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Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit: Parteiendebakel und Verfolgung durch die Faschisten

Die Geschichte der Sozialdemokratie in Rumänien beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, genauer im Jahre 1893, als die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Rumänien gegründet wurde.

Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit: Parteiendebakel und Verfolgung durch die Faschisten
Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit: Parteiendebakel und Verfolgung durch die Faschisten

, 28.10.2019, 17:30

Die sozialistischen Ideen erreichten das Land bereits in den 1870er Jahren. 1910 wurde die Rumänische Sozialdemokratische Partei gegründet, auf den Resten der ehemaligen Partei aus dem Jahre 1893. 1918 änderte die Partei ihren Namen in Sozialistische Partei. Gleichzeitig spalteten sich mehrere Dissidenten von ihr ab. 1927 gründeten einige sozialistische Gruppen die Sozialdemokratische Partei, die bis 1945–1948 bestand, als sie von den Kommunisten übernommen wurde.



Die Sozialdemokraten im Rumänien der Zwischenkriegszeit waren sehr unterschiedlich politisch motiviert. Mira Moscovici, eine der Töchter des sozialdemokratischen Vorsitzenden Ilie Moscovici, sprach über diejenigen, die sich der sozialdemokratischen Bewegung angeschlossen haben. (Die Audioaufnahme entstand 1994 und wurde für das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Hörfunks aufgezeichnet.)



Zu der alten sozialdemokratischen Bewegung kamen die Menschen aus Idealismus. Die Partei hatte nichts zu bieten, es konnte keine Karriere gemacht werden. Es wurde gesagt, dass die Sozialdemokratie eine Krankheit junger Studenten sei. Viele bekannte Intellektuelle standen in ihrer Jugend im Konflikt zu ihren Eltern, zur Gesellschaft, sie waren — bis sie eine Karriere machten — Idealisten, Romantiker, Sozialisten also. Mit der Zeit verging der Idealismus. Entweder traten sie anderen Parteien bei oder sie machten bemerkenswerte Karrieren in ihrem Fach. Viele Schriftsteller, Künstler und Kulturschaffende haben als Studenten der sozialistischen Bewegung angehört. Menschen, die Interessenlos der Bewegung beitraten und vielfach dauerhafte Beziehungen knüpften. Denn es war gefährlich, der Bewegung anzugehören, und so entstand eine Art Solidarität. Ich nenne es menschliche Wärme, die wir dringend nötigt haben.“




Die wichtigsten Namen der rumänischen Sozialdemokratie aus der Zwischenkriegszeit waren Ion Flueraş, Iosif Jumanca, Constantin Titel Petrescu, Ilie Moscovici, Serban Voinea — es waren Intellektuelle und Sozialaktivisten, die sich für soziale Werte einsetzten und diese in die Praxis umsetzten. Mira Moscovici erinnerte sich an die Freundschaft ihrer Eltern mit Ion Flueraş, einem sozialdemokratischen Abgeordneten im rumänischen Parlament.



Flueraş war einer der Vertreter der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bewegung in Siebenbürgen. Er war Abgeordneter und wollte nach Bukarest ziehen. Weil er eine Tochter im schulfähigen Alter hatte, wollte er sie zuerst einschreiben und dann die ganze Familie nach Bukarest bringen. Er konnte sie erst nach mehr als einem Jahr in der Schule einschreiben. Die Tochter von Flueraş wohnte natürlich bei uns, das war normal. Meine Mutter stellte einen Diwan in das Kinderzimmer und behandelte sie genauso wie uns, ohne Unterschiede. Als sie schlie‎ßlich umzogen, zogen sie in die Brutus-Stra‎ße, in der Nähe der Parteizentrale, nahe der Izvor-Brücke. Wir zogen dann auch in diese Wohngegend, wir waren fast Nachbarn und die ganze Zeit zusammen. Als wir ins Vatra-Luminoasă-Viertel zogen, bewohnten wir zwei aneinander gebaute Reihenhäuser. Zu Antonescus Zeiten nahm man uns das Telefon weg, weil wir Juden waren, aber wir konnten Flueraşs Telefon benutzten. Als sie uns illegal evakuierten, brachten wir unser Gepäck, unsere Möbel usw. in die Wohnung der Flueraşs. Die Beziehungen waren sehr herzlich und sehr gut.“




Menschlichen Beziehungen entstehen auf natürliche Weise und überwinden unterschiedliche Meinungen oder Zugehörigkeiten. Mira Moscovici erinnerte sich an ihren Vater, der kein Hindernis sah, sich an diejenigen zu wenden, die theoretisch seine Gegner gewesen wären.



Ich möchte noch einmal über die menschlichen Beziehungen sprechen. 1920, als mein Vater nach dem Generalstreik verhaftet wurde, war Hauptmann Vasile Chiru Generalstaatsanwalt der Militärstaatsanwaltschaft. Und sie haben sich angefreundet. Als er Vater aus der Zelle wegen Ermittlungen zu sich bestellte, teilte Chiru dies meiner Mutter mit, damit sie Papa sehen und mit ihm reden könne. Sie besuchte ihn meistens gemeinsam mit meiner Schwester. Chiru wurde zum Oberst befördert, musste aber später selber wegen des Verfahrens gegen den Generalstreik mit Repressalien rechnen, denn er wurde von den Kommunisten verhaftet. Nach den Ermittlungen gegen meinen Vater blieb er mit uns befreundet und arbeitete mit meinem Vater an einer Reihe von Ma‎ßnahmen zur Wiederherstellung des Wirtschaftslebens in Rumänien zusammen. Während Antonescus Zeit war er sogar Zeuge in einem Verfahren, in den es um die Beteiligung meines Vaters am Krieg und um seine militärische Situation ging.“




Die sozialdemokratischen Juden wurden während des faschistischen Regimes besonders hart verfolgt. Aber selbst dann gab es menschliche Haltungen, die die Härte des Regimes linderten, wie Mira Moscovici sagt.



Diese Beziehungen funktionierten während der Antonescu-Diktatur und der faschistischen Rebellion der Legionäre gleicherma‎ßen gut. Wir litten unter der Missgunst der Nachbarn, die versuchten, das Haus, in dem wir lebten, zu ergattern, und wir erhielten Unterstützung vom Priester Bedreag von der Iancu-Nou-Bălăneanu-Kirche im Vatra-Luminoasă-Viertel, der uns bei sich zu Hause aufnehmen wollte, damit uns nichts passiert, während da drau‎ßen die faschistischen Legionäre wüteten. Aber es war nicht nötig, denn es gab immer einige Freunde aus der alten Bewegung, die uns nicht alleine lie‎ßen. Ich lernte sogar Menschen kennen, die der Führung der Legionärsbewegung angehörten, wie Radu Mironovici, der sich, aller Härte und seiner Tätigkeit innerhalb der Legionärsbewegung zum Trotz, korrekt verhielt und uns half.“

Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

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