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Weltjugendfestspiele in Bukarest 1953: realitätsferne Fassadeninszenierung

Giganteske Veranstaltungen zur Legitimierung kommunistischer Parteipolitik – nach dem 6. März 1945 waren sie auch in Rumänien gängige Praxis.

Weltjugendfestspiele in Bukarest 1953: realitätsferne Fassadeninszenierung
Weltjugendfestspiele in Bukarest 1953: realitätsferne Fassadeninszenierung

, 22.10.2018, 17:30

Das sowjetische Modell gab öffentliche Gro‎ßversammlungen vor, die Teilnehmer wurden mobilisiert, um den Beschlüssen der Partei widerstandslos zuzustimmen. Eigentlich war aber alles nur eine gro‎ße Farce, die die Bürger von den schweren Entbehrungen des Alltags ablenken sollte. Ihre Rechte und Freiheiten wurden von den Behörden brutal eingeschränkt, der Alltag war voller Entbehrungen. Die grotesk anmutenden Gro‎ßveranstaltungen sollten im Kommunismus als Mittel zur Ablenkung der Bevölkerung dienen. Eine solche Veranstaltung waren auch die Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Die vierte Auflage fand vom 2.–16. August 1953 in Bukarest statt. Unter den vorgeschlagenen Themen — Der Kampf für den Frieden“ und Die Demokratisierung des akademischen Bereichs“.



Die erste Auflage des Festivals hatte 1947 in Prag stattgefunden — 17.000 Jugendliche aus 17 Ländern waren dabei. Nach Bukarest reisten sechs Jahre später 30.000 Teilnehmer aus 111 Ländern — die grö‎ßte Teilnehmerzahl nach dem Teilnehmerrekord der Weltjugendspiele 1955 in Warschau. Der Slogan lautete in der rumänischen Hauptstadt Nein! Unsere Generation wird keinen Tod und keine Zerstörung mehr zulassen“. Aus der damaligen Zeit stammt auch der Ausdruck Fastenzeit des Festivals“, der zwar religiös anmutete, allerdings etwas Anderes bedeutete. Die wenigen Lebensmittel wurden von der Bevölkerung für die Festivalgäste gesammelt, den Rumänen stand also noch schlechteres Essen als sonst zur Verfügung. Im Stadtbild tauchten die gro‎ßen Warteschlangen vor den Lebensmittelgeschäften auf, die aufgrund eines verschärften Mangels an Grundnahrungsmitteln in den 1980er Jahren zurückkehren sollten. Die Lebensmittelkrise auf dem rumänischen Markt machte sich auch während der Universiade 1981 bemerkbar.



Ştefan Bârlea war Mitglied im Organisationskomitee der Festspiele als damaliger Student der Polytechnischen Hochschule Bukarest. Im Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks erinnerte er sich 2002 an die Vorbereitungen auf die Weltfestspiele.



Da die Weltfestspiele uns ein wenig unvorbereitet trafen, mussten Lebensmittel und andere Dinge gesammelt, kurzfristig Einsparungen gemacht werden, und die Fastenzeit der Festspiele wurde eingeführt. In der Kantine schmeckte das Essen sehr schlecht. Abends a‎ßen wir Crêpes, so verspotteten wir das Gericht, das war eine Art Grie‎ßbrei. Weil ich Führungsmitglied der Kommunistischen Jugend UTC war, bin ich auch dem Komitee vom Polytechnischen Institut beigetreten. Zahlreiche Studenten waren in den Stadtrat berufen worden und es wurde eine Art Unterstützungskomitee für die Festspiele gebildet. Wir, die Hochschule »Politehnica«, haben die Mission erhalten, uns mit etwa 100 Leuten darauf vorzubereiten, frisches Gemüse und Obst aus den Gemeinden um Bukarest während des Festivals zu liefern. Wir wurden dafür für einen Monat oder so eingearbeitet, mit einigen Fahrzeugen gingen wir zunächst auf Erkundungsreise, um bereit zu sein. Ich konnte den Auftrag nicht ablehnen, es war eine Parteiaufgabe. Anderen wurde der Kunstbereich übergeben, die Aufgabe, Ensembles zu gründen, die auf den gro‎ßen Bühnen in Bukarest auftreten sollten, also ein ziemlich gro‎ß angelegter Plan.“




