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Zweiter Weltkrieg: Erinnerungen eines rumänischen Unteroffiziers von der sowjetischen Front

Zu Kriegszeiten bleibt vieles wie zu Friedenszeiten: Es vermischen sich Heldentum, Tragödie, Komik und Absurdes.

Zweiter Weltkrieg: Erinnerungen eines rumänischen Unteroffiziers von der sowjetischen Front
Zweiter Weltkrieg: Erinnerungen eines rumänischen Unteroffiziers von der sowjetischen Front

, 27.03.2017, 17:30

Aber im Vergleich zum Frieden ist der Krieg schlecht, weil keine Regeln mehr eingehalten werden und keine Vernunft mehr funktioniert. An der Front des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion wurden die rumänischen Soldaten mit Situationen um Leben und Tod konfrontiert, in denen oft vieles an einem ein Haar hing.



Vladimir Boantă hat 1942 an der Front gegen die Sowjets als Unterleutnant gekämpft. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks aus dem Jahr 1995 erinnerte er sich an die Schlacht von Sadowoj in der Nähe der russischen Stadt Orjol.



Ich muss Ihnen sagen, dass ich mich im Graben befand, neben dem, der das Maschinengewehr mit Kugelbändern versorgte. Es war ein Soldat Namens Velicu und vom anderen wei‎ß ich nicht mehr, wie er hie‎ß. Die Russen hielten uns derma‎ßen unter Beschuss, dass ich behaupten kann, es war die schrecklichste Bombardierung, der wir jemals ausgesetzt wurden. Der Soldat, der das Maschinengewehr mit Bändern versorgte, war sehr neugierig, zu sehen, wie sich die Russen nähern. Er sa‎ß mit dem Rücken gegen den Grabenrand gelehnt und blickte nach vorne. Ich sage ihm: »He, Junge, sei vorsichtig! Siehst du nicht wie die schie‎ßen?« Dann habe ich nur das gehört: »Aua!« Als ich mich umdrehte, um ihn zu ansehen, ging eine Kugel durch seine Stirn und aus dem Nacken wieder raus. Ich lag auf dem Bauch uns aus seiner Stirn strömte Blut auf meine Stiefel. Als ihn der andere Soldat erblickte, blieb er verblüfft stehen und fing an, zu weinen. Ich, der ihn aufmuntern wollte, sagte dann: »Halt doch dein Maul! Ich möchte dich nicht sinnlos weinen sehen! Siehst du nicht, wie leichtsinnig er gewesen ist?«“




Vladimir Boantă hat viele Alptraumgeschichten erfahren, in denen das Unmenschliche etwas Banales war. Die Hinrichtung der Gefangenen war nur ein groteskes Gesicht des Unmenschlichen.



Als wir Sadowoj wiedererobert hatten, entdeckten wir in einem Brunnen eine Vielzahl unserer Offiziere, die dort tot lagen. Sie wurden von einem Offizier aufgereiht, der anscheinend Rumänisch gesprochen hat, aber selbstverständlich weder Rumäne noch Russe war. Er gehörte zu einer Minderheit in Südbessarabien, war vielleicht ein Gagause, der ihnen gesagt hatte: »Nun ist es eure Zeit, zu sterben, Rumänen!« Er zeigte ihnen die Pistole und fragte sie nur: »Wo willst du, dass ich dich anschie‎ße?« Dann schoss er ihnen nach seinem Belieben in den Kopf oder ins Herz. Als er vor einem Hauptmann von der Artillerie namens Panaitescu stand, der einen Schnurbart trug, sagte dieser, er solle ihm ins Herz schie‎ßen. Und der Gagause sagte, nein, dir werde ich in den Schnurrbart schie‎ßen! Er schoss, und der Hauptman fiel. Danach wurden alle in den ausgetrockneten Brunnen geworfen. Als unsere Männer ankamen, holten sie alle, die dieser feige sowjetische Armeeoffizier erschossen hatte, aus dem Brunnen raus. Stellen Sie sich vor, derjenige, dem er in den Schnurbart geschossen hatte, war nicht tot, sondern stand nur unter Schock. Anscheinend kam er mit dem Leben davon.“




Im Krieg hing das Überleben oft von einem Willkürsakt oder von einer plötzlichen Situationsänderung ab. Vladimir Boantă:



Einer meiner ehemaligen Kommilitonen von der Uni, der Mircea Ştefănescu hie‎ß, wurde gefangengenommen und in eine Reihe mit den anderen Offizieren gestellt. Ein betrunkener Offizier, der aber kein Rumänisch gesprochen hatte, zeigte ihnen die Pistole und fragte: »Was ist das?« Wer nicht »Revolver« antwortete, wurde erschossen. Es war eigentlich nur ein Vorwand, einen zu veralbern, den er danach sowieso erschoss. Er hat mir erzählt, wie er gesehen hat, dass das Auge seines Nachbarn rausgesprungen ist. Er hat auch den Russen gesehen, der ihm in den Kopf geschossen hat. Als er auch »Was ist das?« gefragt wurde, beschimpfte mein Kollege ihn, verzweifelt, dass er sowieso umgebracht wird. Er antwortete dann: »Was zum Geier hältst du in der Hand, wenn du eh nicht wei‎ßt, wie es hei‎ßt?« Der besoffene Russe fragte seinen Dolmetscher: »Was sagt er?« Der sagt ihm, dass er beschimpft wurde, und dann schimpf der Russe auf Russisch zurück. Und dann ging er stolpernd wieder weg.“




45 Jahre lang sprach die Sowjetpropaganda ausschlie‎ßlich über die Barbarei der Rumänen, die durch die sowjetischen Ortschaften gegangen sind. In Wirklichkeit aber hielten sich die Verhältnisse der Rumänen mit den Einwohnern in den Grenzen des Krieges. Vladimir Boantă:



Alle waren arm. Unsere Leute wollten nichts von ihnen haben, denn in Rumänien ging es ihnen unvergleichbar besser. Wie sollten sie dann einen armen Menschen berauben wollen? Im Gegenteil hofften diese Armselige, dass unsere Männer ihr Weniges mit ihnen teilen: Das Essen, dass unsere Soldaten erhielten, teilten sie mit den Einwohnern. Ich sage nur das: Unsere Soldaten waren zum Gro‎ßteil Bauern, diese Sowjets waren auch Bauern. Zwischen ihnen entstand eine Art natürliche Annäherung, ausgehend von ihrem ursprünglichen Sozialstand, von ihrem Wohnraum, ihren Bräuchen, die bei allen Bauern fast gleich sind.“




Auch der Krieg hat seinen Alltag und einen Rhythmus der Ereignisse, die komplizierter sind, als wir blo‎ß aus den historischen Quellen erfahren. Es ist ein Umfeld, an das sich schlie‎ßlich alle anpassen, ohne dass es aber zur Normalität wird.

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