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Schwarzer Humor im Kommunismus: Radio-Jerewan-Witze in Osteuropa

Die politischen Witze, die zumeist mit der Einleitung: Frage an den Sender Radio Jerewan“ begannen, gelten als Ausdruck beißender Ironie und schwarzen Humors, mit denen die Osteuropäer mit der damaligen Situation in ihren Ländern umgingen.

Schwarzer Humor im Kommunismus: Radio-Jerewan-Witze in Osteuropa
Schwarzer Humor im Kommunismus: Radio-Jerewan-Witze in Osteuropa

, 29.01.2018, 05:30

Die politischen Witze waren in Rumänien während des Kommunismus besonders beliebt. Sie gelten trotzdem bei weitem nicht als rumänische Erfindung. Sie kamen in allen Staaten des ehemaligen Ostblocks häufig vor und viele davon konnten daher, mit ein paar örtlich bestimmten Unterschieden, als gemeinsam bezeichnet werden. Viele meinen, die besten seien jedoch aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen, die Menschen hätten sie mit dem Ziel erfunden, den Alltag einer vom unterdrückenden Regime geprägten Gesellschaft zu bewältigen und mit der damaligen wirtschaftlichen und politischen Situation des Landes mit schwarzem Humor umzugehen. Die politischen Witze basierten auf unterschiedlichen komisch-absurden Situationen, deren Hauptfiguren meistens normale Menschen, Einrichtungen des repressiven Apparats, der staatlichen Propaganda und politische Führer waren, oder spielten auf damals aktuelle Begebenheiten an.



Einer besonderen Beliebtheit unter den Figuren politischer Spitzenwitze erfreute sich Radio Jerewan. Die fiktive Redaktion des Rundfunks in der Hauptstadt des heutigen Armenien beantwortete mit schwarzem Humor und voller Ironie hypothetische Zuhörerfragen. Zumeist begannen die Witze mit der Einleitung: Frage an den Sender Radio Jerewan. Die Radio-Jerewan-Witze waren kurz, aussagekräftig und brachten einen unmittelbar zum Lachen. Einer der Radio-Jerewan-Witze (oder Radio Eriwan), die in den ehemaligen Ostblock-Ländern sehr häufig vorkamen, war: Frage an den Sender Jerewan: Ist es wahr, dass die kapitalistische Gesellschaft am Abgrund steht? Unsere Antwort: Im Prinzip ja, aber wir sind bereits einen Schritt weiter.“



Wir haben den Historiker Eduard Antonian gefragt, warum im kommunistischen Rumänien die Witze rund um den Radiosender in der armenischen Hauptstadt so beliebt waren:



Radio Jerewan war eine Form von Dissidenz, selbst in der ehemaligen Sowjetunion. Das Konzept an sich förderte den schwarzen Humor. Wie ein berühmter Radio-Jerewan-Witz besagte, seien die Zebras ehemalige Esel gewesen, die politische Witze gesagt hätten, die Streifen seien eigentlich als Spuren von Gittern zu verstehen. Oder der in der DDR kursierte ein Pendant dieses Witzes: ‚Werden Radio-Jerewan-Witze honoriert? Im Prinzip ja, von 30 Jahren bis Lebenslänglich.‘ Ich erinnere mich, dass in den neunziger Jahren, nachdem Armenien seine Unabhängigkeit erlangte, der Intendant des armenischen Hörfunks, Radio Jerewan, nach Bukarest kam. Wie man feststellen konnte, wusste er gar nicht, warum der Sender, den er leitete, so berühmt in der rumänischen Hauptstadt war. Jedes Mal wenn der Name Radio Jerewan in Gesprächen vorkam, brachte das ein Lächeln auf das Gesicht seiner Gesprächspartner, die rumänischen Zollbeamten haben ihn sogar gebeten, ihnen ein paar Witze zu erzählen. Ein Freund erzählte mir allerdings gerade, dass der neue Intendant des Senders jüngst auf seinem Facebook-Account gepostet habe: ‚Vorsicht, ich bin der neue Intendant von Radio Jerewan, von nun an nehme ich jeden Witz persönlich und werde mich beleidigt fühlen.‘“




In der Sowjetunion funktionierten ganz gut, genau wie in jedem Land, Klischees über jedes Volk, genau wie innerhalb eines Landes beliebte Klischees über einzelne Regionen kursieren. Wie die sozialistischen Völker darauf kamen, Radio Jerewan als Hauptfigur ihrer Lieblingswitze in der Sowjetära zu machen, das sei auf den Scharfsinn der Armenier zurückzuführen, glaubt Eduard Antonian:



In der Völkermischung der Sowjetunion galt jedes Volk jedoch als individualisiert. So zum Beispiel galten die Tadschiken und Usbeken im allgemeinen Bewusstsein als ziemlich grob und nicht besonders schlau. Die Russen und die Ukrainer waren die Verkörperung des slawischen Geistes an sich, die Litauer, die Letten und die Esten galten eher als Westländer, während die Armenier von den anderen als klug und listig wahrgenommen wurden, sie seien die Menschen, die ganz gut wissen, wie man mit Worten überzeugt und wie man jede günstige Situation nutzten kann. Nicht zuletzt galten die Armenier als witzig und humorvoll, als wahre Vertreter des kaukasischen Geistes, ein Volk der Lebensgenie‎ßer. Darüber hinaus war das kommunistische Regime in Armenien nicht so repressiv wie in anderen Sowjetrepubliken, so zum Beispiel in der Ukraine. Ich möchte in diesem Zusammenhang den berühmten Anastas Mikojan erwähnen, den sogenannten ‚Meister der endlosen Verzögerungen‘, der die Raketenkrise in Kuba gelöst hat.“




Die Radio-Jerewan-Witze kursierten auch mit örtlichen Unterschieden, der bei‎ßende Humor blieb jedoch einer der gemeinsamen Züge der berühmten Spitzenwitze. Bekanntlich sprach der rumänische Diktator Nicolae Ceauşescu viel und wollte jedes Mal ausreden. In diesem Zusammenhang erzählten die Rumänen den Witz: Frage an Radio Jerewan: Kann man an Halskrebs sterben? Antwort: Ja, aber daran leidet er nicht.“



Selbst wenn die Radio-Jerewan-Witze ihre Berühmtheit als politisch motivierte Witze erlangten, wurden sie mit der Zeit unpolitisch, erläutert weiter der Historiker Eduard Antonian:



Diese Witze waren zumeist politisch, mit der Zeit begannen sie auch andere Anspielungen zu machen. Natürlich wurden sie auch an die örtlichen Begebenheiten angepasst. Wenn jemand etwas über Ceauşescu herausfinden wollte, sollte man die entsprechende Frage an Radio Jerewan richten. Mir fällt gerade ein anderer Witz ein: Ein Reporter von Radio Jerewan lief im Jahr 1968, während der sowjetischen Besatzung Prags, verwirrt durch die Stadt. Dann fragt er einen gelangweilten Taxifahrer, der sich an seinen Wagen anlehnte: ‚Sind sie frei?‘ Der Taxifahrer antwortet: ‚Nein, weil ich Tscheche bin.‘ Ich wei‎ß nicht, ob es Sammlungen von Radio-Jerewan-Witzen gibt, im Internet kann man bestimmt unzählige finden.“




Die Radio-Jerewan-Witze haben vor der Wende viele Generationen von Osteuropäern amüsiert. Selbst wenn sie jetzt an Aktualität verloren haben, köstlich sind sie bestimmt geblieben.

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