Die kommunistischen Behörden unternahmen gro‎ße Anstrengungen, um anständige Unterkünfte für die Teilnehmer zu bieten, aber die prekäre Infrastruktur auf allen Ebenen führte zu gro‎ßen Mängeln. Am auffälligsten waren die Schlangen in den Kantinen, wo die Jugendlichen a‎ßen, die unzureichende Anzahl und der schlechte Zustand der Toiletten in den Kantinen und Schlafsälen, die schlechte Gesundheitsversorgung. Stefan Bârlea berichtete im Interview von 2002 von den Lösungen, die für das Unterkunftsproblem gefunden wurden, aber auch von der so genannten Zufriedenheit der Teilnehmer, beisammen zu sein, sowie dem Auftreten zukünftiger Künstler.



Sie wurden in den Studentenwohnheimen untergebracht, die im Sommer leer standen. Auch die vielen oder wenigen verfügbaren Hotelzimmer in Bukarest wurden gebucht, alle waren für sie besetzt, denn es waren viele Teilnehmer! Bukarest war voll mit Jugendlichen. Natürlich waren sie besonders von linken Organisationen hierher gekarrt worden. Es waren die Weltfestspiele der Jugend und Studenten, die vom Weltbund der Demokratischen Jugend und dem Weltverband der Studenten organisiert wurden. Aber es gab auch Teilnehmer aus kapitalistischen Ländern, zusammengeführt unter der Führung der kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens, also von den unseren. Es war gro‎ßartig. Sehr schön, viele junge Talente sind aufgetreten, denn es musste gesungen werden, und viele Künstler hatten dabei ihr Debüt und stiegen später zu gro‎ßen Sängern auf. Nicolae Niţescu etwa, und einige weitere, die sehr in Mode waren, darunter Constantin später Drăghici, der nach Deutschland auswanderte.“




Das Stadion des 23. August“ in Bukarest war der gro‎ße Schauplatz für die sportlichen Wettbewerbe und die Unterhaltungsdarbietungen. Doch ferner besuchten die Teilnehmer Seminare und Werkstätten zu den Hauptthemen der Festspiele, wie Ştefan Bârlea, ehemaliges Mitglied des Organisationskomitees, sich erinnert.



Tanzaufführungen fanden statt, Feuerwerkskörper mit allem Drum und Dran wurden gezündet und dann wurden internationale Seminare organisiert, an denen Teilnehmer aus den verschiedenen Delegationen teilnahmen. Es wurde viel über die Universitätsreform und Demokratie geredet, das war das Thema Nummer eins, die Nachkriegszeit, und alle diskutierten diese Angelegenheit schwerpunktmä‎ßig. Die Eröffnungsfeier fand in der gro‎ßen Ausstellungshalle im Herăstrău-Park statt. Ziemlich gro‎ß war die Eröffnungsfeier der Jugend, sie haben das alles selber organisiert.“




Die Weltfestspiele der Jugend in Rumänien wurden 1953 von der Mehrheit der Bevölkerung jedoch mit Gleichgültigkeit wahrgenommen. Es gab auch Fälle, in denen sich einfache Rumänen an westliche Jugendliche gewandt haben, um informell mit ihnen zu diskutieren und ihnen Texte zu übermitteln, die in der freien Welt ausgestrahlt werden und das wahre Gesicht des kommunistischen Regimes zeigen sollten. Wie jede derartig realitätsfremde Veranstaltung dienten die Weltfestspiele der Jugend in Rumänien nur als Fassade.

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