: das Almasch-Tal. Die wahre Attraktion ist jedoch ein anderer Ort – die Nera-Klamm, mit 24 Kilometern die längste Klamm Rumäniens.“
Wandern im Herzen der Natur – die Nera-Klamm und das „Blaue Auge“ der Berge
Die Nera-Klamm bietet unzählige Wandermöglichkeiten – entlang schroffer Felsen, durch ursprüngliche Wälder und vorbei an Naturwundern. Besonders beeindruckend ist der Ochiul Beiului, ein kristallklarer, türkisblauer Karstsee, dessen Farbe das ganze Jahr über leuchtet. Der Name bedeutet „Das Auge des Beys“ und rührt wahrscheinlich vom osmanischen Adelstitel (beg oder bey) her, denn das Banat war in seiner wechselseitigen Geschichte knapp 200 Jahre (von 1526 bis 1716) auch unter türkischer Herrschaft. Unweit vom Karstsee stürzen die Beușnița-Wasserfälle über moosbedeckte Kalksteinformationen – ein Märchen in Grün und Blau.
Doch das Almasch-Tal ist mehr als nur Natur. Wer hierher kommt, begegnet einer lebendigen Kultur – kleinen Dörfern mit alten Holzkirchen, Häusern mit Weinlaub-verhangenen Veranden und Gastgebern, die stolz sind auf ihre Herkunft.
Ein ganz besonderer Ort ist Ravensca (tschechisch Rovensko), das kleinste Dorf der tschechischen Minderheit im rumänischen Banat. Es zählt nur noch etwa 100 Seelen und ist ein echtes Zeitkapsel-Dorf. Unser Reiseführer Claudiu Vatău erzählt weiter:
„Ravensca ist das einzige Dorf in der Region, in dem die Sprache, Bräuche und Architektur der alten böhmischen Siedler fast unverändert überdauert haben. Während andere tschechische Dörfer vom serbischen Einfluss im Donau-Defilee geprägt sind, blieb Ravensca isoliert – oben auf einem Hügel, mit freiem Blick bis zur Donau. Und genau dort erlebt man einen der schönsten Sonnenuntergänge des gesamten Banats.“
Ein weiteres Naturjuwel in der Nähe ist der dreistufige Wasserfall von Moceriș, geformt durch die Natur – und durch den Menschen. In der Region wurde früher Kalk gebrannt, zurück blieben kleine Schluchten, durch die das Wasser nun kaskadenartig fließt. Der Weg dorthin ist ein Erlebnis – ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder im Offroad-Fahrzeug.
Das wilde Herz des Banats – ein Abenteuer zwischen Apfelblüten, Höhlen und historischen Eisenbahnen
Ein City-Break in Timișoara (Temeswar) kann nur der Anfang einer Reise ins Banat sein – das wahre Abenteuer beginnt, wenn man sich ins Banater Bergland und ins idyllische Almasch-Tal begibt. Claudiu Vatău, Fotograf und Ortskundiger, weiß, wovon er spricht:
„Die Erlebnisse hier sind einzigartig – kein Moment gleicht dem anderen. Ob zu Fuß, mit dem Rad oder auf geheimnisvollen Pfaden tief in den Wäldern – das Banater Bergland steckt voller Überraschungen. In den Anina-Bergen nahe dem berühmten Bigăr-Wasserfall liegt die sagenumwobene Peștera cu Oase, die »Knochenhöhle«. Hier wurde der älteste Homo-Sapiens-Schädel Europas entdeckt – rund 4 Millionen Jahre alt! Und das Beste: Der Eintritt ist kostenlos. Doch Achtung – viele Wege sind noch unmarkiert, die Landschaft unberührt. Deshalb sollte man sich von einem unserer lokalen Guides begleiten lassen – sie kennen nicht nur den Weg, sondern auch die Geschichten, die Legenden und die Magie des Ortes.
Eine weiteres Highlight ist das Dorf Rudăria (heute zu Eftimie Murgu umbenannt). Hier rauscht das Wasser durch die größte Mühlenlandschaft Südosteuropas. 22 alte Wassermühlen schmiegen sich in die Landschaft, einige davon arbeiten noch heute – mitten in den Gärten der Dorfbewohner. Und Touristen können dabei sein, wenn Mais zu feinem Mehl gemahlen wird – eine lokale Spezialität. Bis zu 16 Familien teilen sich je eine Mühle, sie halten sie gemeinsam instand und schöpfen daraus ihre Existenz.“
Auf Schienen durch die Zeit
Wer Lust auf Nostalgie hat, sollte unbedingt in den „Banater Semmering“-Zug einsteigen und eine der spektakulärsten Eisenbahnstrecken Rumäniens erleben, rät zum Schluss unser Reiseführer Claudiu Vatău.
„Zwischen Oravița (Orawitza) und Anina (dt. Steierdorf) schlängelt sich die älteste Gebirgseisenbahn des Landes durch Tunnel und über Viadukte – den Fahrgästen eröffnen sich 34 Kilometer voller atemberaubender Ausblicke. In den mehr als 100 Jahre alten Waggons aus edlem Holz und mit einer charmanten Diesellok an der Spitze, wird die Fahrt selbst zur Zeitreise. Frühling in sattem Grün, Herbst in leuchtenden Farben, Winter in glitzerndem Weiß – jede Jahreszeit zeigt hier ihr schönstes Gesicht.“
Willkommen im „Land der Apfelblüten“
Das Almasch-Tal verzaubert im Frühling mit endlosen Apfelblütenwiesen – nicht umsonst nennt man die Region auch liebevoll „Țara Florilor de Măr“, das Land der Apfelblüten. Und wer tiefer in die lokale Kultur eintauchen möchte, darf sich auf eine ganz besondere Erfahrung freuen: Touristen dürfen ihr eigenes Brot backen – mit Mehl, das man zuvor selbst in einer traditionellen Wassermühle gemahlen hat.